Von Wildkatze zu Toneule

Kurzprosa zum Thema Freundschaft

von  monalisa

Wenn ich sage, dass du meine Freundin bist, reißen sie ungläubig die Augen auf, der Mund bleibt ihnen offen stehen. Auf diese Weise bin ich schon zu ein paar selten dämlichen Schnappschüssen gekommen. Und wenn wir gar nichts mehr zu lachen haben, sehen wir sie uns an und machen uns lustig über ihre kurzen Gehirne und engen Herzen.
Natürlich, es stimmt schon, wir sind kein Pärchen von der Stange, unterschiedlicher könnten wir wohl kaum sein. Ich bin ja nicht gerade schüchtern, aber gegen dich...
Du gibst dich extrovertiert, exaltiert, explosiv ... impulsiv, inkonsquent, imposant – ja, auch imposant und nicht nur, weil ich gerade ein drittes Adjektiv brauche, um die Reihe fortzusetzen. Manchmal kannst du schrecklich ungerecht, kratzbürstig und aggressiv sein. Davor darf man sich nicht fürchten, denn eigentlich bist du großzügig, warmherzig und mitfühlend, was du natürlich nie zugeben würdest. Man darf dir alles an den Kopf werfen und wenn man damit richtig liegt, kannst du das sogar nach einer Weile gelten lassen, auch wenn du vielleicht im ersten Moment die Krallen ausfährst wie eine Wildkatze. Wildkatze ist ein sehr gutes Bild, ja! Das sagt eigentlich alles, da könnte ich mir den ganzen vorherigen Absatz sparen. Aber jetzt, wo ich mich schon so geplagt habe, bring ichs nicht fertig, alles wieder zu löschen. Na wenigstens spare ich mir den folgenden Absatz, in dem ich dich als autark bis eigenbrötlerisch darstellen wollte, als jemand, der sich treu bleibt, auch wenn er aneckt, sich zurückzieht, sobald er von all dem hohlen Gehabe genug hat, und den Herrgott einen guten Mann sein lässt. 
Wenn wir gemeinsam irgendwo aufkreuzen, was ohnehin fast nie vorkommt, werde ich kaum wahrgenommen, ansich für eine Frau meines Alters ganz normal, ergeht mir auch ohne dich nicht anders. Soviel jünger bist du aber doch auch nicht! Dich könnte niemand übersehen, du spielst deutlich Jüngere lässig an die Wand.
Nun, all das bin ich nicht, aber ich bin da, mit Ausdauer, Geduld und Verlässlichkeit. Ich bin ein bisschen feige, aber nicht sehr, ziemlich harmoniebedürftig, mag mich nicht streiten, aber wenns wirklich darauf ankommt, kann ich mit einer Zähigkeit kämpfen, die man mir nicht zutraut, weshalb ich auch äußerst selten unterliege. Mein Grundsatz ist: Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Das hab ich irgendwo geklaut, weiß aber nicht mehr wo. Zum Glück schreibe ich hier keine Dissertation, sonst könnte ich ganz schön in Schwierigkeiten kommen. Es ist natürlich Kalkül, dass ich mich hier so unscheinbar darstelle, entspricht meinem Hang zur Diplomatie.
Diplomatisch, ja, das bin ich, was ich meistens auch gut finde, solange ich mich nicht zu verbiegen brauche. Ich kann mich in verschiedene Charaktere hineindenken, versuche der alten Indianerweisheit entsprechend ein Weile in deren Schuhen zu gehen. Dabei stelle ich dann häufig fest, dass die Standpunkte gar nicht so weit auseinanderliegen, wie es zunächst scheint, finde Verbindendes  und schaffe es gar nicht so selten, einen Dialog in Gang zu setzen. Wenn ich dich als Wildkatze charakterisiere, ich hoffe, du magst das(?), dann würde ich sagen: Ich bin ein Katalysator, in Zeiten wie diesen natürlich gegendert 'eine Katalysatorin'.
Du schmunzelst!? Bist du anderer Meinung? So chemisch hättest du mich noch nie gesehen. 'Na, wie schätzt du mich dann ein?', frage ich nicht ganz ohne Koketterie, 'Mit einem Wort, bitte!'
'Du bist eine Löwin', lachst du, aber deine Augen bleiben ganz ernst. 'das Beste daran ist, dass du es nicht weißt. Eine Löwin im Schafspelz.'
Meine Internetrecherche ergibt, dass es erstens Löwinnen im Schafspelz nicht gibt und zweitens …
Du klappst den Laptop zu: 'Nein, keine Löwin, eine Eule, eine Eule aus Ton!, grinst du, 'Und wenn du jetzt nicht gleich kommst, dann gehe ich ohne dich.'

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (06.11.14)
Für Freundschaften gibt es eine breite Palette. Aber wenn ich mir eine aussuchen dürfte, wäre es eine Toneule; denn die gibt Laut und verbirgt ihre Weisheit nicht.

Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 06.11.14:
Lieber Ekki, dein Kommentar ist herrlich, du verbirgst deine Weisheit auch nicht (kannst du gar nicht!) und kleidest sie in Humor. Ich grinse von einem Ohr zum anderen und gebe glucksend Laut.

Herzlichen Dank und liebe Grüße,
mona
(Antwort korrigiert am 06.11.2014)

 JDvGoethe (06.11.14)
Hi monalisa,
ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Du einen tiefen Blick in Deine Seele gewährst. Zumindest sind Deine Worte in der Lage, Emotionen anzuregen und Bilder zu erschaffen. Ich glaube, das ist die hohe Kunst der Federführung.
Gruß
JDvG

 monalisa antwortete darauf am 06.11.14:
'Hohe Kunst der Federführung' klingt sehr hoch gegriffen für meine paar ungeschliffenen Zeilen. Ich freue mich, dass du als Leser dich davon zu Bildern und Emotionen anregen lässt. Was kann einer Autorin Besseres passieren :)
Dass du meinst, ich würde Einblicke in meine Seele gewähren, möchte ich dir jedoch ausreden. Vielleicht gibt es ein paar wenige Parallelen zur Ich-Erzählerin, mehr aber auch nicht ;) .

Vielen Dank für deinen Kommi.
Liebe Grüße,
mona

 JDvGoethe schrieb daraufhin am 06.11.14:
Ha, ich hätte schwören können, einen klitzekleinen Blick Deiner Seele erhascht zu haben...
Gruß
JDvG

 monalisa äußerte darauf am 07.11.14:
Du hast schon Recht, indirekt verrät der Autor/die Autorin immer auch etwas über sich selbst, z.B. über seine/ihre Art Humor, Beobachtungsgabe ...
Liebe Grüße, Mona

 Nachtpoet (06.11.14)
Den extrovertierten, exaltierten, explosiven ... impulsiven, inkonsquenten Charakter deiner Freundin spiegelt sich sehr gut in der, aus ihrer Sicht beschriebenen Verwandlung von der Löwin zur Toneule wieder! Man Vermutet, dass sie sprunghaft ist und man nicht jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen sollte.

Liebe Grüße
Ralf

 monalisa ergänzte dazu am 07.11.14:
Ja, Ralf, sprunghaft - auch das passt ganz gut zur Wildkatze, nicht?

Vielen Dank für deinen Kommi.
Liebe Grüße,
mona
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