Zwiespalt: (k)eine Glosse

Bericht zum Thema Achtung/Missachtung

von  AchterZwerg

"Fortgespült ist nun der Garten
Und die Blumen all verschwunden,
Und die Gegend, wo sie standen,
Hab ich nimmermehr gefunden."
(Joseph von Eichendorff: Romanzen)


Jungs, ihr hattet mir empfohlen,
diesen Freiherrn zu glossieren.
Lasst mich kurz mal Atem holen
und den Schweißfilm absorbieren,
gleich will ich den Schmierblock holen.
Auch vom Kaltgetränk, dem harten –
mag nicht länger darauf warten.
Herzwärts bilden sich Orkane,
selbst ne‘ Tränenkarawane:
Fortgespült ist nun sein Garten.

Hab Romantik nie verstanden,
war mir, ehrlich, meistens peinlich,
könnte aber damit landen
bei den Frauen, höchstwahrscheinlich,
müsste nicht so häufig stranden.
Doch ich sag’s ganz unumwunden,
drehe lieber meine Runden,
such nach Kneipen, vollen Theken;
später sind die Barscharteken
und die „Blumen“ eh verschwunden.

Lasst mich, Kumpels, euch mal sagen,
einem Von-Und-Zu geht’s netter,
Fernet füllt den edlen Magen,
schlägt es den mal auf die Bretter
wegen seiner Geldanlagen. ---
Meistens hörte man es branden
und im weichen Samte landen,
dieses schmachtende Gesäusel
auf der Damen Kleidgekräusel
und die Gegend, wo sie standen.

Lasst uns lieber einen saufen,
schamerfüllt darüber lachen.
Schmeißt das Zeug auf einen Haufen;
liest wer heut noch solche Sachen?
Und wer soll den Kram bloß kaufen?
Trotzdem muss ich hier bekunden:
Keiner kann von ihm gesunden!
Belletristisches Gelichter
gibt es viel. Doch größre Dichter
hab ich nimmer mehr gefunden.


Anmerkung von AchterZwerg:

Gedichtform: Glosse

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (20.09.19)
Protest - Protest - Protest!
"Wer hat dich du schöner Wald..."
Der Freiherr hat es kommen sehen
Kommste mit aufe Demo?
Liebe Grüße
TT

 AchterZwerg meinte dazu am 20.09.19:
Lieber Tasso,
der Freiherr hat so manches kommen sehen.
Einer der ganz goßen Dichter, der die Sprache zärtlich liebte wie kein zweiter.
Die Demonstrationen sind inzwischen Geschichte. jedenfalls in meiner Gegend. Freut mich aber, dass du dabei warst.

Liebe Grüße
der8.

 LotharAtzert (20.09.19)
Recht so, recht so, - obwohl, man muß das Kind nicht gleich mit dem Bade ausschütten. Die (Spät-)Romantik hatte auch andere Schöpfer. Erinnert sei an E.T.A. Hoffmann, der Gruseliges schrieb, oder Lenau:

Ein offner Wald am Straßensaum
Ist dein Gedicht, du musst's ertragen,
Reibt sich an seinem schönsten Baum
Ein Schwein mit grunzendem Behagen.

Oder die Engländer, Byron zB. mit seiner exzessiven Lebensweise -allein hätte er die Türken vor Wien besiegt, wäre nicht der Tod dazwischen gekommen und und und …

den Eichendorff - ich hab ihn nie gemocht, deshalb freut mich dein Werkchen sehr.

Gruß mit Ruß
die 13. Fee

 AchterZwerg antwortete darauf am 20.09.19:
Tja, Lothar A.
da hast du das Gedicht wohl nicht zu Ende gelesen.
Ich schätze von Eichendorff - ebenso wie das lyrischeIch des Gedichts.

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 20.09.19:
Beglücke dich.

 loslosch (20.09.19)
es ist gar kein eichendorff-verriss. warum auch.

schon als kind liebte ich ("nachts") ich stehe in waldesschatten ...

die "katholische" 3. strophe fiel dagegen steil ab. hier der wortlaut zum abgewöhnen:

Der Wald aber rühret die Wipfel
im Traum von der Felsenwand.
Denn der Herr geht über die Gipfel
und segnet das stille Land.

so what!

 loslosch äußerte darauf am 20.09.19:
was sind denn barscharteken?

 AchterZwerg ergänzte dazu am 20.09.19:
Lieber Loslosch,
schön, dass du diese Minne-Glosse auf Anhieb verstehst.
Mittlerweile bin ich regelrecht dankbar für solche Äußerungen.
Andererseits: Wer Ein-Satz-Statements gewohnt ist, kann mit lyrischen Texten vermutlich nicht viel anfangen ...

Resignierte Grüße
der8.

"Barscharteke" ist hier ein abwertender Ausdruck für eine verlebte Kneipengängerin.

 loslosch meinte dazu am 20.09.19:
du meinst Bar-Scharteke.

 AchterZwerg meinte dazu am 21.09.19:
Ach so, du denkst an ein bar bezahltes altes Buch ...

 loslosch meinte dazu am 21.09.19:
nein, an eine süßwasserfisch-unterart, die barsch-arteke.

 EkkehartMittelberg (20.09.19)
Lieber Pico,
deine Glosse ist herrlich nonchalant. Man sollte ab und an versuchen, die Großen ganz weit von sich weg zu halten, um die Perspektive neu zu justieren. Gut, wenn man emsig schnüffelt, wird man finden, dass sich alle mal verhauen haben.. Ich weiß gerade auch bei Eichendorff, dass es selbst für Liebhaber mal einer Auszeit bedarf. Aber ich muss bekennen, dass trotz aller Distanzierungsversuche sein "Taugenichts" mir "wie ein ewiger Sonntag im Gemüte steht" und wenn sein "Marmorbild" in der Mondnacht leuchtet, dann spannt (unverwüstlich) meine Seele ihre Flügel aus.
Unverbesserliche Grüße
Ekki

 AchterZwerg meinte dazu am 21.09.19:
Danke schön, Ekki.
Klar, auch er schrieb zuweilen Mist. Wie Goethe, Rilke ... und vor allem wir *hüstel.
Unsterblich sind die Altvorderen doch, und wir halten uns verschämt an ihren Schultern fest. - Meistens rutschen wir jedoch ab.

;-)
Pico

 niemand (20.09.19)
Ich lese hier eigentlich nur einen scheinbaren Verriss. Einen scheinbaren Verriss eines Menschen, welcher sich bemüht irgendwie dem Zeitgeist gerecht zu werden, sich kumpelhaft zu geben, sich abgeklärt zu geben, ein Realist durch und durch zu sein. Doch hinter all dem vordergründigen Geschimpfe und Gezeter verbirgt er krampfhaft seinen Hang zur Romantik, für den er sich irgendwie zu schämen scheint. Ob die letzte Zeile ihm wohl im vollrausch quasi ausgerutscht ist? Auf jeden Fall hat er sich wohl damit verraten. Das ist gut gemacht, weil die unerwartete Pointe genau am Ende auf den Punkt sitzt.
In diesem Sinne einen lieben Gruß.

 AchterZwerg meinte dazu am 21.09.19:
Danke, Irene.
Du hast das Gedicht ganz genau erfasst.
Die Glosse ist aufgrund des vorangestellten Leitgedankens, der zeilenweise aufgegriffen wird, für mich eine der spannendsten Gedichtformen überhaupt, die sich gut für solche Gelegenheiten eignet.
Herzliche Grüße
der8.
Agneta (62)
(20.09.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AchterZwerg meinte dazu am 21.09.19:
Danke schön, Agneta. :)
Sin (55)
(20.09.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AchterZwerg meinte dazu am 21.09.19:
Lieber Sin,
perspektivisch gehen seid ihr Hamburger wirklich besonders besch....n dran. Erst trocknen die Symbolwerte aus, dann steigt der Meeresspiegel so hoch an, dass ...
Das Gute an diesen schlechten Aussichten ist, dass sich bei euch ein besonders breiter Widerstand gegen unsere derzeitige Klimapolitik regt.
Gut so!
Herznahe Grüße
der8.

 FrankReich (20.09.19)
Hi A-Z,

schöne Grüße vom Rezensenten.

Ciao, Frank

P.S.: Schicke Romantikerhommage.

 AchterZwerg meinte dazu am 21.09.19:
Danke, Ralf.
Ich kenne ähnliche Situationen auch aus dem "richtigen" Leben.
Frankfurt ist ja eigentlich ein verhindertes Dorf.

Schöne Grüße zurück
der8.

 FrankReich meinte dazu am 25.11.19:
Hi A-Z,

eigentlich bezog ich das auf eine Glosse von Ludwig Uhland auf eine Strophe von Ludwig Tieck, wobei die Glosse mit folgenden Versen beginnt:

Schönste! Du hast mir befohlen,
Dieses Thema zu glossieren, [...]

deshalb ging ich davon aus, dass Du eine Hommage an diese beiden Romantiker gleich mit eingebaut hast. :D

Ciao, Frank

 TrekanBelluvitsh (25.11.19)
Kunst bedeutet nicht, das etwas erfolgreich ist. Es bedeutet nur, dass es Kunst ist.

 AchterZwerg meinte dazu am 25.11.19:
Wem sagst du das ...
Slivovic (49) meinte dazu am 25.11.19:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 25.11.19:
Darum irren die dem Feuilleton Geneigten auch. Niemand braucht Bier, Wein oder andere Drogen um Kunst zu erschaffen. Bier, Wein und andere Drogen sind die Folge, wenn man Kunst erschaffen hat... und feststellen muss, dass man doch lieber Sachen wie "You're my heart, you're my soul" oder "Herzilein" hätte fabrizieren sollen.

Aber was solls. Immerhin kann man sich dann auf den Ruhm nach dem Tode freuen.

Antwort geändert am 25.11.2019 um 18:05 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 25.11.19:
Lieber Trekan,
Das stimmt oft, aber nicht immer.
Ich hatte in den güldenen 70ern das Glück, einige "große" Frauen und Männer in Frankfurt kennenzulernen. Die standen am Anfang ihrer Karrieren oder steckten mittendrin; ich selber war eigentlich ohne Bedeutung, aber gern gesehen.
Und kann aus jener schönen Zeit berichten, dass es (später berühmte) Dichter gab, die nach Fertigstellung einer Arbeit tranken, um überhaupt wieder runterzukommen.
Das will ich jetzt nicht schönreden, aber doch darauf hinweisen.

Und es ist weder schlecht, noch gut.

In diesem Sinne
der8.

 harzgebirgler (06.12.20)
er hätte gern "das zauberwort" getroffen
worauf wir seitdem immerdar noch hoffen -
die poesie ist da ergebnisoffen.

 AchterZwerg meinte dazu am 07.12.20:
Extrem, lieber Henning, extrem.

Lachende Grüße
der8.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram