Frage vorweg: Wie viel sind 200 Schweden-Kronen wert, umgerechnet in Euro? - Richtig, es ist weniger, als die Zahl 200 erhoffen lässt, viel weniger. Aber da er sparsam ist, unser Sparfuchs, und er vor seiner Reise nach Stockholm schon fest davon überzeugt war, dass ihn dieses teure Schweden ruinieren würde, nahm er die 200 Kronen-Spende seiner Schwägerin sehr gerne an – Corinna hatte die Scheine von ihrer zwei Jahre zurückliegenden Schwedenreise übrig behalten. Und seine Frau Eva hatte noch reichlich Hartgeld in ihrer „Devisenkasse“ gefunden – exakt 59 Kronen, überwiegend in großen Fünf-Kronen-Münzen.
Mit dieser Barschaft kamen sie also frohgemut in Stockholm an, und er war auch immer darauf bedacht, dass sie das Geld schön greifbar hatten, ihr kleines Trostpflaster dort auf Schwedens teurem Pflaster. Aber welch rückständige Denke bei deutschen Touristen! Bargeld in Schweden? Das gibt es dort fast nicht mehr. Die einzige Währung, die man ihnen abverlangte, hieß „Credit Card“. Egal, ob es große Beträge waren wie für die Wochenkarten im Stockholmer Nahverkehr oder „peanuts“ (etwa für das Benutzen eines öffentlichen Klos) – es gab nur Kartenzahlung. Sollte er tatsächlich kein Trost-Bonbon, keinen 259-Kronen-Nachlass kriegen? Das konnte doch nicht sein! Schließlich hatte Corinna erst zwei Jahre zuvor noch dieses Bargeld „leibhaftig“ aus diesem Lande hergebracht!
Er wollte es wissen, und so gingen sie am dritten Tag ihres Stockholm-Aufenthalts in einen großen Supermarkt und beschlossen, wenigstens schon einmal ihr Hartgeld quitt zu werden. Das hatten sie nämlich beobachtet – dort konnte man tatsächlich noch „cash“ zahlen. Sie suchten lange nach etwas zu trinken und ein paar Süßigkeiten, um auf diesen Betrag von 59 Kronen zu kommen. An der Kasse dann aber die Ernüchterung: „Your money is expired.“ Die Kassiererin war amüsiert, sortierte ihre Münzen und akzeptierte lediglich zwei Zehn-Kronen-Stücke – alles andere wäre nicht mehr gültig. „Wie? Nicht mehr gültig??“ Hinter ihnen hatte sich eine Schlange gebildet, die Leute wollten, dass es voran ginge. Er aber war hartnäckig, verstand das nicht. Denn auch ihre 100-Kronen-Scheine, die sie dann herausnahmen, waren …“expired“. Aber schon bekam die Kassiererin eine Kreditkarte gereicht – die junge Frau hinter den beiden Deutschen erklärte generös, dass sie deren Rest-Schulden mit begleichen wollte – nein, „no problem“, lachte sie, und etwas betreten packten sie dann ihre Käufe ein … mitsamt der plötzlich wertlosen Kronen. Eva fand das alles ausgesprochen peinlich. Er versuchte, es als „Gewinn“ abzubuchen, als Gewinn an touristischer Erfahrung natürlich… was seine Frau prompt zu der Bemerkung bewog, dass „man es jetzt auch gut sein lassen“ könnte. Mit anderen Worten: Ab in den Müll mit dem Schotter…..
Doch da erinnerte sich dieser Sparfuchs an Frankreich und die Euro-Umstellung im Jahr 2001. Damals hatte er noch französische Franken, und man sagte ihm, dass die Banque de France noch Jahre später verpflichtet sei, das alte Geld gegen Euro umzutauschen. „Das wird in Schweden wahrscheinlich auch so gehandhabt,“ mutmaßte er. „Wir können ja mal in einer Bank nachfragen…“. Aber er sagte das mal ganz unverbindlich, um Eva nicht weiter aufzubringen in dieser Kronen-Geschichte, die sie langsam schon spürbar nervte.
Er dagegen war nach wie vor auf Kompensation bedacht und hielt die Sache diskret im Auge. Dabei lernte er, wie weit die Entpersonalisierung im modernen Bankwesen bereits gediehen ist. Geldautomaten gibt es überall, klassische Banken immer weniger. Tatsächlich sah er dann eine Bankfiliale, die auf hatte und dabei diesen lang gesuchten Luxus bot: ansprechbare Beamte! Es geschah auf Vaxholm, einer beschaulichen Insel in der Schären-Landschaft nicht weit von Schwedens Hauptstadt entfernt.
Dort war nichts los, weder touristisch noch innerhalb der Bank, so dass man sich seiner mit viel Zeitaufwand annahm – alle drei Bedienstete suchten nach dem Amtsblatt, mit Hilfe dessen man in korrekter Form den Antrag auf „Inlösen“ bei der „Sveriges Rijksbank“ stellen konnte. Und zufrieden ging er dann heraus, voller Hoffnung, dass nun seine Subventionen zur Reisekasse würden fließen können.
In ihrem Hotel half ihm die Rezeptionistin bereitwillig, die Finessen dieses zweiseitigen Antrags zu verstehen und unter Preisgabe all seiner persönlichen Daten umzusetzen. Die Adresse der schwedischen Reichsbank herauszusuchen, war dann ein Kinderspiel, und mit dem entsprechenden Wegeplan in der Hand, pilgerten sie am vorletzten Tag ihres Aufenthaltes tatsächlich los in der Erwartung, eine Art Geld-Palast mit imposanter Schalterhalle und wuchtigen Kronleuchtern vorzufinden, also auch ein bisschen was für das touristische Auge, aber …. nichts da! Sie fanden nach etlichen Umwegen und mühseliger Passantenbefragung nur ein unscheinbares Bürohaus mit einer unscheinbaren Loge und zwei unscheinbare Portiers… Und Eva fand dieses Prozedere zunehmend ätzend – Aufwand und erhoffter Gewinn schienen ihr doch in argem Missverhältnis zu stehen, während ihn diese immer neuen Hindernisse noch mehr anstachelten.
Das vertrackste Geld hatte er schön in einen Umschlag gepackt, mit Anschreiben und dem ausgefüllten Antrag auf „Inlösen“. Alles schön, nur nicht die Reaktion der Portiers: Nein, wurde ihnen klar gemacht – sie nähmen keine Briefe an. Nein, es gäbe auch keinen Briefkasten. Sie müssten den Umschlag per Post zustellen lassen – häh?? „this envelop full of coins?“ Ja, sie sollten da die entsprechenden Briefmarken drauf kleben und ihn per Post befördern lassen – dahin, wo sie gerade standen. Er hätte ja noch Lust gehabt, das Absurde dieser Vorgabe weiter zu diskutieren, aber Eva absolut nicht….
Die verbliebenen 239 Kronen als „Verlust“ abzuschreiben oder sie gar einfach in den Mülleimer zu schmeißen, das konnte er freilich immer noch nicht. „Das Hartgeld tun wir in den Klingelbeutel,“ schlug er Eva also vor, denn er wusste, dass die Kirchen Möglichkeiten haben, fremde oder wertlos gewordene Münzen irgendwie noch „zu Geld zu machen“. Evas Blick ging verzweifelt zum Himmel. Dennoch: Gesagt, getan.
Maria Magdalena Kyrka war ihr nächstes kirchliche Ziel, und da gab es auch einen Opferstock, in den diese Münzen dann laut scheppernd hineinfielen, ihrer mildtätigen Bestimmung entgegen. Die Lösung für die „dicken Scheine“, diese immerhin noch 200 Kronen, hatte er natürlich auch schon: Die passten in einen normalen Briefumschlag. Um seine Frau nicht weiter zu verstimmen, vollzog er die nächsten Schritte „solo“, ohne ihr Beisein.
Die freundliche Rezeptionistin in ihrem Hotel kannte inzwischen seine Reichsbank-Geschichte – ihr noch einen Briefumschlag abzuschwatzen war leicht. Es war der letzte Tag in diesem Stockholm-Urlaub. Wahrscheinlich wusste sie, dass er sie nicht noch länger behelligen würde. Im Imbiss um die Ecke kaufte er – per Kreditkarte natürlich! – schnell noch eine Briefmarke. Und am Flughafen, als sie dort mit reichlich Vorlauf eintrafen, hatte er Gelegenheit, den mittlerweile so bedeutungsvoll und erlebnisreichen Brief noch diskret in den Postbriefkasten zu werfen.
Uff – welch befreiendes Gefühl, welche immenses Vertrauen! Satisfaktion. Er hatte Schweden als überaus ordentliches und gut verwaltetes Land erlebt - nun würde ihnen Gerechtigkeit widerfahren!
Tatsächlich bekam er schon drei Tage nach ihrer Heimkehr eine Email. Hat es geklappt? Fiebernd las er die in Englisch verfassten Zeilen: Nein, den Vorgang könnten sie seitens der Reichsbank nicht bearbeiten – seine IBAN sei unvollständig oder fehlerhaft.
Schnappatmung! So kurz vor dem Ziel keine Auszahlung?? Wegen seiner Schusseligkeit...Natürlich mailte er umgehend die kompletten Kontodaten, mitsamt BIC , zurück nach Stockholm. Was sollte er Eva sagen, falls er es nun vergeigt hätte?
Es dauerte dann recht lang, mindestens zwei Wochen, und dann, endlich...., es passierte etwas: Auf ihrem Konto war eine Gutschrift eingegangen, Absender Sveriges Rijksbank. Und als Betrag war sozusagen die Antwort auf die eingangs gestellte Frage eingegangen, nämlich 200 Kronen sauber in Euro umgerechnet, ohne Abzug irgend einer Kommission: der Betrag von exakt 19,47 Euro. Tak sâ mycket!
Fast 20 Euro vor dem Mülleimer gerettet – das sind, überschlug er blitzschnell, mindestens 50 Pakete Wasa-Knäckebrot, oder drei Mal Mittagstisch bei Ikea!
Diese Rechnung behielt er aber für sich – Eva würde sich bei so niederen Sparfuchs-Gedanken nur wieder aufregen….