Herbst

Kurzprosa zum Thema Erinnerung

von  BeBa

Mit einer Tasse Kaffee steht er am Fenster.
„Die Sonne scheint. Wir könnten heute wieder mal draußen spazieren gehen. Indian Summer oder wie hast du das immer genannt?“
Es ist sein zweiter Kaffee. Er müsse sich einschränken, meint sein Arzt. Hoher Blutdruck. Und dann?, hatte er gefragt.
„Morgen schlägt das Wetter um, sagen sie.“
Jetzt beginnt die junge Frau in der Wohnung gegenüber ihre tägliche Gymnastik. Bei offenem Fenster, leicht bekleidet wie immer.
„Du hast Recht: Auch die wird älter!“, meint er, zieht die Gardine vor und wendet sich ab.
Er summt ein Lied, das ihm eben eingefallen ist. Damit schlurft er in die Küche, um sich eine weitere Tasse aufzubrühen.
Danach will er zum Friedhof gehen. Sie wird schon warten.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (14.11.20)
Klasse, BeBa!
Und originell. Besonders das (authentische) Zwiegespräch über die junge Gelenkige. * lächel

Schöne Grüße
der8.

 BeBa meinte dazu am 14.11.20:
Danke dir, 8er.

Es freut mich, dass dir gerade das "Zwiegespräch" gefallen hat. Das war mir hier wichtig.

LG
BeBa

 Vaga (23.11.20)
Hier ist m. E. gleich zu Beginn der Titel hinweisend auf die 'Lebensalter'-Stimmung, die der Protagonist - unabhängig von der jeweiligen Jahreszeit - 'in sich trägt' und die ihn beeinflusst dahingehend, wie er auch sein Umfeld, in das er eingebettet ist, wahrnimmt und relativiert.

In seinen Herbst hinein weht täglich zudem ein - im Gedanken-Dialog personalisiertes - Erinnerungs-Weh, das ihn nicht mehr loslässt, das mit ihm 'spazieren geht', ihn hinzieht zu dem ganz bestimmten 'Ort', an dem er die Antwort auf seine Frage
Und dann?
auch nicht finden kann. Erst wenn er das 'innere'
Lied, das ihm eben eingefallen ist
nicht mehr summen kann, wird er sie vielleicht ansatzweise selbst erspüren können.

 BeBa antwortete darauf am 24.11.20:
Liebe Vaga,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ich kann dir versichern, dass sich der Autor hier verstanden fühlt.

LG
BeBa
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