Psychiatrie-Tagebuch, Teil 8

Tagebuch zum Thema Psyche

von  Koreapeitsche

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eben 10 mg Insulin gespritzt bekommen. Ich blieb Krankenschwester mit den kleinen Löckchen, Frau Himstedt, wusste nicht, wie die Insulin-Spritze zu bedienen ist. Sie bekam Angst, dass sie etwas verkehrt macht, holt die ihren Kollegen, der wusste mit der Spritze, die in den Bauch gesetzt werden sollte, nicht umzugehen. Jetzt gehen die beiden Pfleger erst durch die anderen Räume. Ich sitze hier im Raucher- raum, da ich derzeit nirgends woanders bei Licht an einem Tisch schreiben kann. Kurt tut mir leid. Er war lange Hausmeister in der Leibnizstraße bei den Juristen, zusammen mit seiner Frau. Er ging '95 mit 63 Jahren in Rente, kam mit dem Rentenalter nicht klar. Irgendwie scheinen die Medikamente nicht auf einer Ebene mit den anderen hier auf Station gleichzuschalten, als würde sich unsere „Langue" annähern.
 
 
 
 
 
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Freitag 06.03.2009
 
Heute Morgen während der Arztvisite, die von Dr. Jakubek geleitet wurde, sagte mir der Arzt wieder etwas von Zwangseinnahme des Medikaments. Ich bekam gleich wieder Angst.

 

 
 
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Sa. 07.03.2009
 
Ich war heute Nachmittag wieder in der Palenke, sah die zweite Halbzeit von Hoffenheim gegen Werder live. Ich spielte mit Silke Tischtennis. Sie agierte dabei sehr grobmotorisch. Für die Kurzgeschichte M. E. C. muss ich noch rund 12 handgeschriebene Seiten tippen. Das sind am Ende wohl noch vier Seiten.
 
 
 
 
 
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So. 08.03.2009
 
Ich war gerade joggen, lief durchs Düsternbrooker Gehölz, an der Krusenkoppel vorbei runter zum Landeshaus, links an diesem vorbei herunter zum Hindenburgufer, lief rund 100 m am Hof vorbei bis zu der Stelle an der früher immer das RSH Zelt stand, den Düsternbrooker Weg entlang über die Rollstuhlfahrerrampe vor dem Landeshaus und wieder zurück den Weg an der Krusenkoppel vorbei, diesmal oben auf dem Waldweg parallel zum Niemannsweg. Ich brauchte insgesamt 31: 06 min. Jetzt werde ich duschen und einen Kaffee trinken. Ich habe verstärkt den Eindruck, dass Psychiatrien u.U. rechtsfreie Räume sind. Selbst die Pflichtverteidiger haben Angst, ihre Beschäftigung zu verlieren. Der Eingriff leger fragte mich vorhin, welchen Kampfsport ich mache, da er mich in dem DKV T-Shirt gesehen hatte. Ich behielt die Antwort für mich.
 

 
 
 
 
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Ich habe auch den Brief an Prof. Aldenhoff ein zweites Mal aufgesetzt. Ich werde ihn morgen abgeben. (Tablette genommen 21.18 Uhr) Ich fragte den Pfleger (Otto) eben, wie es sein kann, dass mein Risperdal-Spiegel so tief ist. Er verstand zunächst meine Frage nicht. Er sagte schließlich, dass bei den elektronischen Aufklebern eigentlich nichts mehr schief gehen kann. Ein elektronisches Gerät erzeugt dabei eine Etikette bei der Blutabnahme (?) oder -analyse, die meiner (Patienten)nummer zugeordnet würde. Er fragte mich, wann bei mir das nächste mal wieder Blut abgenommen wird. Ich sagte, ich weiß es nicht. Ich werde mich gleich hinlegen. Ich habe das Pitigrilli-Buch zu Ende gelesen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich es bereits kenne. Ich schrieb vorhin einen Text fürs  Ergonomie-Skript über Computer Kinder. Vielleicht kann ich den Text gleich morgen tippen. Ich habe auch noch Umberto Eco „Der Name der Rose“ liegen.
 
 
 

 
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Mo. 09.03.2009
 
Ich empfinde wieder leichte Panik, nachdem Dr. Kruse vorhin wieder damit gedroht hat, mir ein Anti-Epileptikum zu verabreichen. Ich weiß wirklich nicht mehr, was das alles soll. Nur weil ich beim Gesundheitsamt auf den Tisch gehauen habe. Es kann nicht sein, dass Firmen Menschen für 5,50 € brutto arbeiten lassen, vermutlich ohne Gesundheitszeugnis, und wenn denen dann nach dem Vorstellungsgespräch der Kragen platzt, sollen die die Zeche alleine zahlen. Ich hätte niemals gedacht, dass es in Deutschland noch einmal so grausam werden könnte. Ich habe kein Vertrauen zu den Ärzten, die mich hier auf der P4 behandeln. Die wirken wie Maschinen, nicht wie Menschen. Es ist grausam. Ich hatte während der Visite ein richtiges nervenzittern. Positiv ist, dass ich heute morgen im Keller Kneipen war.
 

 
 
 
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Gestern Abend erzählte mir Kurt, mein Zimmernachbar, der als Hausmeister in der Leibnitzstraße bei den Juristen arbeitete, wie häufig dort  in den Räumlichkeiten der Rechtswissenschaftler eingebrochen wurde. Es wundert mich, dass über so etwas nicht in den Zeitungen berichtet wird. Ich soll jetzt zum EEG. Das EEG war ganz interessant. Die MTA ist ein steiler Zahn, mit Reitstiefeln, blonde Haare und recht attraktiv. Sie heißt Frau Plaumann. Ich ließ 15 Minuten lang die Untersuchungen über mich ergehen. Bevor ich ins Medizinische Versorgungszentrum ging, gab ich bei Frau Herde den Brief an Prof. Aldenhoff ab. Ich brach darin das gewaltsame Umknicken des Handgelenks an. Um ca. 14.15 Uhr bekam ich Besuch von Hr. Verführden, einem Amtsrichter, mit dem ich mal telefoniert habe, als ich mich über Frau Isermeyer beschwert habe.
 
 

 
 
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Er riet mir damals, einen Widerspruch zu dem Gutachten zu erheben. Ich glaube, das tat ich gar nicht. Ich führte ein recht anständiges Gespräch mit ihm. Er las mir kurz die „Anwendungsbereiche" des neuen Medikaments vor, das ich in nächster Zeit zusätzlich nehmen soll. Richter Verführden will sich dafür einsetzen, dass ich auf eine offene Station verlegt werde. Das mit dem valproinhaltigen Medikament wollte er noch bei Dr. Kruse ansprechen. Er musste sich beeilen, denn er wollte um 15 Uhr in Gaarden sein. Als ich noch auf dem Flur sagte, dass mein Telefonat mit ihm in der gleichen Angelegenheit sei wie die heutige, widersprach ich ihm, und er stimmte mir auch zu. Ich erinnere mich daran, dass ich ihm meine Befürchtungen äußerte, Dr. Jehs und Richterin Isermeyer wollten mich in den Suizid treiben. Das war fast zwei Monate her, dass ich ihm das sagte.
 

 
 
 
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Di. 10.03.2009
 
Ich sitze in dem kleinen Ruheraum, in dem ich die ersten zwei Nächte verbracht habe - oder war es nur eine? Ich erhielt heute eine große Brausetablette. Es hieß, es sei für mein Kaliumgehalt. Es sei gut fürs Herz hieß es weiter. Es war die Pflegerin mit Brille und schulterlangen Haaren, die kleinere der beiden, die ähnlich aussehen. Ich hatte auch ein Gespräch mit Dr. Kruse. Er macht Werbung für die Valproinsäure, ich sagte schließlich einer Behandlung zu, die  mich morgen auf die offene Station führen  wird. Ich fühle mich heute körperlich schon leicht beeinträchtigt, etwas daddelig und leicht schwindelig, als wäre die Brausetablette bereits die erste Ladung Valproinsäure gewesen. Gestern Abend um viertel vor elf wurde ich wegen eines Notfalls von Zimmer 1 auf Zimmer 8 verlegt. Drei oder vier Sanis fuhren einen

 
 
 
 
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Notfall in mein bisheriges Zimmer. Mein Gedächtnis ist deutlich schlechter geworden. Ich schmecke jetzt auch die Brausetablette wieder, obwohl deren Einnahme gut 10 Stunden zurückliegt. Vor fast zwei Stunden war eine Delegation hier auf der Station. Ich frage zwar, was das für eine Gruppe sei, erhielt keine präzise Antwort. Die wollten kurz in mein Zimmer schauen. Ganz vorne stand eine kleine Blondine, die ich mal im Hinterhof antanzte. Sie schien zu bemerken, dass etwas nicht in Ordnung war. Wohin durfte ich meinen Wahlschein für die Bürgermeisterwahl als Briefwahlunterlagen einschicken. Ich durfte zum Postkasten an der Feldstraße. Ich hatte auch wieder Ausgang, ging zu Rossmann, kaufte Zahnpasta, Tee, eine Kunstmappe und gab einen 36er Film ab. Ich bin gespannt, ob ich heute Abend das Medikament bekomme. Bei meinem Ausgang regnete es zunächst sehr
 

 
 
 
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stark, es hagelte auch. Nachdem ich bei Rossmann eingekauft hatte, war der Regen vorbei, der Hagel auch. Ich ging ins Metro-Café einen koffeinfreien Kaffee trinken, las in der MOPO, die ich mir selbst gekauft hatte, einen Artikel über eBooks. Ich hatte mehrere Situationen, in denen ich mich wie ein Behinderter fühlte. Das kann aber auch daran liegen, dass ich keinen Gürtel mehr in der Hose habe und ich diese justieren muss. Der Gürtel ist mir ja bei der „Einlieferung“ abgenommen worden. Dr. Kruse befragte mich noch einmal kurz in seinem Büro. Das war dann die Visite. Er fragte mich: „Weshalb ist es ihr Tod, wenn Sie die Tabletten nehmen müssen - so haben sie sich ja ausgedrückt“. In dem Gespräch war ich recht souverän, aber nur deshalb, da ich aus Angst vor weiteren Drohungen und weiterem Druck und Drängeln nach kurzem Zögern zusagte, dass ich die Valproinsäure nehmen werde. Ich sprach auch an, dass
 
 

 
 
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ich Schwierigkeiten mit der Atmung habe. Wahrscheinlich hängt das auch mit meiner Angst zusammen, mit dem Adrenalin-Level. Das mit der Angst sagte ich nicht. Ich sagte „aufgrund von Nasenbeinbrüchen ...“. Dr. Kruse versprach mir, einen Termin in der HNO zu arrangieren. Er sprach das Thema Hells Angels wieder an und ich fuhr leicht darauf ab. Eine innere Stimme sagte mir „Risiko“, als ich kurz davor war, wieder die internen Zip-Probleme anzusprechen, die meiner Meinung nach zu meinem Fall beigetragen haben. Ich vermied das Thema. Ich habe eben noch 100 Zukis _ftn1">[1] gemacht, ein paar Dreh- bzw. Ki-Übungen. Ich war groß auf Toilette, duschte mich danach ab. Ich fragte den einen Pfleger nach dem Namen seines Kollegen, der von mir wissen wollte, was ich für einen Kampfsport mache. Der heißt wild. Der Befragte Pfleger stellte sich mir als Herr Stahl vor. Ich vermute, dass Hr. Wild derjenige war, der mir das Handgelenk bei der
 
 

 
 
 


 _ftnref1">[1] Zukis (jap.) nennen sich die Fauststöße im Karate.

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