Leben im Du und Ich, und doch im Wir

Brief zum Thema Freundschaft

von  Fuchsiberlin

Liebe Freundin,

ich weiß, Du bietest mir mit Deiner Lebenssichtweise immer Deine Hilfe an, wenn ich auf das Leben blind scheiße. Das ist lieb von dir, denn du bist dann einfach da, ohne ein Wenn und aber.
Dieses Forderungslose, ohne an Bedingungen Knüpfende weiß ich sehr zu schätzen.

In Deinem Leben agierst und reagierst du innerlich ruhend.
Selbst im stärksten Sturm siehst du hinter diesem den seichten Wellengang unter wolkenlosem Himmel.
Das hilft Dir, und manches andere auch.
Manchmal beneide ich dich um deinen unerschütterlichen Optimismus, der von einer scheinbar unbezwingbaren Hoffnung begleitet wird. Doch so sehr ich dies mir wünsche, mir hilft dies leider nicht.

Du lebst, denkst, glaubst anders als ich. Dies bedeutet kein Problem für mich.
Wir Menschen sind Individuen.
Wenn Dir Deine Einstellung zum Leben hilft, befindet sich doch alles im akzeptablen Bereich.
Doch an deinem Leben und wie es funktioniert, seelisch und geistig, kann ich mich leider nicht festhalten.

Für dich liegt vieles auf der Hand, was ich nicht sehe.
Auf meinen zwei Beinen stehe ich, und befinde mich oft zwischen Bauchgefühl und Verstand.
Ein eindeutiges Ja oder Nein bleibt dazwischen hängen.
Doch ich lerne immer mehr, überwiegend dem Bauchgefühl zu vertrauen.

Die Suchsucht, die nicht ans Ziel kommt, weil an irgendeinem Ort immer etwas fehlt, treibt mich voran. Als Kind suchte ich Liebe und Gott, doch der Letztgenannte half mir auch nicht.
Schon gar nicht bei der Sehnsucht nach Geborgenheit.
Als Erwachsener suche ich als Atheist ein emotionales Paradies.
Ich weiß, dies klingt infantil. Für das Kind in mir schäme ich mich nicht.
Reife muss ich keinem beweisen.

Im Fundbüro zeigten sie mir nur Schlüssel. Als ob ich wüsste, welcher Schlüssel der richtige wäre.

Manchmal fliegen Schmetterlinge in meinem Kopf, anstatt im Bauch.
Ich starte manchmal als männliche Zicke durch, dies ohne Ziel, Du weißt ...
Mehr als nur ein „Määäh“ aus meinem Mund bekommt dann mein Gegenüber zu hören.

Im „verrückten“ Zustand sitzen in meinem Allerwertesten keine Hummeln.
Stattdessen hockt dort dann eine Vogelspinne.
Und ich spinne herum, und tanze und singe auf der Straße.
Im übertragenen Sinn ...
Obwohl ...,  im Regen singe ich, ohne Schirm und ohne Kapuze an der Jacke, ein „Der Regen ist schön."

Manchmal bin ich verpeilt. Stehe neben mir, und auch neben Dir und anderen.
Das geringste Übel bleibt da das Zähneputzen mit der Rasiercreme.
Oder mit der Mülltüte auf die Straße zu gehen.
Ich befinde mich dann in anderen, in zeitlosen wirklichkeitsfernen, Räumen.

In stillen Momenten suchen mich manchmal die Geister der Vergangenheit auf.
Der Fallschirm aus luftiger Höhe lässt sich dann nicht öffnen.
Sterben könnte so einfach dann sein.
Nur Aufhängen wäre eine relativ sichere Variante. Erschießen geht nicht.
Auf dem Schwarzmarkt müsste ich dort für den eigenen Tod mit dem kostenpflichtigem Erwerb einer Pistole bezahlen.
Tabletten? Vergiss es, zu unsicher.
Doch ich will leben!!! Dann bin ich ein Kämpfer eines viel mehr als nur Entnervten Ichs.

Auch wenn uns hier und da einiges mehr oder minder stark unterscheidet:
Wir akzeptieren den anderen so, wie er ist und lebt.
Lass uns weiterhin so leben, wie es für jeden am besten erscheint.
Ein Du und Ich, und dennoch ein Wir.

PS: Ich mag die Situationen sehr, in denen wir beide miteinander lachen können.

Dein ..., na Du weißt schon ...

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (41)
(05.02.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Fuchsiberlin meinte dazu am 05.02.15:
Zum Glück will der Protagonist sich nicht umbringen. Vielleicht, weil er auch schon aus "luftiger Höhe" mehr erblickte, als er es je im Leben sah ...

Ja, der Brief wirkt durchaus konfus, denn dieser wurde von demjenigen spontan, und dies aus dem Bauch heraus, geschrieben.

Freut mich sehr, dass dieser Brief die Gefühle, die auch in diesem stecken, beim Leser, in dem Fall bei Dir, so ankommen. Es existieren manchmal im Leben Freundschaften, die verbindet etwas, was vielleicht auch schwer rüberzubringen ist: Freundschaftsliebe.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
Nimbus (41) antwortete darauf am 05.02.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 06.02.15:
Freundschaftsliebe bedeutet etwas ganz Besonderes. Ja, der Brief sollte u. a. auch dieses zuweilen konfuse Leben darstellen.

Liebe Grüße
Jörg

 Ginkgoblatt (05.02.15)
Es ist gut, den anderen so zu lassen wie er ist und es ist noch besser, das "Wir" zu begreifen, dass aus so unterschiedlichen Welten entstehen kann. Es entstehen zu lassen, ist wichtig, denn es birgt so viele Chancen des Neu-Sehens/Neu-Verstehens und des Leben-Genießens. Der Moment ist - wir müssen nur lernen, im Moment zu bleiben ohne an später zu denken. Lieben Gruß, Coline

 Fuchsiberlin äußerte darauf am 06.02.15:
Der Moment, das heute ist entscheidend, und lässt das Agieren und Reagieren zu. Unterschiedlichkeiten können einen Lerneffekt beim jeweils anderen auslösen. Den eigenen Lebenshorizont erweitern.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg

 Regina (05.02.15)
Wichtig in diesem Text ist die Toleranz, die auch dem Unverstandenen entgegengebracht wird. Pluspunkte.

 Fuchsiberlin ergänzte dazu am 06.02.15:
Ja!
Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg

 EkkehartMittelberg (05.02.15)
Man wächst in Freundschaften unter Gleichen oder Verschiedenen. Was dazwischen liegt ist uninteressant.

Liebe Grüße
Ekki

 Fuchsiberlin meinte dazu am 06.02.15:
Ja, das Wachsen ist dabei wichtig.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
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