Bloß banale Fliederbeerenblüten

Bericht zum Thema Welten

von  eiskimo

Bonnard, dieses kleine Dorf in Burgund, sonnt sich ein bisschen im Ruhm der Grande Cuisine einer Grande Nation, aber beim genauen Hin-Schmecken sind die Gaumenfreuden hier doch eher klein und begrenzt. Die Gourmets und Gourmands unter den 500 Einwohnern wussten bis vor Kurzem noch nicht einmal, was man Köstliches aus den Blüten der Fliederbeere, sprich des Holunders, herstellen kann: Nämlich ein zart duftendes, ganz eigen schmeckendes Gelee.

Hätte es ein Franzose auf den Tisch gebracht, alle hätten vollmundig ausgerufen „que c´est bon!“, aber das Rezept kommt wohl aus Nordeuropa bzw. Skandinavien, wo man sich in Essensdingen bescheidener gibt. Alors? Könnte es im Land unserer großen Feinschmecker reüssieren?

Statt einer Antwort begleiten wir lieber eine Person, die dieses Start-Up konkret ausprobiert hat.

Sheela Montgomery hatte sich in Bonnard ein kleines Landhaus gekauft mit einem hübschen Garten. Sie war mit Cliff, ihrem früh pensionierten Gatten, nach Frankreich ausgewandert, „because France is nice!“

Was die Engländerin am liebsten machte außer weiterhin per Schüssel britsche Soaps zu gucken, das war per Schüssel Marmelade kochen,- in einer echten großen Kupferschüssel, und das in immer größeren Stil. Sie ließ in ihr Haus eine professionell ausgestattete Küche einrichten, kaufte im Großhandel die passenden Gläser mit sterilen Deckeln, dazu hübsche Aufkleber und kochte los.

Denn ihr Garten lieferte alles, was für „la bonne confiture“ nötig war. Und um Cliff zu beschäftigen – er war nach einem Schlaganfall körperlich arg eingeschränkt - brauchte sie einfache Tätigkeiten. Zum Beispiel Beeren putzen, Kirschen entsteinen, Quitten zerkleinern. Die Tage in der Woche waren damit für beide gut gefüllt, ebenso wie der Kofferaum ihres Vans, mit dem sie dann an den Wochenenden alle Flohmärkte der Region besuchten. Eine Freundin, die ebenfalls aus England „in this nice french country“ übergesiedelt war, begleitete sie – eine Art Commenwealth im Kleinen“

Denn Cliff und Sheela brachten ihre Zwei-Personen-Marmeladen-Manufaktur binnen kurzer Zeit richtig gut in Gang... leider nur ab Juni/Juli, und dann bis in den Herbst hinein. Vorher war Saure-Gurken-Zeit.

Was tut eine leidenschaftliche Marmeladenköchin, um auch früher im Jahr schon in der geliebten Kupferschüssel süßen Brotaufstrich mit tollen Duftnoten zu kreieren?

Sie traut sich an „Exoten“ heran. Exoten, die auch im Februar oder März greifbar sind. Und Sheela traute sich entsprechend, einen urbritische „Spread“ auf den französischen Markt zu werfen, nämlich Lemon Curd. Die dazu nötigen Zitronen konnte sie nämlich das ganze Jahr über kaufen.

Olala. Lemon Curd. Ausgerechnet diese teure, zeitlich sehr aufwändige und schwierig hinzubekommende Zauberkreme. Sieht aus wie Senf mit Mayonnaise, hört sich an wie aus dem Land hinter dem Ärmelkanal (wo man nicht kochen kann), und als Begleiter für die Käseplatte versprach es auch wenig Excitation. Kurzum: Bei den Franzosen rund um Bonnard herum kam das Zeug einfach nicht an.

Sollten Sheela und Cliff nun den lieben Monat Mai über untätig bleiben? Nein! Da war doch noch so etwas aus dem skandinavischen Raum, und in den Alpenländern soll es auch Verwendung finden. Ja, die schon erwähnten Fliederbeerenblüten, unser banaler Feld-. Wald-, und Wiesenstrauch namens Holunder.

Der steht nämlich schon früh im Mai in bester Blüte; meist kann man die weißen Blütendolden kostenlos pflücken und die Verarbeitung ist – im Vergleich zu Lemon Curd – ein Kinderspiel.

Die beiden entäuschten Lemon-Curd-Köche legten also den Schalter um. Nachdem Cliff alle Holunder-Blüten im Umkreis von zehn Kilometer eingesammelt und gereinigt hatte, wurden diese in ein Bad von Weißwein, Wasser und Zitronensaft gelegt, um darin ein bis zwei Tage zu „masserieren“.

Danach kam nur noch der Kochvorgang in der so wichtigen Kupferschüssel. Sheela hatte natürlich in kleinen Probe-Durchgängen die optimale Menge an Zucker und Geliermittel im passenden Mischungs- und Zeitverhältnisse durchgetestet. Und am Ende standen da wieder 150 Gläser feinsten Gelees – in delikat transparentem Edelaufstrich-Design. Als Aufkleber darauf natürlich in bestem Französisch die Appetit machende Vokabel „Fleur de sureau“.

Zurück zu unserer Eingangsfrage: Wird diese Nummer nun endlich klappen? Ist das der Vorsaison-Kracher für Sheela und Cliff, und kommt damit endlich etwas Haute Cuisine in die kleine Provinz? Gute Frage. Leider kann die Antwort erst in einigen Wochen erfolgen.

Denn Sheela und Cliff probieren es heuer zum ersten Mal: Fliederbeerenblüten-Gelee. Ihre erste Fuhre ist ja sozusagen noch warm, und der Monat Juni hat gerade mal begonnen.






Anmerkung von eiskimo:

Ich hatte den beiden auch Rhabarber empfohlen, in England durchaus beliebt. Aber sie hatten keinen in ihrem Garten, und als sie ihn kaufen wollten vor Ort.... 4 bis 6 Euro das Kilo.Sheela fand auch Rharbarber allein als Marmelade -  hmmm, not good.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (01.06.24, 16:39)
Da wünsche ich doch "vollen Erfolg!"
Selbst der schnäubischste Franzose wird sich über die Qualitäten eines Holunderbeergelees nicht hinwegsetzen können, das so vielfältig einsetzbar ist. :)

 eiskimo meinte dazu am 01.06.24 um 22:37:
Danke. Wir werden den guten Geschmack hier schon hin bringen
Aber es sind die Blüten, die verarbeitet werden, nicht die Beeren. Die sind jetzt noch nicht reif.
Salut
Eiskimo
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