Tage wie schwarz/weiß

Erzählung zum Thema Sprache/ Sprachen

von  TassoTuwas

Rückreisetage bleiben in der Erinnerung kaum haften, sind das Uniteressanteste was die Touristikbranche zu bieten hat. Es gibt nicht viel zu erwarten, aber ein Menge zu befürchten, dass der Flieger Verspätung hat oder sogar ganz ausfällt, dass man nicht alle Papiere beieinander hat oder dass doch noch etwas im Hotelzimmer zurück geblieben ist.
Der Bus war pünktlich, eilfertige Hände verstauten routiniert das Gepäck und die Trinkgelder. Der Fahrer ein kleiner untersetzter Mittvierziger mit lebhaften Augen, stand an der Wagentür, nickte jedem beim Einstieg freundlich zu und zählte.
Schnell war die kleine Truppe beisammen, er schwang sich hinter das Lenkrad, startete den Motor und griff zum Mikrofon, rief "Hello friends, my name is Robert, call me Bob. I will tell you!", und dann begann er zu erzählen und hörte erst auf, als wir das Ziel erreicht hatten.
Erzählte, dass es wieder ein schöner Tag werden würde, denn es gab hier nur schöne Tage, dass es schade sei, dass wir seine wunderbare Insel schon verlassen wollten und er uns doch so vieles noch unbedingt mitgeben wollte, und jetzt würde er alles zeigen, was es Sehenswertes auf der Fahrt gab, und es gab nur Sehenswertes.
So flog sein rechter Arm nach rechts, "Look!" zu den aufgereihten ärmlichen aber sauberen Häuschen, und der linke nach links, "Look!" zu den bunten Gärten, und manchmal waren beide Hände in der Luft, dann drehte er sich zu uns, lies die weißen Zähne blinken und lachte. In einer Kurve, stoppte er, denn ein Park lies einen großartigen Blick auf Strand und Palmen und Meer zu. "Fotostopp!"rief er und alle Kameras klickten.
Als sich der Bus wieder in Bewegung gesetzt hatte erzählte er vom schweren Schicksal der Vorfahren, den Sklavenaufständen, den gescheiterten Revolutionen und endlich der Erringung der Freiheit. Dabei griff er neben sich, brachte eine grün schwarz gelbe Strickmütze zum Vorschein, zog sie sich über den Kugelkopf und begann zu singen. Er sang die Nationalhymne.
Es ist eine, wie wir schnell merkten, mit viel Text und je länger er sang, umso Stolz erfüllter sang er und zum Ende hin tief bewegt und ich hätte gewettet, dass er nasse Augen hatte.
Als er verstummte bebte der Bus für Minuten. Kurz darauf tauchten schon die Schilder auf "Sangster International Airport". 
Alle Flughäfen der Welt sehen aus als wären sie vom selben Architekten geplant, was das Zurechtfinden allerdings nicht einfacher macht. Alle haben die gleiche näselnde Lautsprecheranlage und verwinkelten Toilettenverstecke. Jedes Abfluggate wäre in der halben Zeit zu erreichen, wäre man nicht gezwungen an allen bekannten Pafümerieketten, namhaften Juweliergeschäften, unzähligen Zigaretten- und Schnapsläden, den verschiedensten Schickimickishops, Imbiss- und Getränkeständen, Modeboutiquen jedweder Preisklasse und Souvenirgeschäften seinen Weg zu bahnen.
Mitten im Durcheinander zickzack laufender Menschen blieb ich stehen um noch einmal die Wegweiser zu studieren, da trat eine junge Dame auf mich zu. Das blaue Kostüm mit dem Goldstreifenbesatz wies sie als Flughafenmitarbeiterin aus.
"Es sieht aus als suchten Sie etwas, vielleicht kann ich Ihnen helfen?"
Für einen Moment war ich sprachlos, ich blickte in ein tiefdunkles dezent geschminktes Gesicht, aber das war es nicht, was meine Erstaunen verursacht hatte, auch nicht was sie gesagt hatte, sondern die Art, wie sie es gesagt hatte. Es war allerbestes akzentfreies Hochdeutsch!
"Woher wissen Sie , dass ich...?
Sie lächelte, "Ihre Zeitung!"
"Natürlich...", sagte ich und, "...ja. ich überlege eine Kleinigkeit zu essen".
"Wenn ich Ihnen etwas empfehlen darf, nehmen Sie etwas Landesübliches zum Abschied, unsere Küche ist nicht schlecht und...", sie hatte den Kopf etwas zur Seite geneigt und blickte schelmisch, "...der Schweinebraten schmeckt doch zu Hause am besten!"
Wir lachten. Ihr Witz, ihre Sprechweise faszinierten mich. Ich blinzelte sie an und wurde forsch.
"Warum sprechen Sie so gut deutsch?"
Sie sah mich einen Moment fast ernst an, "Weil deutsch eine schöne Sprache ist!"
Ich muss wohl sehr verblüfft dreingeschaut haben, und während ich mir noch über eine Antwort den Kopf zerbrach, schob sie ein, "Wussten Sie das nicht? nach.
Mein schallendes Lachen ließ die Umstehenden zusammenzucken und ich brauchte eine Zeit um zu Atem zu kommen.
"Ich hatte es wohl vergessen...", antwortete ich, "...Sie haben mich daran erinnert, Sie sprechen es hervorragend!", sagte ich mit Nachdruck.
"Oh, vielen Dank...", ihr Lächeln war zurück,"...ich muss noch viel lernen".
Ihr Telefon klingelte, sie blickte auf das Display, dann nickte sie mir zu.
"Die Arbeit ruft, geradeaus, nach fünfzig Metern links gibt es, was Ihnen schmecken wird. Guten Flug!", und ehe ich mich bedanken konnte war sie in der Menge untergetaucht.
Einen Augenblick stand ich noch da und dachte darüber nach was gerade geschehen war, dann ging ich langsam weiter.
Von irgendwo vor mir kam Lärm, der sich mit jedem Schritt verstärkte. Schließlich erkannte ich die Verursacher. Es mochten sechs oder sieben junge Männer sein, alle trugen das gleiche T-Shirt, mit dem gleichen anzüglichen Spruch auf der Brust, die inmitten unzähliger Bierdosen auf dem Boden saßen oder sich quer über die Sitzreihen fläzten, sich dabei lautstark stritten. Offensichtlich verspürte der, den sie bestimmt hatten neuen Biernachschub zu holen, keine Lust dazu. Also beschimpften ihn die Anderen aufs Unflätigste, traten nach ihm, drohten mit den leeren Bierdosen nach ihm zu werfen. dass er sich endlich hoch mühte, auf mich zu torkelte und unter dem Gejohle seiner Kumpanen mit einem, "He Alda, verpiss dich, oder ich niete dich um!", an mir vorbei schoss.
Ich eilte mich weiter zu kommen, hinter mir brauste noch einmal lautstarkes Gelächter auf, als einer mir nachrief, "Hasse noch ma Glück gehabt Oppa, dass Django dich nich platt gemacht hat!"
Nach einigen weiteren Schritten sah ich mich um, die junge Frau in Blau war nirgends  zu entdecken. Ich atmete erleichtert auf und kam mir dabei doch ein wenig verloren vor.
Rückreisetage, wie ich schon sagte, sind eigentlich zum Vergessen, aber es gibt auch solche die sich tief einprägen!

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (06.04.17)
Deutsch ist eine schöne Sprache ... muss abba nich, näh?

 TassoTuwas meinte dazu am 06.04.17:
Mach mich nich das Hemd am flattern
TT
Sätzer (77)
(06.04.17)
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 TassoTuwas antwortete darauf am 06.04.17:
Stimmt, Vielfalt und Andersartigkeit werden als Bedrohung empfunden!
Aber nur Feiglinge mauern sich ein ))
LG TT
LottaManguetti (59)
(06.04.17)
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 TassoTuwas schrieb daraufhin am 06.04.17:
Oh je,
auf keiner einer meiner?
Dafür darfst du dich in der Erzählung wiedererkennen ))
LG ♥♥♥
LottaManguetti (59) äußerte darauf am 06.04.17:
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 TassoTuwas ergänzte dazu am 07.04.17:
Schau mir in die Augen und dann frag dich selber,
"Können diese Augen lügen?!
...na also

 EkkehartMittelberg (06.04.17)
Betrunkene Rüpel machen wahllos jeden an, aber nicht jeder wird so charmant angesprochen wie du.
Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas meinte dazu am 06.04.17:
Lieber Freund,
du weißt es, um ein niveauvolles Gespräch zu führen bedarf es mindestens zweier Personen, zum Krakeelen und Beleidigen genügt eine.
Herzlichen Dank
TT
(Antwort korrigiert am 06.04.2017)

 AZU20 (06.04.17)
So kann das Niveau auf Reisen, aber auch sonst kippen.Gut geschildert. LG

 TassoTuwas meinte dazu am 07.04.17:
Reisen heißt auch, "Mit allem rechnen"!
LG TT
Lancezarus (52)
(06.04.17)
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 TassoTuwas meinte dazu am 07.04.17:
Mein lieber Lance,
du schaffst das, you are a strong worker
surely
und Dank
TT

 GastIltis (08.04.17)
Hallo bruder Tasso, eine sehr schöne Erzählung von dir. Falls du dich wunderst, warum ich das zweite Wort klein geschrieben habe, dann deshalb, weil es aus einer ganz anderen Sprache (Thema Sprache/ Sprachen) stammt: Papiamentu. Gesprochen u.a. auf Curaçao. Und was bedeutet es? Genau: Bruder! Von freundlichen Menschen in einer liebenswerten Welt. Herzlich grüßt dich Giltis.

 TassoTuwas meinte dazu am 08.04.17:
Hallo bruder, danki!
dafür gibt es einen Tusch von der Steel-Band ))
wünsche dir karibische Fröhlichkeit.
TT
CarlottaB (44)
(09.04.17)
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 TassoTuwas meinte dazu am 09.04.17:
Mögen könnt ich schon wollen aber sollen müsst ich auch dürfen
Du verstehst
Liebe Grüße
TT
(Antwort korrigiert am 09.04.2017)

 harzgebirgler (07.02.21)
ja deutsch ist eine schöne sprach'
doch liegt bei lümmeln meist voll brach.

lg harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 08.02.21:
Wie sich Leute in der Ferne benehmen
ist oftmals peinlich und zum Schämen!

LG TT
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