Perikles in Düsseldorf #6

Erzählung zum Thema Reisen

von  Graeculus

„Es handelt sich um Altgriechisch, gute Frau“, erwiderte der Lehrer lehrerhaft, „und der kostümierte Mann, wie Sie ihn zu nennen belieben, ist ein Zeitreisender, nämlich der berühmte Perikles aus dem nicht minder berühmten Athen.“

„Aaaaaah ja, alles klar, Altgriechisch und ein Zeitreisender“, sagte die Frau und wollte sich schon wieder ihren Geschäften zuwenden, hielt dann aber doch inne: „Und jetzt will E.T. zurück nach Hause, richtig?“
„Im Prinzip ja“, meinte der Lehrer säuerlich. „Er weiß nur nicht, wie er das bewerkstelligen soll.“
„Da habe ich eine Empfehlung, ganz preiswert.“ Sie beugte sich zu ihm herab und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Wir wissen nicht, was die Dame empfohlen hat, aber Perikles hat den Peloponnesischen Krieg provoziert, wurde später seines Amtes enthoben, verlor trotz baldiger Rehabilitation seinen politischen Einfluß und ist im September 429 v.u.Z. gestorben. In Athen. Über seine Erlebnisse in Düsseldorf hat er sich, wenn wir der Überlieferung folgen dürfen, nie geäußert. Vielleicht hat er, ganz im Vertrauen, Aspasia unter dem Siegel der Verschwiegenheit davon berichtet.

Der Griechischlehrer jedoch hat ein noch traurigeres Ende genommen. Als er nämlich jeden, der es hören wollte, und die übrigen auch, unaufhörlich davon zu überzeugen versuchte, er habe persönlich mit Perikles gesprochen, und an den Homertexten müßten bestimmte Änderungen vorgenommen werden, da hat man ihn, nicht ganz freiwillig, veranlaßt, seinen Wohnsitz dauerhaft nach Grafenberg in die Rheinische Landesklinik zu verlegen.


Anmerkung von Graeculus:

Fabulae finis

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (29.10.20)
Dass der Lehrer etwas lehrerhaft erklärte macht ihn mir sehr sympathisch, denn viele Lehrer machen das "oberlehrerhaft".
Ansonsten schön fabuliert!
TT

 LottaManguetti meinte dazu am 29.10.20:

 Graeculus antwortete darauf am 29.10.20:
In Düsseldorf sagt man: "Sie sind Bilker? Hiermit ernenne ich Sie zum Oberbilker!" (zwei Stadtteile)
Bis zum Oberlehrer hat es mein Lehrer nie geschafft. Sein trauriges Ende kennst Du ja jetzt.

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 30.10.20:
Oberkassel ist aber auch nicht zu verachten!

 Graeculus äußerte darauf am 30.10.20:
O, gewiß ... Nieder- und Oberkassel bilden eine weitere Beförderungsmöglichkeit. Du kennst Dich aus.

 EkkehartMittelberg (29.10.20)
Es gehört Zivilcourage dazu, heute iene Novelle über das Altgriechische zu schreiben. Du hast die Aufgabe mit Bravour und Witz gelöst.

 Graeculus ergänzte dazu am 29.10.20:
Zur Zivilcourage gehört Mut als Staatsbürger. Das erscheint mir, auf dieses Werk bezogen, als zu hoch gegriffen. Es war ein Experiment mit einem längeren Text. Und ja: aus einem Bereich, der hier auf breite Popularität keinen Anspruch erheben kann.
Danke für Dein Lob; ich bin zufrieden, wenn das Werk einigen gefallen hat.

 LottaManguetti (29.10.20)
Deine Erzählweise ist sehr unterhaltsam, Graec. Während sich an anderen Stellen Pinselheinriche als publizierende Schriftsteller feiern, kannst du wirklich erzählen!
Mir hat es Freude gemacht, dir (und Perikles) zu folgen.

Bewundernde Grüße
Lotta

 Graeculus meinte dazu am 29.10.20:
Ich und Perikles. Dicht nebeneinander in einem Satz!
Danke. Und Du kannst dichten. Das kann ich nicht.

 TrekanBelluvitsh (29.10.20)
Vielleicht war Perikles nicht lange genug in Düsseldorf. Aus dem "Verhältnis" Düsseldorf - Köln hätte er bestimmt etwas lernen und auf Athen - Sparta umsetzen können. Hat wohl nicht geklappt. Schade.

 Graeculus meinte dazu am 29.10.20:
Das ist ein Einfall. Die Kellnerin empfiehlt irgendeinen Schamanen o.ä. in Köln, und so gelangt Perikles auch noch nach Köln.
Darum, was die Kellnerin empfiehlt, habe ich mich ja gedrückt. Das wäre eine Möglichkeit gewesen, die Geschichte fortzuspinnen.

Ich hätte Dich vor dem Schreiben fragen sollen!

 Bergmann (29.10.20)
Oha. Ich dachte, es geht erst richtig los. Aber nun ist das eine fabula interrupta, ein actus interruptus. Der Erzähler hat die Lust verloren, als der Leser (also ich) gerade warm wurde mit der Expedition des Perikles.
Aber wer weiß ... Ekki! Der weiß bestimmt mehr als ich.

 loslosch meinte dazu am 29.10.20:
so ein interruptus ist ungesund, wusste schon zurl cackmayer.

 Graeculus meinte dazu am 29.10.20:
Ich anerkenne die Kritik, doch der Stoff oder mein Schatz an Einfällen haben nicht mehr hergegeben. Es war also nicht eigentlich Lustlosigkeit. Wie gerne hätte ich z.B. geschrieben, welchen Weg die Kellnerin empfohlen hat. Wenn mir etwas eingefallen wäre. Hätte ich doch die überschäumende Phantasie eines Philip K. Dick, den ich in dieser Hinsicht bewundere!

Aus früheren, kreativeren Tagen existiert noch ein 350 Seiten starker SF-Roman. Doch der sprengt eindeutig die kV-Verhältnisse.
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