Blicke

Erzählung zum Thema Romantik

von  Seelensprache

Es ist ein gewöhnlicher Abend mit einem großen Mahl und vielen Gästen. Schlichte Teller mit einem schönen Rand, gefüllt mit allerlei Leckereien, zieren einen langen Tisch. Sesam-Kartoffeln in Honigtau und das nussige Aroma roter Hokkaidokürbisse duften würzig zwischen den Schatten flackernden Kerzenlichts. Salate mit Äpfeln und Nüssen und zum Nachtisch Apprikosen in einem federweichen Kuchen.
Es dringt ein großer Lärm aus vielen Mündern, die alle zugleich etwas erzählen wollen. Es wird viel genickt und auch gelacht. Ich bin an all dem nicht interessiert. Nicht an den Geschichten, nicht an den Mündern derer, die sie erzählen, nicht einmal an den Köstlichkeiten, die würzig-süß hinauf duften.
Hinter dem Schein eines Kerzenlichts, da lächeln, ganz ungetrübt, zwei hübsche Augen über einem süßen kleinen Mund, der ganz verzückt ist, von den Speißen, die er kostet. Es heißt, wenn man sich länger als sechs Sekunden in die Augen schaue, müsse man sich entweder lieben oder töten. Ich zähle: eins, zwei, drei, vier, fünf. Du hälst meinen Blick und lächelst. Ich spüre eine tiefe, warme Freude auf meiner Haut. Eine Freude, die sich wie ein Nebel durch und über meinen ganzen Körper zieht.  Ich wende meinen Blick ab.
Du bist so hübsch. Du bist so zart. Du bist so plötzlich einfach da. Und ich kann nur noch an dich denken. Ich mag dir diesen langen Blick und tausend süße Küsse schenken. Schau doch nochmal her zu mir und aus langen, tiefen Blicken entsteht ein wir, ein festes Band aus wolkenweichem Stoff gewebt und durch feine Fingerkuppen fest vernäht.
Ich mag dir all diese schönen Worte eines romantischen Erwachens, die voller Zärtlichkeit auf meiner Zungenspitze liegen, in meinen Blicken zuwerfen. Und wenn deine Augen sich in scheuer Schamesröte senken, dann möchte ich mit fester Hand dein Gesicht an meines heben und meinen Mund an deinen legen.
Doch Zweifel bleibt. In Blicken, die sich etwas wünschen, bleibt manchesmal nichts übrig, als der naive Wunsch und aus den bunten Farben einer hübschen Geschichte, die man sich ausgemalt hatte, nur das öde Abbild einer versetzten und stehen gelassenen Sehnsucht.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

faraway (29)
(21.01.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram