Freiwillig unfreiwilliger Heimgang

Anekdote zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  loslosch

Animo demisso domum revertit (Zitat aus Ritchie´s Fabulae faciles; Verf. John Kirtland, Textübungen zur griechischen Argonautensage aus dem 4. Jh. v. Chr. - erschienen 1990). Entmutigt kehrte er nach Hause zurück.

So entmutigt kann der schwere Junge eigentlich nicht gewesen sein, der von einem Freigang nicht mehr den Weg in die Gefängniszelle zurückfand. Die wiederentdeckte Freiheit nutzte er zu einem äußerlich geordneten, sittsamen Lebenswandel. Hierzu bot ihm auch das Schachspiel Gelegenheit. Er hatte es im Knast kennen und schätzen gelernt. Auf der unteren Ebene der Kreisklasse war es zu etlichen Wettkämpfen mit gegnerischen Mannschaften gekommen. Naturgemäß mussten Auswärtsspiele stets in der Haftanstalt ausgetragen werden, waren aber eine willkommene Gelegenheit, Kontakte zu Schachfreunden in der Außenwelt zu knüpfen. Die nutzte der ungetreue Freigänger, fand alsbald Anschluss an einen Schachklub im Großraum Bonn und wurde als regulärer Mannschaftsspieler in der Kreisklasse eingesetzt. Es kam der Tag, da sein Team einen Wettkampf in der nahen JVA zu bestreiten hatte. Endlich durfte er etwas von dem zurückgeben, was ihm in den Jahren erzwungener Isolation einen Hauch von Freiheit beschert hatte. Nun konnte er im Kreis seiner "Ehemaligen", natürlich in einer anderen als der früheren Haftanstalt, die geliebten Klötzchen schieben.

Bei der routinemäßigen Ausweiskontrolle der JVA-Besucher wurde sein Ausflug in den Knast jäh gestoppt, in einen stationären Daueraufenthalt umgewandelt. So erfüllte sich der spätlateinische Satz des John Ritchie letztlich doch: Animo demisso domum revertit. Mit hängenden Schultern kehrte er nach Hause zurück.

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Kommentare zu diesem Text

AronManfeld (43)
(04.03.12)
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 loslosch meinte dazu am 04.03.12:
ja, aus dem ost-zwinger, und zwar dem ehemaligen ostblock. viele haben jetzt die deutsche staatsangehörigkeit und verderben die preise für die westdeutschen profis. klötzchenschieber kennen sich aus.

gib nie eine partie vor dem matt auf. der gegner könnte kurz vorher sterben (robert hübner). lothar

 Lluviagata (04.03.12)
Warum stationärer Daueraufenthalt? Das erschließt sich mir nicht. So doof kann doch keiner sein, als gesuchter Sträfling zum Schachspiel in den Knast zu gehen. Ich finde, die Anekdote ist ein wenig verworren geschrieben, zu blumig für dein Format. Fast könnte man glauben, du hast Mitleid mit Strafgefangenen, nur weil sie Schach spielen ... ;)

(Kommentar korrigiert am 04.03.2012)

 loslosch antwortete darauf am 04.03.12:
ich habe ja selbst einmal mit der betriebsmannschaft im knast schach gespielt. da erfuhr ich von einem mitspieler von dieser wirklich irrwitzigen story.

sachen gibts ... deine einschätzung hinkt der realität hinterher! lothar

 Lluviagata schrieb daraufhin am 04.03.12:
Dann hinkt sie eben. Ich war leider noch nie im Knast, weder frei- noch unfreiwillig. Und Schach spiele ich auch nicht. Weder frei- noch unfreiwillig! ;)

Achso, du meinst, weil ich das mit dem stationären Daueraufenthalt nicht verstehe? Für mich heißt das: für immer in der "Geschlossenen" weggesperrt. Wegen einer dreisten Flucht aus dem Knast?
Naja, wenigstens hat der Protagonist nicht gehinkt. ;)

(Antwort korrigiert am 04.03.2012)

 loslosch äußerte darauf am 04.03.12:
daueraufenthalt = längerer aufenthal. nichts ist ewig auf dieser welt.
Scheester (80)
(04.03.12)
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 loslosch ergänzte dazu am 04.03.12:
der schwere junge hätte leicht wegen vorgeblicher krankheit den termin im knast umgehen können. doch er kannte den lateinischen spruch nicht! lothar
Scheester (80) meinte dazu am 04.03.12:
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 EkkehartMittelberg (04.03.12)
Die "traurige" Rückkehr erhält einen gewissen Glanz durch die Verführung des königlichen Spiels.
LG
Ekki

 loslosch meinte dazu am 04.03.12:
vllt. wars winter und der wilde freigänger hatte die bude zuhause kalt, ekki. lothar

 tigujo meinte dazu am 12.03.12:
...oder es bewahrheitete sich der spruch: "er kehrte zum ort der verbrecher zurück", wenn ich ihn richtig in erinnerung habe - den spruch, mein ich lg tigujo

 loslosch meinte dazu am 12.03.12:
ja, so in etwa. ich habe, auf der suche nach dem lat. spruch, nichts besseres gefunden. auch die lat. rückübersetzung für "der verbrecher kehrt an den ort seiner tat zurück" erbrachte nichts greifbares.

 Irma (14.03.12)
Und so entstand dann wohl Stefan Zweigs "Schachnovelle"... LG BirmchenIrmchen

 loslosch meinte dazu am 14.03.12:
schön wärs! danke, yvonne lo
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