Sie und könnte

Gedicht zum Thema Allzu Menschliches

von  Emotionsbündel

Morgens klingelt sein Telefon,
sie ist es wieder, er weiß es schon,
stilles Lauschen, ein bei-ihm-sein,
mehr will sie nicht - please hold the line.

Sie redet wenig, jedoch gezielt,
ihre Worte sind karg, dennoch verspielt,
manchmal liest oder singt sie ihm vor,
wenn er es tut, ist sie ganz Ohr
und je nach Belieben, bewegt sie sich
oder bleibt ruhig dabei liegen.


Blindlings taucht sie in seine Klangwelt ein,
ins Zähne putzen, den Rasierer benutzen,
verschiedenste Arten von Wasserrauschen,
eine knarzende Tür, seine Stimme, sein Plauschen,
überall Knistern, sein Stöhnen und Wispern,
die Orange in seinem Mund,
irgendwo draußen bellt ein Hund
im Duett ein Sonett
mit dem krähenden Hahn in Nachbars Heim,

diese Geräusche werden ihr Belcanto sein,
davon wird sie immerzu träumen,
er muss zur Arbeit, sie den Küchentisch räumen.
Es könnte alles möglich sein,
ist alles offen - please hold the line.


Anmerkung von Emotionsbündel:

22.04.2009

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(23.04.09)
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 Emotionsbündel meinte dazu am 24.04.09:
Danke Gerda. Es sind Geräusche des alltäglichen Lebens, die je nach Zeit und Empfinden mal mehr oder weniger Bedeutung haben.
Liebe Grüße, Judith

 Didi.Costaire (24.04.09)
Liebe Judith,

das Leben ist hart: Kurz vor dem Ohrgasmus ruft die Pflicht.

Die Protagonistin erscheint in ihrem Denken und Handeln höchst widersprüchlich. In nur wenigen Worten redet sie zugleich gezielt und verspielt - nahezu unglaublich. Vielleicht aber soll diese Ambivalenz einen kleinen Reigen von Reim-mich-oder-ich-fress-dich-Reimen einleiten, die sinnigerweise zu der ominösen Apfelsine führen.

Vielleicht liegt hier der Schlüssel zu Veränderung und aus dem "könnte" könnte ein "wird" werden, wenn es hier keine Orangen mehr zu kaufen gibt... noch aber kräht der Hahn auf dem Mist: Es bleibt alles wie es ist!

Liebe Grüße, Dirk

 Emotionsbündel antwortete darauf am 25.04.09:
Lieber Dirk,
du hast mal wieder wunderbare Worte gefunden und mit deinem Kommentar ins Schwarze getroffen.
Mal sehen, wie lange sich Orangen auftreiben lassen und der Hahn unermüdlich auf dem Mist kräht
Wahrscheinlich kann man sich nicht darauf verlassen, dass der bellende Hund ihn in aussichtsvollere Gefilde vertreibt!?
Ja, das Leben kann hart sein und Ohren so empfindsam *lächelt*


Allerliebste Grüße, Judith
Farnaby (41)
(12.06.09)
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 Emotionsbündel schrieb daraufhin am 19.06.09:
Ich freue mich, dass dir meine Worte interessant aufgefallen sind
Beschränkt auf das Hören, nimmt man Dinge intensiv wahr ... eigenartig, aber spannend und interessant.. *lächelt*
Liebe Grüße, Judith

 Sylvia (23.07.09)
Huhu Judith

"please hold the line" klingt bzw. wirkt auf mich, wie eine stille Bitte sich selbst zurück zu nehmen und den Moment in der Erinnerung zu genießen...
Mir gefällt dein Gedicht

Lieben Gruß
Sylvia

 Emotionsbündel äußerte darauf am 23.07.09:
Hey Sylvia,

ja, "please hold the line" ist eine stille Bitte - die Bitte nach immerwährender Verbindung, einem Dranbleiben....
So wie es auf dich wirkt, habe ich es noch nicht gesehen, ist aber auch eine Möglichkeit.
Liebe Grüße und danke,
Judith
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