Emanzipation vor 130 Jahren

Erzählung zum Thema Emanzipation

von  Sanchina

Doch auch Marlenes Mutter wollte von ihrer Tochter wissen, wer der junge Mann denn sei? Ob noch Verehrer oder schon Liebhaber?

Die  eingeschüchterte Marlene gab den Namen preis: Hugo Prentz  hieß der junge Mann.

"Prentz?" erstaunte sich die Mutter, "was ist das denn für ein Name? Den habe ich noch nie gehört!"

"Nicht?" war es nun an Marlene, sich zu wundern. "seine Mutter ist doch in der Frauenvereinigung."

"Ach so, ach ja!" Die Mutter tat so, als fiele ihr der Name soeben wieder ein.

Die Prentz gehörten nicht der Gesellschaft an. Vater Prentz war zwar gebildet, aber völlig mittellos. Doch immerhin war er Hauslehrer bei den von und zu Greifensteins. Er hatte seinen fünf Kindern - und denen der von und zu Greifensteins - durchaus Manieren beigebracht.

Sohn Hugo,  ein schmales, blasses, oft kränkelndes Bürschchen, konnte sich sehr wohl benehmen, als Marlenes Mutter ihn zu sich zitiert hatte. Er hatte den Hut abgenommen, wie es sich gehört, und stammelte, dass er Lehrer werden würde, wie sein Vater. Nach Abschluss seines Studiums - so stellte er in Aussicht - habe er durchaus  die Absicht, um Marlenes Hand anzuhalten.

Marlenes Mutter war entsetzt. Emanzipation hin, Emanzipation her; sie hatte immer von der Einheirat ihrer Töchter in die gehobene Gesellschaft geträumt. Hatten nicht sogar die kleinen von und zu Greifensteins gelegentlich mit den Prentz-Kindern spielen dürfen? Die Beziehungen eines Hauslehrers in der höheren Gesellschaft waren nicht die schlechtesten.

"Marlene", befand deren Frau Mutter, "du kannst den jungen Prentz unmöglich heiraten!"

"Wer spricht denn von heiraten?" begehrte Marlene auf, "ich kenne ihn doch kaum."

"Dann lass dich nicht von ihm beschenken!" forderte die Mutter. "Außer solchen Kram wie diese geschmacklose Spieluhr hat der Junge nichts zu bieten."

Marlenes Mutter widersprach, ohne dabei rot zu werden, allen Prinzipien der Frauenvereinigung. Nach diesen sollte die Wahl eines Ehepartners nicht länger die Angelegenheit der Eltern sein, sondern allein Sache der jungen Frau.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (18.03.14)
War er nun mittellos oder Hauslehrer? Oder hat er für umsonst gearbeitet? Verstehe ich nicht.

 Sanchina meinte dazu am 18.03.14:
Er hatte als Hauslehrer ein bescheidenes Einkommen und sonst keinerlei Vermögen. Gruß, Barbara

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 19.03.14:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 19.03.2014 von Dieter_Rotmund wieder zurückgenommen.
Fabi (50) schrieb daraufhin am 13.05.14:
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