Der traurige König der Straße...

Leise fällt der Regen
in das frischausgehobene Grab
des unbekannten Toten.

Sein Name verliert sich bedeutungslos
in einer bürokratischen Erfassung im Melderegister.

Im Herzen wurde er er schon vor sehr langer Zeit
für die einst Nahestehenden
zu Mr. Unbekannt.
Verbannt und vergessen,
weil er aus der Mitte der Gesellschaft fiel.

Von fern erklingen lieblich einige Glockenklänge.
Vielleicht denkt doch in diesem Moment
jemand an den Verstorbenen.

Er war ein König der Straße.
Sein Reich war die Welt um ihn herum.
Doch Untertanen gab es nicht.

Ein einsamer Herrscher,
der doch nur eins beherrschen wollte:
Den Überlebenskampf auf der Straße.

Wie ein Stern der zu schnell verglühte,
trat er aus dem Leben.
Dabei sehnte er sich in kalten Nächten
nach einer Sternschnuppe,
die ihm seinen größten Wunsch
nach einem Zuhause erfüllen würde.

Doch im Innersten tötete sein täglicher Überlebenskampf
den Glauben an diese Hoffnung.
Mit jedem Jahr, das er
zwischen Konsumpalast und Armut,
zwischen Krieg und Frieden,
zwischen Nächstenliebe und Ablehnung
verbrachte,
kam er dem Tod ein Stück näher.

Er starb so wie er einst auf der Straße lebte:
Allein unter vielen, inmitten der Großstadt.

Doch einige (oder viele?) übersahen ihn,
blindgeworden schrieben sie einen Namen
in die täglichen Alltagsstürme seines Hoffens:
Bettler.

Andere schenkten ihm von Herzen Gaben:
Mitgefühl und Nächstenliebe
brannten sie auf den kalten Asphalt dieser Welt.

cut...

Die Kapelle atmet eine Verlassenheit ein,
ein Pfarrer spricht letzte Worte.
Verhallend im Irgendwo auf diesem
letzten warmen Platz des unbekannten Toten.

Ein Bleichgesicht erweist ihm die letzte Ehre.
Ein letzter Gruß aus fernen Tagen.
Abschied eines Menschen,
der den unbekannten König nie vergaß.

Ein trauriger König, dem die Krone fehlte.
Denn: Die Liebe erreichte ihn nicht (mehr).

Jörg S.