Der letzte Baum am Weihnachtsmarkt.

Ballade zum Thema Fantasie

von  franky

Der letzte Baum am Weihnachtsmarkt.
Er ist überhaupt nicht grad gewachsen.
Der Stamm gekrümmt die Äste trostlos schütter,
er erfüllt bei Weitem nicht die Norm.
So betrachtet wird er im Abfall landen.

Da kommt ein Mann in arg zerschlissenen Kleidern.
Er schläft auf Bänken, manchmal unter Brücken.
Ganz verzweifelt fragt er den Verkäufer:
„Haben sie noch einen Baum für mich?“
Der Verkäufer gibt den letzten Baum im Laden,
„Den schenk ich dir, den kannst du haben.“
Der Mann bedankt sich nimmt den letzten Baum,
macht sich auf den Weg unter die Brücke.
Ein Bündel alter Zeitungen gesammelt,
um vor ärgster Kälte sich zu schützen.
Prüfend mustert er den krummen Baum:
„Mit ein paar Korrekturen bring ich das hin“
Mit dem Taschenmesser schneidet er
Äste ab und setzt sie anders ein.
In kurzer Zeit verwandelt sich der Baum,
nichts erinnert mehr wie er vorher war.
Zufrieden lächelt nun der alte Mann.
Im Sand liegt ein Schwemmholz aus dem Fluss,
es hat fast die Gestalt von einem Kind.
Er hebt es auf und macht sich einen Plan.
Ein Gesicht ist hier schon zu erkennen.
Mit dem Messer ritzt er feine Spuren.
Da kommt tatsächlich ein Gesicht hervor,
mit Augen Nase mund und Ohren.
Das Tageslicht wird ihm zu schwach,
er will Morgen dann sein Werk beenden.

Hier unten ein Mann, vom Leben arg geschüttelt
und oben endlos lange Autoschlangen,
sie alle transportieren Weihnachtsfrieden,
zu den Einkaufcenter Größenwahn. 
Jesuskind ging irgendwo verloren;
Es wird heute beim alten Mann geboren.
Doch wird es kaum wer hier an diesem Platz vermuten.

Der Mann legt sich ins Bett aus Moos und Laub.
Macht sich aus Zeitungsblättern eine Decke
und irgendwann schläft er dann ein und träumt.
Geheimnisvolles Licht war da zu sehn.
Engel die vom Himmel nieder schweben,
singen Lieder die zu Gott sich heben.

Sie kommen nah und näher zu dem Baum,
schmücken ihn mit Glas und Glitzerflaum.
Auch das Schwemmholzkind wird so gerettet,
wird in eine Krippe eingebettet.
Als die Engel ihr Werk beendet und dann,
knieten sie gemeinsam mit dem Mann.
Beten, singen sie im Glück verloren:
Ein Kind der Liebe wird der Welt geboren.

Am andern Morgen in der Dämmerung,
war des alten Mannes Lager leer.
Kinder die sich wollten hier verstecken,
konnten nur Krippe und den Baum entdecken.
In Sand und Erde war noch gut zu sehn,
hier knieten Wesen, andere noch im stehen.
Die Kinder ließen von der Spur sich leiten,
knieten hin sich ohne viel zu streiten.
Da geschah was unerklärlich Helles.
Viele Kerzen an dem Baum erstrahlten.
In Scharen Engel nieder schwebten, 
halfen laut zu singen und zu beten.
Kinderaugen wurden Groß und scheu,
für sie war dieses Wunder völlig neu.
Hatten vorher nie so etwas gesehen.
Als Andachtsklänge sich zu Ende neigten,
schwanden Engel, nur die Lichter zeigten,
hier wurde Stille Nacht zum Tag gemacht, 
der letzte Baum noch in der Stille wacht.


Anmerkung von franky:

DezemDezember2008

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Kommentare zu diesem Text

Sätzer (77)
(28.11.20)
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 AnneSeltmann meinte dazu am 29.11.20:
Guten Morgen Franky!

Einfach nur schön und... berührend!

 AchterZwerg (29.11.20)
Lieber Franky,

ich bin auch ganz gerührt: Eine wirklich schöne Weihnachtsgeschichte ist dir hier gelungen!
Und ganz ohne Einsatz größerer Kitschutensilien ...

Einen schönen 1. Advent
der8.

 regenfeechen (29.11.20)
Lieber Franky,
das ist eine Weihnachtsgeschichte, die jeder lesen sollte.
Nicht der Konsum bestimmt die Weihnacht, sondern Liebe, Armut, aus einfachsten Mitteln etwas Großes, nämlich das Wunder der Weihnacht entstehen lassen. Kinderherzen staunen lassen.
Wunderschön erzählt. Danke dafür!
Einen schönen 1. Advent wünscht
das Regenfeechen
blackdove (37)
(29.11.20)
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