fluchtinstinkt

Kurzprosa zum Thema Augenblick

von  redangel

warum ich geflohen bin,
ich wußte es nicht
wollte nur eines, weg von hier
auf keinen fall mehr länger dort.
keinen augenblick mehr.
ich habe eilig flucht ergriffen,
vor dir ,dieser inneren kälte,
dieser ewigen gleichgültigkeit,
davor bin ich geflohen.
ganz offensichtlich war ich gefangen.
eine zeitlang, denn die türe war abgeschlossen,
ich hatte keinen schlüssel.
dich konnte ich nicht wachkriegen,
weil du fest geschlafen hast.
wie bewußtlos, nicht zu wecken.
warum ich nicht vorher
schon gegangen bin,
als es noch möglich war?
nun, anfangs bin ich gelieben,
weil ich den versuch machen wollte,
zu bleiben bei dir, aber dann hast du
mich nicht mehr angesehen.
seitdem hegte ich den fluchtgedanken
in mir, aus meinem blick war er abzulesen.
du hättest mich eventuell
noch zurückhalten können.
mit dem wörtchen: bleib.
aber du hast es leider verschlafen.
du hast schlaftrunkene worte gestammelt,
dass du überhaupt nicht wach bist.
erzählt, von einem schlechten traum,
den du aber vergessen hast.
nichts mehr davon wissen willst,
genauso vergessen wie mich auch.
uns beide nur loswerden,
mich und deinen schlechten traum.
nichts davon übrigbehalten in erinnerung
nur noch einschlafen, direkt dort,
auf dem fussboden vor dem kamin.
darum bin ich geflohen.
ich habe es schnell tun müssen.
ein ausgeprägte fluchtreflex
zwang mich dazu.
wie er in manchen wilden tieren steckt.
angst, die in alle gliedern kriecht.
die angst verletzt zu werden,
getötet oder schwer verwundet,
aus dem hinterhalt heraus.
vielleicht habe ich dabei gewisse dinge
zurücklassen, nicht alles mitnehmen können.
dinge, die mir vorher noch am abend
so sehr wichtig, die mir gut erschienen.
bei der flucht aber nur
hinderlich gewesen wären.
sie zusammenzusuchen hätte mich
zeit gekostet, länger aufgehalten bei dir.
da bin ich unbesonnen hektisch,
überstürzt fortgeflohen ,ohne heimlichtuerei,
direkt durch die tür.
fluchtartig wie jedesmal,
deine höhle verlassend.
dich erleichtert darin zurück.
du hast mich unbehelligt fliehen,
dir entkommen lassen,nicht aufgehalten.
wohlgemerkt, dass ich fortgegangen bin.
"auf wieder sehen!", hast du mir nachgerufen.
wie man einem guten kunden nachruft,
der den laden verlässt
ohne viel gekauft zu haben.
beflissentlicher tonfall, weil du hoffst
weitere geschäfte zu machen, mit mir.
ich bin geflohen, nicht geblieben.
dunkel war es draußen.
kalte tiefdunkle nacht durch laternen
stellenweise erhellt, ich alleine.
weit und breit kein verfolger.
hinter mir her: niemand!
nichts in sicht, nur lauernde
dunkle, bleischwere, schwarzgraue gedanken.
meine eigenen waren es
und lange zeit blieben sie mir
noch ganz dicht auf den fersen.
aber dann konnte ich sie abschütteln,
nachts auf meiner nachhausefahrt,
indem ich sie einer eule mitgab.
die im tiefflug dahinglitt über mich.
weit ausgebreitete eulenflügel bis auf
ein leisese unheimliches rascheln lautlos.
sie war auf der jagd nach kleineren tieren.
warum ich geflohen bin,
wußte ich nicht mehr
ich wollte doch nur eines:
nicht weg von dir.
konnte aber instinktiv nicht länger bleiben
keinen augenblick mehr.

(c) redangel


Anmerkung von redangel:

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