I.
 Inhalt 
III. 

II.

Erzählung zum Thema Evolution

von  Lala

II.

Aus Krakau. Ein polnischer Waisenjunge und doch fern jeden Glaubens. Er war mir nah und doch unheimlich. Er hatte mir sofort geholfen. Ohne nachzufragen oder etwas zu verlangen. Wenn wir uns jetzt im Treppenhaus trafen, grüßten wir uns
freundlich, plauschten auch mal kurz. So erzählte er mir, dass er die Firma an seinem Klingelschild nur nebenher laufen lasse und eigentlich in einem biotechnischen Forschungsinstitut an hoch komplizierten Projekten arbeite. Und jedes Mal wenn wir uns verabschiedeten wiederholte er sein Angebot, mir Anjielika zu
vermitteln. Ich hatte diese Dame noch nie bemerkt und glaubte schon, er wolle mich ein wenig auf die Rolle schieben, aber da wir beide tagsüber arbeiteten, er in seinem Institut und ich bei meiner Gesellschaft, war ich mir diesbezüglich auch nicht sicher.

Als ich eines Sonntags von der Messe nach Hause kam, begegnete ich ihr endlich. Meine Seele ist nach einer Predigt immer so herrlich befreit. Ich fühle mich sauber, gewaschen und wie neu getauft. Sonntage laufen anders, wenn man den Tag in der Gemeinschaft beginnt und im untersten Deck einer Kirche Gott Lieder singt und dabei emporblickt in den Mittelpunkt gotischer Streben.

An diesem Sonntag sah ich sie das erste Mal. Sie wartete vor meiner Wohnungstür. Wartete gedankenverloren und nahm meine Schritte nicht wahr. Vor meiner Tür stand ein Engel. Offen und rein. Mein Herz machte einen Sprung und irgendwie
ahnte ich da schon, dass sie Anjielika sein musste.

„Kennen wir uns?“, ich versuchte so lässig zu klingen wie damals Celary, hörte aber das Echo meiner eigenen Stimme in meinen Ohren nachdröhnen. Da sie mich nicht hatte kommen hören und wartend den Rest von ihrem Griebsch weiter abgenagt
hatte, erschreckte sie sich sehr. Meine coole Attitüde erstarb und ich errötete. Aber dann strahlte sie. Strahlte mich an und ich hatte das Gefühl nie wieder weg zu müssen. Sondern angekommen zu sein. Endlich zu Hause zu sein. Mein Herz
atmete durch.

Sie erzählte mir leicht verunsichert, dass Celary ihr erzählt hätte, dass ich auch alleinstehend sei und sie mir ja vielleicht auch helfen könnte und schaute mich mit großen Augen an. Ich war begeistert, hingerissen, hoffnungslos verliebt und sagte
aber nur:
„Vielleicht, ja. Haben Sie eine Karte?“
Sie wirkte auf einmal konsterniert, stotterte und wiederholte mehrfach meine Frage.
Später gestand sie mir, dass sie nur versuchte aus dem Schlamassel herauszukommen, nicht zu wissen was ich mit Karte gemeint hatte. Sie war einfach umwerfend. Ich konnte nicht mehr umhin:
„Kommen sie erst mal rein. Vor der Tür spricht es sich schlecht.“
Und Anjielika folgte mir.

Es dauerte nicht lange und wir beide wurden ein Paar. Sie war fleißig. Sie putzte und kochte für viele alleinstehende Männer in meiner Stadt. Aber da es nicht nur meine Position finanziell erlaubte, sondern mir der Gedanke, dass meine zukünftige Frau
Anderen die Wäsche wusch, zuwider war, überzeugte ich sie, nach unserer Hochzeit ihre Tätigkeiten, sein zu lassen und nur noch für uns da zu sein. Sie willigte ein und ich schrieb einen höflichen Brief an alle ihre Kunden, dass sie ab September, der
Sommer war vorbei, nicht mehr zu Verfügung stünde.

Es schellte kurz danach an unserer Tür. Ich blickte durch den Spion. Celary. Er sah verwirrt, schlecht und angeschlagen aus. Ich öffnete vorsichtig.
„Guten Abend.“
„Entschuldigen bitte die Störung. Kann ich mit Anjielika reden Kurz.“
„Warum?“
Er starrte mich verwundert an.
„Weil ich ihr zu sagen habe, etwas? Ist das möglich!“
Ich zögerte. Er war aggressiv.
„Ani?“, rief er an mir vorbei. Er beachtete mich nicht mehr. Seine Augen suchten nach ihr. Er schien verzweifelt. Er tat mir leid.
„Moment. Moment. Ich hole sie.“
Er sah mich verdutzt an und bedankte sich.

Ich ging ins Wohnzimmer und beschwor Anjielika, dass falls er ihr vorschlagen sollte und egal was er böte, sie nicht mehr zu ihm putzen gehen solle. Ich sah ihr in die Augen und drückte meine Hand auf ihren Unterleib.

„Es ist nicht gut.“, sagte ich noch. Sie löste sich von mir und ging zu ihm an die Tür. Ich folgte ihr. Als er sah, dass ich hinter ihr herging und neben ihr stehen blieb, grinste er mich kurz an und wechselte die Sprache. Nun sprachen sie auf polnisch
miteinander. Ich konnte ihn verstehen. Ich hatte mein Einverständnis und ihr meinen Rat gegeben. Also ließ ich ab und wartete im Wohnzimmer. Wartete und hörte wie sie polnisch
sprachen. Hörte, wie sie redeten, stritten und manchmal meinte ich sogar sie tuschelten. Es war unerträglich.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich wie die Wohnungstür geschlossen wurde. Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Er würde hereinspazieren und Whisky verlangen. Seit wann trinken Polen eigentlich Whisky?, dachte ich noch, da erschien Anjielika
mit erhitztem Gesicht. Sie war voll guter Laune und nahm mich in den Arm. Ich solle mir keine Sorgen mehr machen. Er sei ein guter Kerl. Nur etwas verwirrt. Ich ahnte was es bedeutete. Sie würde dem Herrn weiter seine Wäsche waschen. Sie sah
mich an und wusste was ich dachte. Sie schüttelte den Kopf. Nur bis ins neue Jahr, nur bis Neujahr flüsterte sie mir ins Ohr. Dann sei es vorbei.

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