Frau Eusebier und die gleichen Familienteller

Dialog zum Thema Individualismus

von  Nachtpoet

Frau Eusebier sagte mir: Ob ich das kennen würde, wenn man gekocht, den Tisch gedeckt hat und beim Essen merkt, dass der Teller, den man rausgesucht hat, ein alter Bekannter ist? Es wäre deswegen ein alter Bekannter - erklärte mir Frau Eusebier - weil er einen kleinen, aber markanten Abplatzer habe. So würde man den einen Teller immer wiedererkennen und sich irgendwie darüber freuen, schmunzelte Frau Eusebier, wonach sie sofort ein bisschen leiser und nachdenklicher wurde ... Aber - so fuhr Frau Eusebier ins Leere starrend fort - das würde ja auch bedeuten, dass man die anderen Teller des Services NICHT erkennt und das fände sie eigentlich sehr schade. Ja man stelle sich mal vor - imaginierte Frau Eusebier weiter - man kaufe sich ein Service, dass unter Umständen über 20 Jahre zum Haushalt gehöre, man äße jeden Tag davon und wisse nicht einmal welcher Teller welcher wäre. Teller, die durch die lange Zeit zu einem Teil der Familie würden, wie Hunde, Katzen oder ja auch Kinder. So könnte man gut und gerne behaupten - stellte Frau Eusebier jetzt mit entschlossener Mine fest - dass die Teller so eine Art Kinder der Familie wären. Man stelle sich mal vor, man hätte Kinder, die alle gleich aussähen und man rufe nur: "Kind!" und es würde irgend eins kommen, eins von fünf. Man wüsste gar nicht welches Kind welches wäre und es wäre einem EGAL??! Nein! DAS wäre ja eine grauenhafte Vorstellung! Sie - Frau Eusebier - wolle von heute an die verschiedensten und buntesten Teller sammeln, die man einzeln bekommt! Je mehr sie sich von einander unterscheiden würden, desto schöner wäre ihre Erwartung beim Essen immer alte Bekannte begrüßen zu dürfen! 

Und wo sie schon einmal dabei wäre - plante Frau Eusebier weiter - kaufe sie jetzt auch Gabeln, Messer und Löffel einzeln in verschiedenen Formen und Farben, wenn es sein müsse, sogar auf dem Flohmarkt! Ja - strahlte Frau Eusebier - DAS wäre ein buntes Zuhause! Warum den meisten Menschen ihre eigenen Teller und Besteckteile so egal wären, könne sie gar nicht mehr verstehen.

In dieser, jetzt äußerst vorfreudigen Laune tänzelte Frau Eusebier schnell und voller Tatendrang in ihre Wohnung zurück und wollte sich im Bad nur noch kurz etwas nachschminken, da bemerkte sie im Spiegel die weißen Fliesen an der Wand, die sie auf eine weitere Idee brachten ...

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Kommentare zu diesem Text

Sätzer (77)
(11.01.15)
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 Nachtpoet meinte dazu am 11.01.15:
Danke Uwe! Ja, mach' das mal! Ich wünsche dir viel Spaß dabei!

LG
Ralf

 niemand (11.01.15)
Frau Eusebier lässt mich mal wieder kräftig
schmunzeln ))) Gut geschrieben! Mit herzlichen Grüßen, niemand

 Nachtpoet antwortete darauf am 11.01.15:
Danke niemand, das freut mich. Vor allen freut mich, dass es einer deiner Lieblingstexte ist! Es kommen noch mehr Eusebier-Geschichten, ich müsste nur mehr Zeit haben

Liebe Grüße
Ralf

 millefiori (11.01.15)
Eine sehr interessante Sichtweise, der Teller mit Charakter.
Ich mag auch nicht alles perfekt haben und schon deshalb, finde ich deinen Text klasse!

Sehr lustige Idee.

Liebe Grüße
millefiori

 Nachtpoet schrieb daraufhin am 12.01.15:
Danke millefiori, das sehe ich auch so.

LG
Ralf

 EkkehartMittelberg (12.01.15)
Frau Eusebier verwandelt alles zu charakterstarken Individuen. Ich muss ihr mal meine Kleiderbügel schicken. ))

LG
Ekki

 Nachtpoet äußerte darauf am 12.01.15:
Haha! Damit sie sie bemalt, oder weil sie schon so verschieden sind, weil sie aus verschiedenen Epochen kommen?

Danke Ekki!
Ralf
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