Mein Haar riecht nach Zigaretten und deinem billigen Aftershave, wir torkeln ziellos durch die klirrende Winterkälte. Keine Ahnung mehr, wie dein Freund heißt, der hinten Kim im Arm hält. Ich glaub, es war Mike. Mike, Mick, Mikel, alles das gleiche. Die beiden bleiben immer stehen, denn es entstehen Schweigepausen, weil er nichts zu sagen hat. Sowas ist unangenehm, also küsst er sie lieber. Im Gegensatz zu ihm redest du viel zu viel. Du redest und redest und redest… Man. Du sollst doch gar nicht reden. Am liebsten würde ich dir sagen, du solltest die Klappe halten, aber ich will dich nicht vergraulen.
Du hältst bloß weiter meine Hand und ich weiß nicht, wieso du das machst, aber es ist mir egal, so verdammt egal. Ich glaub, mein Kopf ist genauso leer wie Mike/Mick/Mikels.
Meine Absätze klappern auf dem gefrorenen Boden und ich hab dumme Angst auszurutschen, obwohl ich dich noch extra gefragt hab, ob du auf mich aufpasst. Ich hab ein „Aber sicher“ erwartet, jaja, zugegeben, oder wenigstens sowas Ähnliches, aber es kam bloß ein „Kann ich machen.“
Vielleicht siehst du da keinen Unterschied, aber ich tu es. Aber ist okay. Manche Menschen sind halt nicht vergleichbar.
Ich weiß nicht, wo wir sind, aber außer Kim und Mister M. ist hier garkeiner mehr. Sieht nach Bahnhof aus.
Du setzt dich hin und ziehst mich auf deinen Schoß, das macht mir nichts aus, denn mir ist eh kalt. Meine Fingerspitzen um den Hals der Flasche fühlen sich tiefgefroren an, ich stell sie ab, um sie unter deine Jacke zu schieben.
Männer sind immer so verdammt warm und du bist da auch keine Ausnahme. Du drückst einen Kuss auf meine Hand und schiebst sie lieber unter dein T-Shirt.
Mh. Ist noch viel wärmer. Von dem Pärchengetue wird mir trotzdem total schlecht.
Wie du laberst. Schlimm. Ganz schlimm. Vollidiot. Halt doch mal den Mund, Mensch. Es interessiert mich nicht, dass du dich fragst, ob da mehr mir laufen wird und dass du mir nicht weh tun willst, sei doch einfach mal ruhig, sei still, denke ich und zieh am Kragen deiner Jacke. Kapier’s doch.
Du küsst mich, viel zu kurz. Ich schmecke den Alkohol schon gar nichtmehr und du redest wieder weiter. Ich versteh’s nicht. Du redest noch mehr als Paris Hilton am Telefon.
Bringt wohl nix. Ich lasse dich quatschen, meine Beine baumeln und warte, während ich zusehe, wie M.s Hand auf Kims Oberschenkel weiter nach oben wandert. An der Innenseite.
Ich fühle irgendwas Warmes an meinem Hals und mit trübem Blick wende ich mich wieder dir zu. Ich glaub, du hast dich ausgesprochen. Ich bin beeindruckt. Meine Lippen drücken sich gegen deine, sodass du keine Chance mehr hast, mir irgendwas mitzuteilen. Du willst jetzt gar nicht mehr reden, hab ich so das Gefühl. Gierig drückst du dich weiter an mich und ich schlinge meine Arme um deinen Hals. Wo ich grade drauf sitze, will ich gar nicht wissen, vermutlich würde mich das auch gar nicht kümmern. Ich weiß nur, dass ich dich nüchtern komplett ignoriert hätte, hättest du mich angesprochen, aber so, wo ich dir nicht so oft ins Gesicht sehe, und wenn, es dann nur verschwommen erkenne, macht mir das nichts aus. Der Kuss wird inniger, dauert an.
Irgendwann löst du dich lüsternd von mir, erst hab ich Angst, dass du wieder rumfloskeln willst, aber du grinst nur dreckig, gehst ganz nah an mein Ohr und flüsterst, dass du für nichts garantieren kannst, wenn ich so weiter mache. Ich finde das persönlich eher lustig, lache mit schwerem Kopf und meine Hand rutscht ein Stück näher an deine Boxershorts. Du küsst mich weiter, deine Hüften ganz eng an meinen. Ist mir sowas von egal. So egal.
Irgendwann steigen du und M in den Zug. Genau, ohne uns. Ich glaub, du wolltest mich mit dir nach Hause nehmen, aber nachdem ich Kim die Zigarette aus dem Mund genommen und M zurückgegeben habe, denke ich, dass ich hierbleiben muss. Kims Mum bringt uns sonst um.
Dein Abschiedskuss fällt knapp aus. Ich hätte nichts anderes erwartet und während ihr in den Zug steigt, warten Kim und ich nicht mal, bis ihr abfahrt.
Wir drehen uns um, sie hakt sich bei mir ein, weil sie genauso Angst hat, wie ich, auszurutschen.
„Man, war meiner schlecht.“, prustet sie und ich erwidere „Meiner erst“ und ich möchte weinen, weil das Ganze nicht so spurlos vorbeigeht, wie ich dachte.
Trotzdem lache ich abwertend, hebe meine Flasche wieder auf. Setze meine Lippen an, weil die Realität schneller läuft, als ich rennen kann.
Meine Beine sind schwer. Ich gucke meine Freundin an, ihr Lippenstift ist verschmiert.
Es tut verdammt weh.