Jonas tanzt vor den Schatten. Er wirft die Arme hoch und wirbelt sie durch die lautlose Luft, beinahe so, als schwebten sie abgelöst vom Körper wie Flügel eines unsichtbaren Vogels, gespreitet zu herrlichen Schwingen. Hin und her, hin und her. Die Schwere sinkt zu Boden und der Schatten lacht.
Bei Tag sind die Schatten mit ihm. Doch dann beginnt das Dämmerlicht sie zu verändern. Sie tanzen nicht mehr mit Jonas, sondern nehmen eine bedrohliche Gestalt an. Die Schatten werden länger und länger, nahezu unsichtbar, unkalkulierbar. Bis sie in der Materie der Dinge aufgehen, sich in Häusernischen kauern, von den Dachfirsten lugen oder aus Schlaglöchern hervorstechen, nur zu erahnen an dem schwärzeren Schwarz. Im Dunkel sind die Schatten am Schlimmsten. Jonas ist umgeben von ihnen und sie verfolgen ihn. Er vermag nicht mehr gegen sie anzutanzen. Sie verfolgen ihn, rennen ihm hinterher, jagen ihn, greifen nach ihm. Die ganze Welt scheint der Schatten zu sein, und sie sind zu viele. Eine narkoleptische Trance erfasst ihn dann und er weint verzweifelt gegen das Dunkel. Könnte jemand Jonas´ Weinen hören, sein Heulen verstehen, gäbe sich die Welt die Mühe darauf zu achten, das Schreien unter all den Geräuschen herauszufiltern, es bestünde die Möglichkeit, dass ihm jemand die Hand reiche, oder er zur Salzsäule erstarrt.
Jede Nacht verliert er sich in diesem Mahr. Dieser Kampf ist nicht zu gewinnen.
Doch dann bricht das Morgenrot an. Und der schamanenhafte Tanz gegen die Schatten beginnt von Neuem. Und der Tänzer lacht und schwenkt die Arme durch den schwerelosen Himmel. Der Schatten antwortet ihm mit einer kaum, nein, gar nicht wahrzunehmenden Verzögerung, als läge in dieser kurzen Distanzverschiebung das eigentliche Leben.