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Erzählung zum Thema Ende

von  RainerMScholz

Wie das mit dem Hamsterplatzen funktioniert, hat mir ein angehender Betriebswirt bei der Bundeswehr erzählt. Hamsterplatzenlassen: Man nimmt einen kleinen Hamster, so ein richtig fettes wuschliges Pelzding, reißt ihm die Vorderzähne heraus, stülpt ihn mit der kleinen Schnauze über den Penis und pumpt solange, bis der Hamster platzt.
Und dann haben wir ihm den kleinen Nager geschenkt, und da Tierhaltung verboten war, ist er wegen seines neuen Mitbewohners, den er abgöttisch liebte, sogar in den Arrest gegangen.

Der Alte kam gerade von der Nachtschicht. Und ich bin ihm nachgegangen. Es gab keinen besonderen Grund. Ein gletschergrauer Himmel erbrach den Morgen, der Tag graute in diffundierenden Masken aus Schat­ten und Neonsplittern.
Ja, ich weiß, einen Grund, eine Ursache gibt es immer, ein Motiv: eine versaute Kindheit, ein sexuelles Trauma, irgendetwas Krankes. Aber wer interessiert sich für Hintergründe; wenn doch der Schwarze Mann unten im Orchestergraben leise die Fidel streicht.
Er bog in einen Torweg zwischen den verwinkelten krummen Straßenzügen des Nordends ein, eine verzinkte Gittertür quietschte in den Angeln. Den ausgebeulten Hosentaschen entnahm er einen immensen Schlüsselbund mit Flaschenöffner und Heiligem Christophorus. Ein zu früh ergrauter, steifknochig rheumatisierter, trauriger alter Mann vor seiner Pensionierung, der nicht mehr viel erwartete, verbittert, einsam, isoliert. Ein abge­takelter stupider alter Sack.
Im Kühlschrank standen ein, zwei Bier, um schlafen zu können; ein stummer Wellensittich in einem mit Kot verschmutzten Käfig; dreckiges Geschirr stapelte sich in der Spüle der winzigen, mit ranzigen Tapeten beklebten Küche.
Bevor die Tür zufallen konnte, war ich im Treppenhaus und schlich ihm unbemerkt nach, indem ich seine Schritte auf den Treppenstufen nachahmte, ihn so, der mühsamen Schrittes das dritte Stockwerk endlich erklommen hatte, einholte, als er gerade
die Wohnungstür aufschloss. Ich stieß ihn mitten in den Eingangsbereich des Flurs, schloss die Tür, legte die Kette vor und wandte mich ihm zu. Er versuchte sich wieder aufzurichten, er keuchte stoßweise, der Schock und die Überraschung standen ihm im Gesicht, ein ungeheuer­licher Ausdruck ungläubigen Entsetzens, emphatischer Desorientierung angesichts der kollabierenden Rasanz des Geschehens. Ich schlug ihm den Teleskopstock über den Schädel, er knallte mit der Stirn auf die Dielen, ich ließ ihn liegen. Die mit schweren Vorhängen das Tageslicht ausschließende Wohnung roch nach gelbem Schimmel an den Wänden, ver­modert, faltig. Wie das Miasma eines seit drei Tagen toten Hundes. Ein Stapel zerlesener, billiger Rätselhefte mit barbusigen Frauen lag in einer Ecke unter dem Vogelkäfig; ein blinder schmutziger Schwarzweiß­fernseher glotzte mich an. Ich zog das Abdecktuch der vergitterten Behausung des Vogels herunter und der Sittich kohlrabenstarrte mich mit Stecknadelpupillen an, überrascht, neugierig. Wie aus einer tiefen Erstarrung erwachend, gab er ein erstauntes ’Piep’ von sich, das schiefgelegte Köpfchen schien mir zuhören zu wollen, er plusterte sein fahles stumpfes Federkleid und wartete auf eine Reaktion. Ich öffnete behutsam die Käfigtür, streckte die Hand durch die enge Öffnung und versuchte nach dem Vogel zu greifen. Er ruckte argwöhnisch auf seiner Stange zur Seite, spreizte unwillig die Flügel, und ich nahm ihn sanft in die Faust. Er war ganz ruhig, als wir uns gegenseitig betrachteten, sein Herz hämmerte aufgeregt. Dieses winzige gelbe Wesen: mit einem Wimpernschlag. hätte ich ihn zerquetschen können. Es schien zu lächeln. Das Tier lag ganz ruhig, sein zerbrechlicher Brustkorb pulsierte an meinen Fingern, das blanke Leben flutete sanft aus seinem Innern. Ich steckte ihn wieder in den Käfig, und er hüpfte auf seine abgewetzte Stange, spreizte die Flügel und sah schwarz ins Nichts. Leise schloss ich die Türe und wandte mich ab.
Der alte Mann lag immer noch in der Diele, sein blaugefärbtes, adernzerplatztes Gesicht war von klebrigem Schweiß und frischem Blut benetzt. Ich griff ihm unter die Arme und hievte ihn vorwärts an die Wand, ließ seinen plumpen Schädel dagegenkrachen. Ein sabberndes Stöhnen kroch aus seiner Kehle, ein Versuch, um Hilfe zu rufen - Hilfe! Hilfe! -, doch er brachte nur ein jämmerliches Prusten über die geschwollenen aufgeplatzten Lippen. Er war wach jetzt und bei Bewusstsein, konnte spüren, dass ich hinter ihm stand. Der Tag war erst angebrochen. Ich zerrte seinen massigen schwerfälligen Körper in das enge Badezimmer. Er ruderte wild mit den Armen, stammelte wirres Zeug, dass Geld sei in einer Kas­sette versteckt, die Sparbücher unter dem Bett und so weiter. Er flehte und greinte, dass es mich regelrecht anwiderte, dem albernen Drecksack zuhören zu müssen. Also zertrümmerte ich das schmutzige dreckrandige Handwaschbecken mit einem kräftigen Tritt. Ich zerrte seinen verbrauchten alten teigi­gen Oberkörper an die zersprungene Hälfte des Emails und schnitt so seine Kehle mit dem gezackten, scharfkantigen frischen Weiß auf. Dann zerrte ich den klaffenden, blutrandigen Menschen endgültig in die Höhe und ließ ihn im Spiegel sich selbst beim Verbluten zusehen, wie das rote Sperma aus seinem aufgerissenen Hals floss, die schartigen Kacheln berostete, die Weich­spülhandtücher sprenkelte, den Klositz versaute, die gesprungene Sitzbadewanne. Bis seine Augen brachen, nach hinten rollten - gelbe hervorgequollene Sehleichen -, der tote Körper in sich zusammensank. Ein ungläubiger, entleibter, erstorbener Blick neben dem meinen, in einem fremden Badezimmer, einem anderen Haus, in einem irreal unbe­kannten Leben, das nicht das meine zu sein schien. Ich ließ ihn los, er sackte zu Boden.
Ich wischte mir die Hände ab und sah noch seine Post durch, seine Rechnungen, Mahnungen, Gas, Wasser Heizung, eine Postkarte vom Kinderhilfswerk („Ein Herz für Kinder!“). Dann knipste ich das Licht aus, schloss behutsam die Tür hinter mir und stieg geräuschlos die Treppe hinab.

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