Auf der Flucht

Beschreibung zum Thema Flucht/ Vertreibung

von  LotharAtzert

Anfang Juni etwa werde ich jedes Jahr zum Katzenjäger - um des Schutzes willen der kleinen Meisen und sonstiger Singvögel im Garten, die noch recht unbeholfen erste Flugversuche unternehmen und dabei durch ihr Geschrei nach Futter Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Da wundere ich mich dann manchmal, wie flink die Beine diesen Körper nach siebenundsechzig unsportlichen Jahren noch tragen können - auch wenn die Katzen, um einiges schneller, stets entkommen. Sollen sie ja auch ...
Die verziehen sich dann eins zwei Gärten weiter und legen sich dort auf die Lauer. Lange brauchen sie nicht zu warten, bis dieselben Vögel, die ich eben noch vor ihnen schützte, ihnen dort quasi wieder vors Maul fliegen.
Da kommt man schon mal ins Grübeln über die Effektivität solcher Schutzversuche. Das Herz jedoch beharrt weiter darauf: Hier in diesem Garten soll keinem Vogel und auch sonst keinem Tier ein Leid geschehen, während der Verstand sein obligatorisches "so ist die Natur, was willst du machen?" achselzuckt - und noch schlitzohrig ergänzt: "Vögel sind der Würmer Tod. Jeder Eingriff stört nur das Gleichgewicht."
Die Vernunft, dem Herzen immer um einen Herzschlag näher, als dem kühlen Verstand, versucht es auszusteuern: "An diesem Ort kannst du die Wesen im Rahmen des gesetzlich Erlaubten schützen. Woanders ist die Einflußnahme nicht oder nur indirekt möglich. Und wo du keinen Einfluß hast, darum sollst du dich nicht kümmern."

Laut UN-Bericht befinden sich weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht, etwa 30 Millionen davon sind Kinder. Das sind Zahlen, die Mitfühlenden fast das Herz bricht.
Und wieder spricht der Verstand in mir: "Wo ich in den Menschen fehle, kehren sie gleich zur Bestie zurück und der Oberste der Grausamen läßt alle vertreiben, die ihn, Gott oder Allah nicht anerkennen. So einem vorstellungsgebundenen Unfug, der im Empfinden nicht aufsteigen darf, ist auch seine Grenze gesetzt. Man bräuchte nur zu warten, bis sie erreicht ist, aber das Menschenleben ist kurz und die Leiden, die sie sich untereinander zufügen - Meere von Blut, von Verstümmelten und gebrochenen Hoffnungen -  dein Herz erträgt es einfach nicht und will, ja muß helfen, um der Barmherzigkeit willen.
Weit in der Vergangenheit liegt jedoch die Ursache mancher Wirkung (- Die USA unterstützten früher zB. die Taliban, davon will man heute nichts mehr wissen) von Flucht und Vertreibung - und was verursacht ist an Schwingungen, das muß ausschwingen, bevor es sich lösen kann im Raum und jedes Dagegenhandeln wird seinerseits neue Ursachen setzen für weitere Komplikationen."

Das Herz ist der Taktgeber des Lebens; die Vernunft ist das halbherzige Vermitteln zwischen den Extremen von Herz und Verstand. Halbherzig, weil sie dem eigenen Leben und seiner Bewußtheit "vernünftigerweise" in Notfällen verpflichteter bleibt, als dem Leben anderer. Nur in diesem Rahmen wird versucht, den Flüchtlingen zu helfen. Aber die Ursache ... soll  im Dunkeln bleiben.

Die im Garten leben, haben auch kein unlimitiertes friedliches Leben mehr. Was an der Grenze wächst, wird weg geschnitten oder ausgerissen, in der Höhe gestutzt usw. Die Nachbarn bestehen alle auf ihren Rechten: das ist die Ausübung der Plicht des jeweils anderen in der Gemeinschaft, nichts über die Grenze wachsen zu lassen. Und so mähen wir das Gras, kürzen und ziehen Zäune, Wurzeln, beschneiden die Eichel, dieses, jenes. ...
Und doch erfreut es mich immer wieder, daß ich trotz allem unter dem Schutz der herabhängenden Trauerweidenzweige von einigen Gartengästen als Teil der Natur angesehen werde und sie ihre Lieder auch während meiner Anwesenheit unbekümmert in den Äther singen, während ich ihnen frisches Badewasser bereite.
Der Schutz durch UN-Blauhelme in den Flüchtlingslagern ... grausam, grausam ... ich hab ja mal  "Der blaue Eisenhut" geschrieben, so als Ladenhüter. Ovid sagt, daß er als Geifer dem Kerberos einst aus dem Maul tropfte, bevor er sich in die tödlich giftige Pflanze verwandelte.
Apropos: bis auf ein Blaumeislein haben auch dieses Jahr wieder alle ihre Jungen durchgebracht.

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Kommentare zu diesem Text

BabetteDalüge (67)
(23.06.15)
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 LotharAtzert meinte dazu am 23.06.15:
Das stimmt! Aber Du beziehst es besonders auf mich, sonst hättest Du eine Empfehlung gegeben. (Ich kenne meine Pappenheimer;-)
BabetteDalüge (67) antwortete darauf am 23.06.15:
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 LotharAtzert schrieb daraufhin am 23.06.15:
Selbstkritik ist eine intime Angelegenheit. Öffentlich zelebriert, wird sie schnell zur Operette oder zum "Event".
Im Übrigen geht es in meiner Selbstbetrachtung darum, daß man (- ich-) entweder gegen das Herz, oder gegen den Verstand handelt, oder eben der halbherzigen Vernunft folgt, was auch nur Kompromisse bedeutet.

Mit der Eitelkeit hast Du sicher recht. Deine Eitelkeit (sie stört mich nicht-) zeigt sich auch - zB in Sätzen, wie: "Aber stören tut es mich mehr an allen, daß ..." Stören - wer oder was fühlt sich gestört? - Immer das Ego. Wir stehen uns da doch in nichts nach - da hilft zunächst nur das Akzeptieren und dann natürlich der Humor - nicht Witzigkeit.
(Antwort korrigiert am 23.06.2015)
BabetteDalüge (67) äußerte darauf am 24.06.15:
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chichi† (80)
(23.06.15)
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 LotharAtzert ergänzte dazu am 23.06.15:
... und wird es auch weiter geben, ja.
Die eigene Einstellung dazu ist jedoch wandelbar. Wir sind zuständig am Ort, wo wir leben. Nicht jedoch am andern Ende der Welt, wo gewachsene Strukturen nicht berücksichtigt werden können, da sie uns fremd sind.
Danke auch für das zutreffende Senryu.

Gruß
Lothar
Graeculus (69)
(23.06.15)
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 LotharAtzert meinte dazu am 23.06.15:
Ja ich werde einem Katzenfreund natürlich nicht widersprechen, niemals!

Aber vielleicht noch ein Anekdötchen: ich hatte mal eine süße kleine Rotstirnamazone, die war ungeheuer zärtlich, saß mir oft auf der Schulter beim Meditieren und fuhr je und je mit ihrem Schnabel durch mein Haar. Nur die Pullover hat sie alle durchgeknabbert, die hatten dann alle Löcher im Schulterbereich.
Beim Erdnußverzehr schlich sie sich immer hinter meinem Rücken an, um dann plötzlich drauf zu stürzen, um mit der Beute zu Fuß weg zu rennen, zurück in ihren immer offenen Käfig.
Einmal kam eine Katze ins Zimmer. Da hat Dölma ihre Flügel gespreizt, den Kopf in den Nacken geworfen, einen markerschütternden Schrei von sich gegeben und ist auf die viel größere Katze los, die augenblicklich flüchtete. Sie kam nie wieder ...

Bravo - was die Ente angeht! Die Schwachen retten gehört sich einfach für einen Mann!

15 Katzen? Ich werd' verrückt ...
(Antwort korrigiert am 23.06.2015)
Graeculus (69) meinte dazu am 23.06.15:
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 LotharAtzert meinte dazu am 23.06.15:
Das mit den Elstern ist hier auch ein Problem, ja.
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