Glücklich ist, wer vergisst

Glosse zum Thema Vergessen

von  loslosch

Iniuriarum remedium est oblivio (Publilius Syrus, 1. Jh. v. Chr.; Sententiae). Vergessen ist das Heilmittel gegen erfahrenes Unrecht. Oder: Gegen erlittenes Unrecht ist Vergessen die beste Medizin.

Man wüsste zu gern, ob Vergessen trainiert werden kann. Durch überlagernden Stress? Oder medikamentös? Wo doch im Zeitalter der Altersdemenz ein gegenläufiges Problem virulent ist: Hilfe, ich bin so vergesslich! Zum Schutzpatron der Vergesslichen wollte ich beten, hatte aber seinen Namen vergessen. - Ob man die Traumatisierten mit den Vergesslichen einfach zusammensperren sollte?

Verständlich, dass die vorchristliche Sentenz auf das frühe Christentum Eindruck machte. Vergessen ist besser als Rache üben. Oder gar: Die andere Wange hinhalten. Kurios, dass der Spruch nicht nur Seneca beeindruckte, sondern in modernen europäischen Sprachen Zuspruch erfährt. "Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist" (aus der Operette "Die Fledermaus", 1874) dagegen scheint weniger angreifbar: Du sollst dich mit dem Unabänderlichen abfinden.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (19.10.15)
Ob Publius Syrus das auch zitiert hätte, wenn ihm ein Entgegenkommender einen auf die befreite Exsklavennase gegeben hätte? Hört sich eher nach einem Lehrsatz aus dem Handbuch "Wie zementiere ich ein Trauma" an.

 loslosch meinte dazu am 19.10.15:
jedenfalls ist es ein spruch, der die im allgemeinen gute römische küchenpsychologie vermissen lässt.

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 19.10.15:
Dann will ich es mal so sagen: Kollektiv - je nach den Bedingungen - womöglich eine Alternative. Siehe: Südafrika. Individuell sicherlich nicht.
Graeculus (69)
(19.10.15)
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 loslosch schrieb daraufhin am 19.10.15:
das individuelle vergessen hat einen med. fachbegriff: amnesie. immer ist es der gleiche etymologische urgrund: a-mne...

 niemand (19.10.15)
"Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist" (aus der Operette "Die Fledermaus", 1874)

ein wenig abgeändert wäre auch:

Klüglich ist, wer verpisst sich, wo nichts zu ändern ist

Mit lieben, scherzlichen, Grüsskes, Irene

 loslosch äußerte darauf am 19.10.15:
gute maxime. nur weg, wo hopfen und malz verloren ist ... lo

 EkkehartMittelberg (19.10.15)
Vergessen klingt oberflächlich, ist aber gescheit, wenn es keine Chance gibt, gegen das Unrecht aufzubegehren.

 loslosch ergänzte dazu am 20.10.15:
gandhis 3. variante: millionenfacher gewaltloser protest. (reagans schweigende mehrheit genügt nicht!)
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