Hausverbot in einer Kneipe

Kurzgeschichte zum Thema Drogen/ Alkohol

von  Koreapeitsche

 

In der Studentenkneipe in der Metzstraße wurde sogar Punk gespielt. Hin und wieder gab es Live Musik, selten legte ein DJ richtiges Vinyl auf. Die meiste Zeit liefen Songs von einer Playlist am Computer. Unter der Woche war meistens nur der Tresen besetzt. Am Wochenende war der Laden meist rappelvoll, besonders der Kickertisch war ständig besetzt. Manchmal fanden Kicker-Turniere statt, und am Sonntagabend lief der Tatort über Beamer auf einer großen Leinwand. An einem Abend arbeitete ein Mitglied der lokalen Antifa am Tresen. Auf einem Barhocker am Tresen saß ein Punk oder besser gesagt, ein Typ, der sich als Punk bezeichnete. Er hatte stets seinen Hund dabei, der neben ihm auf dem Boden am Tresen lag. Sowohl der Tresenmann als auch der Punk waren gut angeheitert. Jetzt kam ein Gast zum Tresen, der noch nicht wusste, was er bestellen sollte. Da vernahm er ein Tresengespräch, bei dem sich der Tresenmann und der Punk am Tresen Judenwitze erzählten. Er vernahm den Satz:

      „Ich werde deine Familie vergasen.“

Der Punk am Tresen entgegnete,

      „Ich werde deine Familie auch vergasen.“

Sowohl der Tresenmann als auch der Punk am Tresen lachten höhnisch. Der hinzugekommene Gast stand rund drei Meter daneben und wusste nicht so recht, wie er reagieren sollte. Sollte er die beiden für die Entgleisungen maßregeln und eine Schlägerei riskieren? Der Wirt war an diesem Abend nicht anwesend, sonst hätte er ihn einschalten können. Doch der Gast zog es vor, die Kneipe zu verlassen, und dem Wirt den Vorfall später mitzuteilen.

Der Wirt kaufte regelmäßig im Supermarkt in der Seitenstraße Getränke für den Kneipenbetrieb ein und fuhr sie mit dem Fahrrad und einem Fahrradanhänger zur Kneipe.

Als der Gast ihn zum nächsten Mal sah, stand der Wirt vorne auf dem Kundenparkplatz des Supermarktes und unterhielt sich mit einer Frau. Der Gast ging zu den beiden, und als das Gespräch kurz pausierte, berichtete der Gast von dem Vorfall.

      „Da haben sich bei dir zwei am Tresen Judenwitze erzählt, der Tresenmann von der Antifa und der Punk mit seinem Hund.“

Da stieg dem Wirt die Zornesrote ins Gesicht.

      „Ich gehe der Sache mal nach.“

sagte der Wirt, und er wollte sich im Moment nicht mehr darüber unterhalten und unterhielt sich weiter mit der Frau, die vor ihm stand.

      Fast zwei Monate später erfuhr der Gast um drei Ecken, dass der Tresenmann nicht mehr in der Kneipe arbeitetet, sich aber weiterhin  im Laden aufhalten durfte. Der Punk mit dem Hund erhielt für zwei Wochen Hausverbot, durfte danach wieder rein.

Der Gast ging noch ein paar Mal in die Kneipe. Doch eines Tages trat der Wirt ihm entgegen.

      „Du führst dich auf wie ein Blockwart. Du trinkst ein oder zwei Getränke, gaffst die Leute an und verschwindest wieder. Das sorgt nur für Unruhe. Ich möchte, dass du in Zukunft nicht mehr die Kneipe betrittst.“

      „Ist das jetzt ein Hausverbot?“

      „Ja. Jetzt geh bitte.“

Später sah der Gast den Kneipier im Park auf einer Bank sitzen. Da machte der Kneipier seinem Ex-Gast Vorhaltungen.

      „Du kannst doch deine Beschwerde nicht einfach ablassen, wenn eine Zeugin dabei steht. Die Art und Weise, wie du dich beschwert hast, gefällt mir überhaupt nicht.“

      „Ja, was soll ich denn machen. Irgendwie muss ich es dir doch mitteilen.“

      „Ich glaube langsam, du willst meine Existenz zerstören und meine Kneipe kaputt machen.“

Da ging der Gast weiter und erkannte, das es nicht bringt, länger mit dem Wirt zu streiten.

Er sah noch mehrmals vom Bürgersteig aus kurz in die Kneipe, die weiterhin gut lief, besonders an den Wochenenden. Doch er durfte nicht mehr reingehen.

Das Hausverbot wurde bis auf den heutigen Tag nicht zurückgenommen. Da lief also irgendetwas verkehrt.

 



Anmerkung von Koreapeitsche:

Zusatz:

Den Punk sah ich später noch einmal in einem Döner-Laden nahe der Losziehmeile. Er saß dort mit einem anderen Mann am Tresen. Sie soffen und unterhielt sich lautstark. Sie lästerten über Flüchtlinge, die im Sperrmüll nach brauchbaren Gegenständen suchen. Der eine sagte

      „Am besten gleich anzünden!“
Und es war nicht klar, ob er den Sperrmüll oder die Flüchtlinge meinte. Der verließ der Gast den Laden, denn er wollte nicht, dass sich das gleiche Drama wie in der Kneipe in der Metzstraße noch einmal wiederholt.  

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Kommentare zu diesem Text


 Maroon (17.04.23, 08:32)
Interessante Geschichte, gerne gelesen.

Irgendwie fühle ich mich in die frühen 80er versetzt. 'Lokale Antifa' und Möchtegernpunks mit Hunden in der Kneipe - das klingt nach 'Damals'. Dazu passt natürlich die Musik von der Playlist nicht, die wäre seinerzeit vom Mixtape gekommen ... ;)

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 17.04.23 um 08:38:
Ja, Koreapeitsche hat einen mitunter etwas altmodisch klingenden Stil, dass er mit Inhaltlichem kombiniert, das aus dem letzten Jahrhundert stammen könnte.

 Koreapeitsche antwortete darauf am 17.04.23 um 09:43:
Lieber Dieter, was meinst Du mit altmodischer Stil? Machst Du das am Wortschatz aus oder an der Grammatik?

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 17.04.23 um 16:52:
Eher Wortschatz, nicht nur der Tresenmann, vor allem aber diese leicht verknatterte Alt-68er-Duktus. Vom Tonfall her erinnert mich der Text an Herr Lehmann, hier bewegt sich der Erzähler aber überwiegend in eine leicht verknöcherten Antifa-Szene: Palästinensertuch, leicht aufgesetzte Lässigkeit, Konsumkritik, Dosenbier.

 Dieter_Rotmund (17.04.23, 08:36)
bei dem sich Der Tresenmann -> bei dem sich der Tresenmann

 AlmaMarieSchneider (17.04.23, 13:27)
Mir gefällt Deine Geschichte und auch der Stil gefällt mir.

Liebe Grüße
Alma Marie

 Koreapeitsche äußerte darauf am 17.04.23 um 15:53:
Vielen Dank, Alma Marie & frohes Schaffen!
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