Weltbürgergestus

Erörterung zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  loslosch

Socrates quidem quum (=cum) rogaretur, cuiatem se esse diceret, Mundanum, inquit, totius enim mundi se incolam et civem arbitrabatur (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; Tusculanae disputationes). Als Sokrates einmal gefragt wurde, welcher landsmannschaftlichen Herkunft er sich zurechne, sagte er: "dem Weltbürgertum"; denn er betrachtete sich als Bewohner und Bürger der ganzen Welt.

Sokrates ein Weltbürger. So wurde uns die Antike vermittelt. Ein Status, den er sich selbst verliehen hatte, schon in der räumlich überschaubaren Antike ein Titel voll strahlendem Glanz. Dieser Anspruch hinterlässt sehr zwiespältige Gefühle. Zu Zeiten Sokrates´ (5. Jh. v. Chr.) gab es die vielen, allzu vielen Unfreien, Sklaven, meist Kriegsgefangene und deren Abkömmlinge. Der Begriff des Sklaven ist abgeleitet aus dem griechischen Wort für "Kriegsbeute machen". Merkwürdige Weltbürger waren das, die ihren Sklavennachschub vom Rand der damaligen Welt heranschafften. Die römische Oberschicht hielt ganz selbstverständlich ihre Sklaven, die nahezu rechtlos waren. Das ging nicht immer reibungslos, siehe Sklavenaufstand unter Spartakus im 1. Jh. v. Chr. Gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts soll nach Schätzungen mehr als ein Drittel der Bevölkerung Roms Sklaven (einschließlich deren Abkömmlinge) gewesen sein. Nichts Mondänes (abgeleitet aus lat. mundanus, Weltbürger, weltbürgerlich) im ursprünglichen Sinne, eher schon in der modernen Übersetzung: modisch, chic. Nach Kleiderpflege und Stiefelputzen.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(08.11.14)
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 loslosch meinte dazu am 08.11.14:
blinder fleck als höfliche umschreibung, ja.

bibel zur sklavenhaltung:  hier. jesus schwieg, obwohl er zu gott vater einen engen draht hatte. gottmensch?
AbrakadabrA (45) antwortete darauf am 08.11.14:
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 loslosch schrieb daraufhin am 08.11.14:
lieber aron, vllt. hast du sokrates mit "c" geschrieben.

 hier. dann liegst du richtig.

ps: momentan läuft die 1. partie anand - carlsen in sotschi. kannst du live erleben, mit analyse von houdini!!!! nix wie hin.
AbrakadabrA (45) äußerte darauf am 08.11.14:
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 loslosch ergänzte dazu am 08.11.14:
ja. aber nicht gegen die houdini, stockfish usw.:

 hier. die liegen weit über 3.000 ELO, carlsen bei 2.860 als weltbester spieler. carlsen würde über 10 partien wohl viermal remisieren und sechsmal verlieren. ein supergroßmeister hat keine große lust, gegen solche riesen anzutreten - außer bei hohem geldanreiz ...
LottaManguetti (59)
(08.11.14)
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 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 08.11.14:
Grundsätzlich stimme ich dir zu. die Folgerung daraus ist aber seltsam. Abstahiert heißt sie nämlich: Wenn man nicht alles richtig machen kann, sollte/braucht man gar nichts richtig zu machen. Auch auf die Gefahr hin, dass man mir das das (Kultur-)Pessimismus auslegt: Die Welt wird niemals gut![/b]

Aber in einem hast du vollkommen recht: Sie könnte besser sein.

 loslosch meinte dazu am 08.11.14:
@trekan: du musst satire/ sarkasmus interpretieren! sklaverei als quaestio posterior (nachrangige frage).

 TrekanBelluvitsh (08.11.14)
Ist Zar Wladimir dann auch ein Weltbürger?

 loslosch meinte dazu am 08.11.14:
ob er gestern in sotschi war, zur eröffnungsfeier anlässlich der schach-WM (carlsen - anand)?

 Rudolf (08.11.14)
Sklaverei gibt es noch immer. Ein Beispiel ist der Baumwollanbau, siehe z.B.  hier.

 loslosch meinte dazu am 08.11.14:
wie wahr. man googele boko haram und sklaverei. die religion erlaube sklaverei, so der anführer.

etwa 1955 verpasste mein seliger onkel seinem 16-jährigen stift, der recht linkisch war, arschtritte. vor meinen augen. ich hätte fast in die hose gepisst ...
(Antwort korrigiert am 08.11.2014)

 Regina (08.11.14)
Es gibt auch heute noch jede Menge unwürdige Abhängigkeitsverhältnisse mit evtl. sogar schwierigeren Lebensbedingungen als in der Antike. Auch bei uns.

 loslosch meinte dazu am 08.11.14:
lies meinen rekomm bei rudolf zum seligen oheim!

 niemand (08.11.14)
Vielleicht hat er es auch anders gemeint, Lo.
Vielleicht wollte er sagen, dass die Menschen auf der ganzen Welt nicht nach Landeszugehörigkeit gemessen werden sollten, sondern nach Charakteren und diese sind
(auch meiner Meinung nach) überall vom gleichen Schlag,
sprich, es gibt wertvolle Charaktereigenschaften und
beschissene zu deutsch gesagt Daran gemessen ist jeder ein "Weltbürger". Noch deutlicher gesagt. Wir sind alle aus gleichem Lehm (weltlich betrachtet) und Lehm ist die mildere Form der Bezeichnung ...
Im Übrigen hat die Sklaverei verschiedene Gesichter.
Und wir sind Sklaven des Kapitals und seines Ismus,
oder bist Du der Meinung, dass der kleine Scheißer
in unserem Staat frei ist? Das Bisschen Scheinfreiheit ist nämlich lächerlich und auch schnell wieder weg, wenn wir nicht aufpassen, was einige bereits tun, weil sie glauben
die sozialen Errungenschaften wären ein Gottesgeschenk und selbstverständlich. Wenn die sich da mal nicht täuschen in ihrer Naivität. LG Irene

 loslosch meinte dazu am 08.11.14:
er verschwendete beim gedanken an den weltbürger keinen weiteren an die für untermenschen gehaltenen sklaven. die antiken denker sahen in den sklaven keine affenähnlichen wesen, sondern menschen der unterklasse, indisch: PARIAS.

 niemand meinte dazu am 08.11.14:
Schade, dass der Meister schon tot ist, ich hätte ihn gerne persönlich befragt, weiß ich doch wie Überlieferungen, mündlich wie schriftlich, mit der Zeit verfälschen.
Apropos PARIAS, Lo, hier ist man doch ooch keen Mensch, wenn man nicht wenigstens das Abitur hat. Klar, keener der Herrschaften würde es so direkt sagen, da ist man zu vornehm, doch machste die Augen nicht nur zum Shoppen auf, sondern auch so, dann weißte was du bist.
Es sei denn du bist von der Werbewelt derart bedusselt,
dasste nicht mehr gucken kannst. Von der Unterhaltungsmusik haben die meisten eh schon taube Ohren. Aber solange wir alles gegen bunte Glasperlen eintauschen, dürfen wir weiter spielen.

 loslosch meinte dazu am 08.11.14:
darauf übermorgen ein kleiner text zu bildung und bescheidenheit.

ich korrigiere: "Außenseiter". eine wahre geschichte.
(Antwort korrigiert am 08.11.2014)

 Bergmann (10.11.14)
Es lässt sich alles ins Heutige übersetzen.
Von einem Leiharbeiter - ob deutsch oder migrantisch - zu erwarten, er solle ei Weltbürger sein im Stile eines Thomas Mann (ansatzweise), ist illusorisch. Und die wenigen, die tatsächlich so etwas sind wie Weltbürger (geht das nur so im Kopf?), die sind derart privilegiert, dass man weder den Status noch den Gestus gutheißen könnte. Weltsolidarisch sein - das wäre noch etwas - aber auch das überfordert jeden von uns. Ich denke, es ist besser, ganz lokal tätig zu sein WIE EIN WELTBÜRGER im Kleinen, das ist schon genug und besser als so ein Weltbürgerdasein. ttU

 loslosch meinte dazu am 10.11.14:
auch hier scheint sokrates nicht gut weggekommen zu sein. ein weltbürger besonderen kalibers ist wohl albert einstein gewesen. (als er starb, anno 1955, war an unserem gym nichts davon zu merken. eine affenschande.)

 Bergmann meinte dazu am 10.11.14:
Wir in Deutschland müssen immer noch lernen, unsere Besten zu würdigen. Es gibt in diesem Land, das ich liebe, leider die robuste Tendenz zu Häme, Missgunst, niedermachender ungerechter Kritik ... und das nicht nur in der Presse, sondern n der ablesbaren Twitteratur. Diese Tendenz fällt nicht unter den Begriff der Vielfalt an Meinungen. ttU

 Bergmann meinte dazu am 10.11.14:
Wir in Deutschland müssen immer noch lernen, unsere Besten zu würdigen. Es gibt in diesem Land, das ich liebe, leider die robuste Tendenz zu Häme, Missgunst, niedermachender ungerechter Kritik ... und das nicht nur in der Presse, sondern n der ablesbaren Twitteratur. Diese Tendenz fällt nicht unter den Begriff der Vielfalt an Meinungen. ttU
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