Frau Eusebier und die "neue" Währung

Dialog zum Thema Betrachtung

von  Nachtpoet

Frau Eusebier sagte mir: Sie würde sich nach den vielen Jahren des Euros manchmal immer noch dabei ertappen, wie sie zu Cents Pfennige sagen würde. Dann - so Frau Eusebier - schiele sie in der Bäckerei nach links und rechts, ob vielleicht jemand ihren Fehler bemerkt haben könnte, der sie dann berichtigen würde, was zur Folge hätte, dass ALLE Kunden in der Bäckerei jetzt wüssten, dass Frau Eusebier die neue Währung insgeheim immer noch nicht akzeptiert hätte und sie sich womöglich allgemein gegen die moderne Zeit sträube, wovon ja wirklich nicht die Rede sein könne! "Aber" - So zuckte Frau Eusebier hilflos mit den Schultern - "sie wissen ja wie die Leute sind." 

Und als Frau Eusebier so zu mir sprach, da legte sie auf einmal den Zeigefinger auf die Lippen, so als wenn sie von ihrem jetzigen Gedanken auf einen ganz anderen springen wolle, kniff nachdenklich die Augen etwas zusammen und fing dann an von ihrem Opa zu erzählen, der, als sie Kind war, ihr immer ein paar Groschen zusteckte, damit sie sich Kaugummis oder ein Eis kaufen konnte. Der Opa und auch die Oma hätten die 10-Pfennig-Stücke immer nur Groschen genannt. Damals - so erinnerte sich Frau Eusebier - dachte sie, dass der Begriff Groschen nur ein Spitzname für ein 10-Pfennig-Stück gewesen sei, so wie "Heiermann" für das 5-Mark-Stück. Aber später erfuhr sie, dass der Opa den Begriff einer damals in Deutschland gültigen Währungseinheit beschrieben hatte, welche aber schon seit 1871 als Zahlungsmittel ausgedient hatte.

Schwungvoll schlug Frau Eusebier jetzt die Handflächen aufeinander und erzählte mit einer frechen, beinahe etwas neidischen, aber doch süffisanten Mine, dass ihr Opa damals also die Unverfrorenheit besessen habe, die gängige Währung mit dem Begriff einer gestrigen zu betiteln, noch dazu eine, die mehr als 90 Jahre auf dem Buckel hatte und kein Mensch hätte ihn oder ihre Oma oder irgendeinen aus dieser Generation, der das Wort "Groschen" ausspricht, dahingehend zurechtgewiesen, dass man schon längst mit der neuen Währung bezahle, beziehungsweise, es Pfennig und nicht Groschen hieße. ... Was war das doch früher für eine schöne Zeit als ihre Großeltern noch lebten, schwärmte Frau Eusebier und schwor sich ab jetzt, noch mindestens weitere 80 Jahre, Cents Pfennige zu nennen, denn diese 80 Jahre - so meinte Frau Eusebier - stünden ihr historisch gesehen doch jetzt wohl zu. Außerdem hätte sie ja auch eigentlich einen Heidenspaß daran, die Leute zum Berichtigen zu reizen, sie gäben sich dann immer diese Spießerblöße, wie auf Kommando  ... "Pfennige! Pfennige! Pfennige!" sah ich Frau Eusebier noch befreiend in den Abendhimmel jauchzen, bis sie tänzelnd hinter ihrer Gartentür verschwand ...

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (12.12.14)
Ich erwische mich auch immer noch dabei, und wenn ich in meiner Geldbörse das Kleingeld ohne Brille betrachte... LG

 Nachtpoet meinte dazu am 12.12.14:
Ja siehste!

 niemand antwortete darauf am 12.12.14:
... mir geht es ebenso

 Fuchsiberlin (12.12.14)
In meinem Stadtteil gibt es sogar einen sog. "Ein Euro Shop", der sich aber nicht als einen solchen bezeichnet, sondern schlichtweg den Namen "Pfennigland" trägt.

Wieder gerne gelesen Deine Eusebier Story. Weiter so:)
Kann man ein Date mit "Frau Eusebier" vereinbaren? *g*

Liebe Grüße
Jörg

 Nachtpoet schrieb daraufhin am 12.12.14:
Danke Jörg, ein Date mit Frau Eusebier? Da brauchst du aber Zuhör- und Rede-Ausdauer.
LG
Gringo (60)
(12.12.14)
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 Nachtpoet äußerte darauf am 12.12.14:
Danke, ja, also ich rechne nicht mehr um, denn in den ganzen Jahren wären die Preise wohl auch bei der DM gestiegen. Aber Mark und Pfennige sage ich auch manchmal noch. Das macht irgendwie Spaß.

LG

 niemand (12.12.14)
Deine Frau Eusebier ist ein Original und wird mir von Mal zu Mal sympathischer ))) Mit herzlichen Grüßen, niemand

 Nachtpoet ergänzte dazu am 12.12.14:
Haha, das freut mich echt! Danke dir!
Liebe Grüße
Ralf

 EkkehartMittelberg (12.12.14)
Lieber Ralf,
die Frau Eusebier tut zwar manchmal a bisserl schusselig, aber sie ist hellwach, nicht nur, wenn es um Pfennige geht.
Grüße sie schön von mir.

Ekki

 Nachtpoet meinte dazu am 12.12.14:
Danke Ekki für deine Einschätzung und Empfehlung. Tja, einer muss sich ja mal Gedanken machen ... Ich grüße sie von dir!

LG

 TassoTuwas (12.12.14)
Frau Euselier (Öhsebjeh) ist eine liebenswerte Romantikerin.
Ich erinnere mich gern an meine Englandzeit als noch mit farthing, ha´penny, penny, shilling, halfcrown, crown, pound und manchmal auch mit guinee bezahlt wurde.
Alles von phantasielosen Technokraten geopfert für ein langweiliges Dezimalsystem.
Herzliche Grüße
TT

 Nachtpoet meinte dazu am 12.12.14:
Tja, auch in Deutschland kann nur noch der Münzsammler von Groten, Schwaren oder 1/3 Taler schwärmen ...

Danke und LG
Abulie (45)
(12.12.14)
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 Nachtpoet meinte dazu am 13.12.14:
Haha! Mache ich Abulie! Dank dir!

Liebe Grüße
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