Weggehen 11 (Conny/Hüttenbau)

Text zum Thema Freundschaft

von  Ganna

Das erste Mal in meinem Leben lebte ich eine Beziehung, die sich nicht auf gefühlsmäßige Abhängigkeit begründete und deren Kitt nicht der Beischlaf war. Beide waren wir völlig frei und blieben unabhängig voneinander. Conny tat, ebenso wie ich, was sie für richtig hielt. Sie hatte beschlossen, mir während eines Jahres zu helfen, weil ich Hilfe nötig hatte. Das war die Grundlage unserer Beziehung. Wenn die Zeit vorüber war, würde sie gehen.
Wir sprachen uns in unserem Tun ab und die Rollenverteilung war klar von Anbeginn, da ich den Putzjob hatte und die Zeit mit ihr nutzen wollte, die Hütte zu bauen. Das tat ich dann auch, während sie die übrigen Aufgaben übernahm.

Conny richtete sich hinten im Stall ihr Lager. Später baute sie sich im Wald eine Unterkunft, indem sie über zwei Paletten, die ihr als Bettunterlage dienten, Haselnussstecken bog und in der Erde befestigte, so dass sich ein Tunnel ergab. Diesen überzog sie mit einer Regenplane. Auf so einfache Art ließ es sich wohnen.

Conny war eine Suchende. Fast 10 Jahre jünger als ich und ohne Kinder war sie frei zu gehen und zu leben, wie sie es für richtig befand. Aufgebrochen war sie nach ihrer Schule, um das Leid dieser Erde zu lindern, fand sich aber in ihrer Absicht durch die bestehenden Regeln begrenzt. In einer Gärtnerei hatte sie gelernt und versucht, ihrem Ausbilder verstehen zu geben, dass auch Pflanzen Empfindungen haben und es sie schmerzt, wenn sie grob und rücksichtslos behandelt werden.
In einer Milchviehanlage, wo sie danach arbeitete, musste sie mit ansehen, wie Kühe geschlagen wurden und man den Müttern ihre Kinder sofort nach der Geburt fortnahm. Sie hielt es nicht lange aus. Dann verdingte sie sich auf verschiedenen Höfen als Magd, um den arbeitenden Müttern dort zu helfen. Doch immer wieder musste sie ähnliches erleben. Statt dass die Mütter ihre Anwesenheit nutzten, um sich auszuruhen und in der Sonne sitzend Kaffee tranken, wurde nur noch mehr gearbeitet.

So tingelte sie als Flower-Power-Kind mit langem Kleid und Rucksack durch die Welt, um den für sie richtigen Ort zu finden. Von mir aus sollte sie in die Pyrenäen aufbrechen, wo sie wie Jesus 40 Tage in der Einsamkeit verbrachte. Jahre nach unserem Zusammensein pilgerte sie betend zu Fuß durch Europa, kehrte in Klöster und Pilgerstätten ein, schlief unter Gottes großem Himmel und bat unterwegs um Almosen.

Conny war stets als erste wach und richtete unten schon das Feuer, während ich mich noch um den Kleinen kümmerte. Wenn wir an die Feuerstelle kamen, hatte sie schon Kaffee gebrüht und Fladen gebacken, Frühstück war fertig. Wir ließen uns Zeit und genossen den Tagesanbruch im Sonnenschein. Meine Arbeit im Hotel begann erst nach der Abreise der Gäste. Und das Sammeln von Kräutern machte erst Sinn, wenn die Sonne den Tau von den Pflanzen geleckt hatte.
Ging sie dann mit dem Kleinen und ihrem Korb in den Wald, begab ich mich zum Putzen und anschließend setzte ich die Arbeit an der Hütte fort.

In die Mitte des von mir auserkorenen Raumes setzte ich einen extra Stamm ein, um die Dachlast abzufangen. Sollte es noch einmal in diesem Maße schneien, wie den Winter davor, wollte ich nicht unter einem eingebrochenem Dach sitzen müssen.
Das Baumskelett des Ziegenstalles verstärkte ich etwas, so wie ich es bei Fachwerkhäusern in Thüringen gesehen hatte und die jungen geraden Kastanienstämme wurden als Dachbalken befestigt. Mit einer Freundin aus Deutschland, die bei uns ihre Ferien verbrachte, nagelte ich nun von außen die Palettenbretter an die Balken. Nach vorne raus ließ ich genügend Platz für zwei kleine Fenster, die wir aus einem Abrisshaus geholt hatten. Auf den Brettern wurde alte Plastikfolie befestigt.
Obwohl ich die Verwendung von Plastik nicht gut und richtig finde, musste ich mich so entscheiden. Die Zeit drängte, der Sommer würde vergehen und mir fehlten die Mittel, um so zu bauen, wie ich es mir idealerweise vorgestellt hätte. Ich musste aus dem, was da war das Beste machen, eine Alternative konnte ich mir einfach nicht leisten. Das Plastik macht die Hütte schließlich winddicht.
Das Material, die Zeit und meine Kraft reichten nicht aus, um den gesamten Ziegenstall auszubauen. Ich trennte den vorderen Raum vom Rest ab und zog eine Bretterwand ein. In etwa 1,80 Metern Höhe brachte ich eine Zwischendecke an, bevor die Blechplatten wieder aufgelegt wurden. Diese Zwischendecke sollte die Wärme im Raum unten halten.

Im August besuchten uns Klaus und Ruth aus Brandenburg mit Auto und Zelt. Während Conny und Ruth sich unten unter der Eiche um Kinder und Haushalt kümmerten, deckten Klaus und ich das Dach, wobei Klaus selbstverständlich die schweren Arbeiten übernahm. Von den Wellblechplatten suchten wir die besten aus, nagelten sie auf die Kastanien und versiegelten die Löcher. Bis heute hält das Dach dicht.

Weil auch mit dem besten Willen alte Palettenbretter mit Plastik überspannt kein Beispiel für eine gelungene Gestaltung abgeben konnten, versah ich die Hütte von außen wieder mit den alten, verzogenen Brettern des Ziegenstalles, sorgfältig sich überlappend angenagelt erhielt sie somit immerhin ein homogenes, uriges Aussehen.
Die alten Fenster klemmte ich zwischen Brettern und Nägeln in die dafür frei gelassenen Löcher ein. Sie zu nageln oder anzuschrauben, wie es richtig gewesen wäre, traute ich mich ihres fortgeschrittenen Verfalles nicht. Aus demselben Abrisshaus, aus welchem wir die Fenster geholt hatten, stammte auch die Tür, die wir einsetzten. Dafür ein Fundament zu gießen war kein Kunststück, den Türrahmen jedoch an den krummen Stämmen zu befestigen schon. Doch irgendwie gelang uns das letztlich auch.

Material für eine Isolierung hatte ich nicht, aber einen alten Ofen. Auf verschiedenen Schuttplätzen versorgte ich mich mit verschiedenen Ofenrohren, von denen schließlich auch einige zusammen passten und sogar an den Ofen. Bevor der angeschlossen werden konnte, musste aber erst der Fußboden befestigt werden.
Dazu sammelten wir flache Steine. Im Wald und im Fluss war kein Stein vor unseren begutachtenden Blicken sicher. Wer noch nie 15m2 mit Natursteinen ausgelegt hat, weiß nicht, wie viele dazu nötig sind. Immer wenn ich noch vor der Hütte dachte, wir hätten schon viele beisammen, schienen sie in ihren Maßen zu schrumpfen, lagen sie erst einmal im Inneren beieinander.
Die Höhenunterschiede ausbalancierend legte ich sie alle auf den blanken Lehm, was sicher nicht fachgerecht war, aber trotzdem funktionierte. Die Zwischenräume goss ich mit Zement aus. Immerhin konnte man so mit etwas gutem Willen davon sprechen, dass der Raum sauber war.

Der Sommer neigte sich seinem Ende zu. Unsere Sommergäste verließen uns und meine Töchter, 14 und 16 Jahre alt, verbachten von nun an ihre Schulzeit bei ihrem Vater, der schon lange vor uns nach Frankreich gezogen war. Es war keine einfache Entscheidung, aber eine sinnvolle Lösung für die Teenager, die uns von nun an in den Ferien besuchten.

Ich strich Tür und Fenster mit kirschroter Farbe an und baute aus den restlichen Brettern im Inneren eine große Liegestatt und zwei Bänke. In einem Kellerregal, das gleich neben dem Bett an die Wand kam,  verstaute ich unser Hab und Gut. Die Kleidung meines Söhnchens nahm ein Fach ein, die meine ein anderes, ein Fach war für Geschirr und Essen reserviert, eines für Bücher und Schreibzeug. Das Werkzeug wurde unters Regal geschoben. Dieses Regal hatte eine Breite von einem Meter.
Von Roger und Karin bekam ich einen kleinen, aber dicken Teppich, der dem Kind als Spielecke diente. Das Spielzeug fand in einer Kiste Platz, die unters Bett geschoben wurde. So hatte alles seine Ordnung gefunden.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Regina (15.05.14)
Es wird ein Buch, und zwar ein spannendes, das man nicht aus der Hand legt, bevor man es bis zum Ende gelesen hat.

 Ganna meinte dazu am 15.05.14:
Danke Regina, ich arbeite daran...

 susidie (15.05.14)
Interessant hier finde ich nicht nur den Hüttenbau, sondern vor allem die Beschreibung der Beziehung zu der Freundin ohne gefühlsmässige Abhängigkeit. Wie frei man sich begegnen kann ohne Erwartungshaltung.
Die Hütte stelle ich mir gemütlich vor in ihrer Einfachheit, aber doch alles bedacht.
Was mich persönlich sehr interessiert ist das Leben mit den Mädchen und wie dies weiterging. Wie ist die Sichtweise von Jugendlichen auf diese Lebensweise? Was nahmen sie mit, was vermissten sie. Das geht jetzt vielleicht zu weit, aber ich denke mich immer sehr in deine Texte ein. Und da ist so viel drumherum.
Tja, da sage mal noch mal jmd, ne Frau könne keine Hütte bauen :) Chapeau!
Liebe Grüße von Su :)

 Ganna antwortete darauf am 15.05.14:
...ich gehe später noch etwas auf die Beziehung zur Freundin ein und darauf, wie es dann ohne sie war...

...die Hütte ist auch heute noch super, praktisch und einfach und zu dem, was man selber macht, hat man eine besondere Beziehung...

...ich weiß noch nicht, inwieweit ich weiter über die Kinder schreibe, das muss ich mir noch überlegen, mein Leben hat sie in unterschiedlicher Weise geprägt...ich denke auch, das geht vielleicht über den Rahmen hinaus...

...und ich denke, fast alle Menschen könnten aus dem was sie finden eine Behausung bauen, wenn man sie ließe, Du könntest es sicherlich auch,
liebe Grüße von Ganna

 Jorge (23.05.14)
Wieder ein spannendes Kapitel vom Leben in der Natur mit Entbehrungen, Verantwortlichkeiten und Beziehungen unterschiedlichster Art.
Liebe Grüße
Jorge
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram