Perikles in Düsseldorf #4

Erzählung zum Thema Reisen

von  Graeculus

Kein Apollontempel. Kein Sühneopfer. Keine Rückkehr in die heimatliche Stadt. Perikles seufzte, stimmte aber resignierend zu. So wandelten sie denn zu einem Gebäude – die pferdelosen Wagen und die Stangen mit den Lichtern beeindruckten seinen Begleiter anscheinend nicht –, in dem sich ein Gasthaus mit vielen Tischen und noch mehr geschwätzigen Barbaren befand. Sie fanden eine Gelegenheit zum Sitzen und wurden bald von einer jungen Frau angesprochen, die sich, wie Perikles vermutete, nach ihrem Begehr erkundigte.

„Ich fürchte“, wandte sich der Barbar an Perikles, „daß wir keinen geharzten und mit Wasser verdünnten Wein bekommen werden. Es handelt sich hier um ein – das Wort klang wie καφή -, und wir werden einen guten καφή bekommen, auch wenn du dergleichen noch nicht zu kennen vermagst.“

„Einen καφή im καφή, so sei es. Aber was genau ist das?“ fragte Perikles und fügte mit einem Blick auf die junge Frau hinzu: „Die Sklavin ist reizend. Was mag sie gekostet haben?“
Bedenklich schüttelte sein Gegenüber den Kopf: „Der Kaffee ist ein Getränk, das aus Bohnen zubereitet wird, und die junge Frau ist weder eine Sklavin noch anderweitig käuflich. Ich bitte das im Umgang mit ihr zu beachten.“

Ein Getränk aus Bohnen, dachte Perikles – ich bin wahrlich in ein barbarisches Land geraten.

Es war heiß, als es wenig später auf dem Tisch stand, und schmeckte nicht schlecht. Den Geist des Dionysos enthielt es offensichtlich nicht.

Der Barbar nahm den Faden des Gesprächs wieder auf: „Mir scheint, mein Bester, die Götter haben dich wohl nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit versetzt. Du befindest dich jedenfalls – laß mich die Olympiaden kurz nachrechnen, nein das dauert jetzt zu lange –, du befindest dich, sage ich, in einer Zeit weit mehr als 2000 Jahre nach der Blüte deiner Heimatstadt Athen, nach der Ära des Perikles. Deiner Ära, so ich denn alles, was du mir gesagt hast, richtig verstanden habe. Ich selbst bin, diesen Zufall fügen die Götter, ein Lehrer deiner Sprache an einem Gymnasion dieser Stadt. Das mag dir erklären, warum ich sie so gut spreche.“ Mit leiser Melancholie in der Stimme fügte er hinzu: „Es hat sich vieles verändert seit damals, und nicht alles zum Besseren.“

„Mehr als 2000 Jahre!“ staunte Perikles. „Das ist, beim Zeus, eine lange Zeit. Und hier wird noch unsere Sprache gelernt? Habt ihr auch anderes noch von uns übernommen? Wer ist Archont? Wo tagt die Volksversammlung? Was machen die Perser, was die – er sprach das Wort zähneknirschend aus – Spartaner, dieses Volk des Blutes und der Blutsuppe?“


Anmerkung von Graeculus:

Fortsetzung folgt.

Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Mondscheinsonate.

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Kommentare zu diesem Text


 DanceWith1Life (23.10.20)
Und was, beim Tempel des Namenlosen Gottes, ist mit den Türken oder begann diese uralte Fehde erst viel später? Der Leser ist ganz berauscht von den Möglichkeiten dieser Erzählperspektive sobald sie ihr Eigenleben entwickelt und die. voll ausgeschöpft. Bände füllen könnte. Bin gespannt welchen Teilaspekt du dir herausgepickt hast. lach, ein unbekanntes Bohnengetränk. Ob er Pizza oder Burgertyp ist?

Kommentar geändert am 23.10.2020 um 01:34 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 23.10.20:
Von den asiatischen Reitervölkern kannte Perikles nur die Skythen und Sarmaten. Die Türken sind erst viel später nach Kleinasien eingewandert.
Ein Getränk aus Bohnen (so entstehen Mißverständnisse) waren für Perikles schon befremdlich genug. Muß er durch alle Tiefen des fast food hindurch?

 TrekanBelluvitsh (23.10.20)
Na, zumindest das Schicksal der Perser und Spartiaten wird sicherlich erfreuen.

 Graeculus antwortete darauf am 23.10.20:
Ob man ihm etwas von Griechenlands Dauerkrise berichten sollte? Und man muß ihm ja auch alles erklären! Wer oder was ist ein Ajatollah, was sind Schiiten?

Ich möchte nicht 2000 Jahre in die Zukunft versetzt werden. Meine Verwirrung ist jetzt schon groß genug.

 EkkehartMittelberg (23.10.20)
Die Konfrontation zweier Kulturen ist äußerst amüsant.

 Graeculus schrieb daraufhin am 23.10.20:
Von außen, gelt? Erlebt ist sie dramatisch.
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