Ich schau auf dein trostloses Leben
Prosagedicht zum Thema Absurdes
von tulpenrot
(von tulpenrot)
Anmerkung von tulpenrot:
Ausarbeitung eines Ur-alt-textes
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Nachtrag 21.12.2020 - kommentierende Version:
Er: Seit dem Frühjahr liegt eine Schaufensterpuppe auf meinem Dachboden. Keiner wollte sie. Da habe ich sie einfach mitgenommen. Ich brauchte jemanden zur Unterhaltung – und wenn es nur diese Puppe ist. Es war eine Trotzreaktion, ich wollte dir zeigen, dass ich schließlich unabhängig bin und euch alle nicht brauche. Dich schon gar nicht. Es reicht mir mit dir. Die Puppe ist mir nun genug.
Sie: Eine Puppe? Schön sieht sie nicht aus mit ihrem Pflaster auf dem Knie, den Kratzern an Armen und im Gesicht. Sie hat etwas Verruchtes. Das scheinst du zu mögen.
Er: Weil das Jahr und auch das Leben voranschreitet, hab ich mir zum Vergnügen Wein gegönnt. Oder aus Übermut. Auf dem Dachboden - schließlich hab ich sogar der Puppe zugeprostet. Als ob sie meine Geliebte wäre. Wenn nur diese alberne Fliege nicht gewesen wäre. Sie setzte sich auf mein Weinglas, krabbelte auf dem Rand herum und flog dann gegen die dreckige Fensterscheibe. Als ob sie blind wäre. Ihr sinnloses Gebrumm stört. Ihr Gekrabbel auch. Sonst war es fast gemütlich hier oben. Inzwischen ist es Winter. Wie die Zeit vergeht!
Man wird alt und steif. Das kann so nicht bleiben. Ich werde mir Bewegung verschaffen. Die Puppe ist gerade recht. Sie wird zur Tanzpartnerin erkoren, auch wenn sie bei jedem Schritt mit dem Kopf wackelt und mit den Armen schlackert. Sehr elegant sieht das natürlich nicht aus. Fast rutscht ihr das Hütchen von der Perücke. Aber sie macht alles mit, was ich will. Sie kann ja nicht anders.
Sie: Wie einsam und trostlos das alles aussieht, was du da aufführst. Ein Tanz mit einer Puppe! Gefällt es dir? Ich kann es mir nicht vorstellen. Deine Tränen verraten deine Traurigkeit. Ich habe es ja schon immer gewusst, dass du nicht glücklich werden würdest mit ihr, ohne mich.
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Empfohlen von:
indikatrix, AvaLiam, Melodia, nadir, FelicitasimRegen, Moja, niemand, wa Bash, TassoTuwas, unangepasste, BeBa.
Lieblingstext von:
AchterZwerg, indikatrix.
Kommentare zu diesem Text
alles Absurde hat seine Ursache.
Aus diesem Gedicht spricht Einsamkeit und die Versuche ihr zu entkommen, die gescheitert sind!
Ein Mensch bleibt zurück, traurig und hilflos!
Herzliche Grüße
TT
danke für deine Gedanken für diesen etwas sehr trostlosen Text. Er lag in der Schublade. Heute war es draußen so gräßlich trübe, dass ich in der Stimmung für einen solchen Text war.
Offensichtlich konntest du damit was anfangen.
LG
tulpenrot
das Motiv der Puppe als Gesellschafterin älterer Damen ist leider oft zutreffend.
Hier überzeugt es ganz besonders durch die Hinzufügung des Tanzes: Ein tolles Gedicht!
Entzückte Grüße
der8.
Viele Grüße in deinen Tag
tulpenrot
(14.12.20)
Aber deine Version hätte durchaus auch Potential.
Ich lass jetzt eine WEile die Finger davon.