Psychiatrie-Tagebuch, Teil 6

Tagebuch zum Thema Psyche

von  Koreapeitsche

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scheint an niedere Instinkte zu appellieren. Der ganze Passivrauch, kleine Unreinheiten und Ungereimtheiten, fehlende Joghurts etc. schafft Unbehagen. Der Patient muss entscheiden, ob er Streit riskiert, wenn er sich beschwert oder dann gar selbst etwas auf den Deckel bekommt. Die Pflegerin, die heute Abend mit der Peruanerinnen und den neuen aus der P3 Dienst hat, hat mich schwer enttäuscht. Ich fragte sie mehrmals, ob sie mir zwei Job Annoncen für Audiometrie und E-Learning ausdrucken könne. Sie sagte, dass sie ist ausdrucken würde, um es mir später zu geben. Jetzt scheint sie während ihrer Arbeitszeit Privatgespräche zu führen. Ich mag es auch nicht, wenn ins Geschirr bzw. die Tassen geascht wird. Ich bin dafür, dass dieses Geschirr weggeworfen wird und vernünftige Aschenbecher aufgestellt werden. Sonst bringt das alles nichts. Marcel hat mir eben gesagt, dass er Risperdal und
 
 

 
 
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eine Risperdal-Depotspritze bekommt, obwohl von anderen Ärzten bereits festgestellt wurde, dass bei ihm Risperdal gar nicht wirkt. Er sagt, er könnte das nicht verstehen, deshalb sie ist ihm trotzdem   erabreichen und spritzen. Dr. Kruse hat mir auch gedroht, dass er mir Risperdal injizieren würde für den Fall, dass ich mich weigern würde, die Tabletten zunehmen. Er hätte mich fixiert und danach das Zeug injiziert. Ich bekam eine unfassbare Angst, als er mir das am Mittwochmorgen (18.2.09)  sagte. Ich finde es schrecklich, wie einige Pfleger mit den Leuten hier spreche. Als Patient hier ist jeder vorverurteilt.  Einige Leute sprechen artikulierter mit ihren Schäferhunden. Vorhin habe ich mit der Neuen hier - Silke Schönfeld - gesprochen. Sie wollte, dass ich mit ihr auf ihr Zimmer komme. Ich sagte, ich will  Fernsehen. Sie sagte, ich kann nicht zu ihr auf Zimmer 3 kommen. Doch es gibt kein Zimmer 3. 
 
 
 
 
 
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Um 8 Uhr rief ich auch in der Telefonzentrale des UK-SH an. Ich fragte: „Können Sie mir bitte die  Telefonnummer der Ethikkommission des UK-SH geben?" doch die Frau sagte: „Wenden Sie sich bitte an das Personal, die können Ihnen die Telefonnummer heraussuchen." ich fragte nach, ob die am   isplay sehen können von wo aus ich anrufe. Sie sagte sie könne sehen, dass ich mich im Zip und auf der P4 befinde. Während des Telefonats sah ich Dr. Kruse, der wohl gerade aus der Küche kam. Er ging zum Ausgang und schloss die Tür auf. Ich verhaspelte mich ein wenig beim Telefonat und die Frau  wollte mich abwürgen. Ich bekam noch heraus, dass die in der Telefonzentrale Anweisung haben,  Patienten nicht weiter zu verbinden - auch keine Nummern herauszugeben. Sie fragte mich am Anfang des Telefonats auch, ob ich zum Personal gehöre oder Patient sein. Schließlich wimmelte sie mich ganz ab und legte auf.
 
 
 
 
 
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Ich werde gleich noch 100 Zukis machen, danach etwas in Pitigrillis Kurzgeschichten lesen. 
 
 

 
 
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Sonntag 01.03.2009
 
Ich habe gerade einen rund eineinhalbstündigen Spaziergang zum Café Pennekamp am Hinden burgufer _ftn1">[1] gemacht, wo ich eine Tasse Kaffee für 1,90 € trank und etwas in der russischen Kurzgrammatik las. Ich gab 10 € _ftn2">[2] Trinkgeld. Jetzt gibt es Essen. Mein letzter ganzer Tag hier verlief sehr harmonisch. Ich las „Computer-Kinder" zu Ende, machte mir dazu weitere Notizen, ich sortierte meine Unterlagen für „Meine ersten Chaostage", las die 30 Seiten Computerausdruck durch, korrigierte diese, machte mir Notizen. Ich habe noch eine ganze Menge Material gefunden, dass ich noch verwenden will. Insgesamt werde ich auf 35 Seiten kommen. Ich wusch vorhin meine Strümpfe, das T-Shirt und die Unterhose. Am Nachmittag spielten wir wieder Tischtennis. Ich dachte währenddessen an die Tischtennisabteilung des SVF. Frau Rabe hat heute Geburtstag. Sie gab ein Päckchen Milka-Herzchen aus.
 

 
 
 
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Morgen kann ich um 12:15 Uhr das Krankenhaus verlassen. Ich will nach der Arzt Visite noch für ein Stündchen in die ZBW, meine E-Mails checken und an M. E. C. _ftn3">[3] weiterarbeiten. Ich werde die Kurzgeschichte bzw. das Drehbuch morgen jedoch nicht fertig bekommen. Ich bin gespannt, ob ich morgen noch ein Mittagessen bekomme. Theoretisch könnte ich nach der Entlassung ein weiteres Mal in die ZBW. Ich habe auch Lust ab 16 Uhr in die Schwimmhalle der Uni zu gehen. Ich erinnerte vorhin die eine Pflegerin an ihr Versprechen, mir die beiden Job Annoncen auszudrucken. Sie redete sich raus, sagte, sie hätte der Tagschicht gesagt, sie sollte mir sagen, dass ich das bei Dr. Kruse ansprechen soll. Das werde ich auch morgen tun. Ich finde es fies. Heute Morgen fand ich es übel, dass dieselbe Pflegerin, die mich wegen des Zuspätkommens rügte, heute morgen das erste Wecken vergessen hatte. Sie
 
 


 
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wecke uns erst um viertel vor neun. Es ist jetzt 21:19 Uhr in ca. zehn Minuten kommen die mit meiner  Tablette. Ich werde jetzt noch 100 Tsukis machen, ganz sachte.Ich bin vorhin in den Gruppenraum  umquartiert worden. Marcel musste den Raum wechseln. Es sollte ich bei Hr. Schmidt ins Zimmer. Doch ich brachte den Ruheraum ins Gespräch. Doch jetzt bin ich in den in dem Raum, in dem ich letzte Woche mit Herrn Fitza und seiner Referenten saß. In dem Raum, in dem wir erst waren, ist Hr. Zabotta einquartiert worden. Weshalb wurde uns nicht gesagt. Herr Duwe wusste es nicht. Hr. Zabotta war eben mit der Nachtschwester eine Zigarette rauchen. Das Rauchen wird genau dort zelebriert, wo es nicht hingehört: im Krankenhaus. Ich und Frau Schmidt scheinen die einzigen Nichtraucher auf der P4 zu  sein.
 
 

 
 
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Mo. 2.3.2009
 
Ich habe gerade wieder am Frühsport teilgenommen. Wir machten wieder mehrere Gruppen und  Einzelübungen mit dem Thera-Band. Die roten Bänder sollten dicker sein als die gelben. Ich habe jetzt ja noch ein blaues Thera-Band in einem der Umzugskartons. Ich werde die Übungen mal weitestgehend nachexerzieren. Das ist bestimmt eine gute Alternative zum Hanteltraining. Es ist jetzt 9.12 Uhr. Die Visite ist hier im Gruppenraum noch nicht angekommen. Eben war Arztvisite. Frau Metzner leitete diese. Ich war der einzige mit Doktortitel im Raum. Ich habe den Eindruck, dass diese Tatsache – rein kommunikativ – einen Einfluss auf die Personaldeixis hat. Ich stellte fest, dass es z.T. Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Personalpronomen gab, die Frau Metzner verwendete. Fr. Isermeyer sucht hierfür 15.30 Uhr ein Gespräch wahrscheinlich hat sie die endgültige
 
 

 
 
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Entscheidungsgewalt über meine vorzeitige Entlassung. Das würde aber die Entscheidung des Landgerichts lächerlich machen. Ich hatte vorhin noch eine zweite Visite mit einer mir nicht bekannten Oberärztin. Sie machte mir klar, dass der Bescheid nicht um 12.15 Uhr mittags, sondern um 24 Uhr ausläuft. Die Frau war christlich resolut. Sie verwies auf das Gespräch nachher mit Frau Isermeyer. Es klang so, als könne Fr. Isermeyer sich über den Landgerichtsbeschluss hinwegsetzen und mich doch hier behalten. Das ist pervers. Ich nannte das eine Farce. Im Mülleimer in der Küche sind sowohl Küchenabfälle als auch medizinische Abfälle in ein und demselben Mülleimer zu finden. Als TUB  Absolvent kann ich mich daran nur stoßen. Aber jetzt zu einem anderen Thema: Vorhin fand das besagte Gespräch mit Richterin Isermeyer, Fr. Oberärztin Dr. Gerok-Falke, Rechtsanwalt
 


 
 
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Fitza, Sozialpädagoge Wichmann und mir statt. Es war wieder eine sehr anstrengende und streitbare Runde. Ich war wieder sehr erregt und aufgebracht. Ich musste mich regelrecht bremsen und aufpassen, dass ich nicht durchdrehe. Fr. Isermeyer nannte dieses Zusammentreffen eine Verhandlung. Am liebsten würde ich sie nach einem Merkblatt mit der rechtlichen Relevanz dieser Mini-Verhandlung fragen. Mein juristisches leihen toom scheint mir wieder und wieder zum Verhängnis zu werden. Während des Fünfergesprächs machte ich mir ein paar Notizen: den Namen der Ärztin notierte ich, zur Ärztin notierte ich „mehr Theorie- als Praxiswissen", von Hr. Wichmann notierte ich den Ausspruch: „kollabieren!" Er hielt mir vor, dass ich gleich nach Betreten des Raums kollabiert sei. Von Frau Doktor Gerok-Falke notierte ich den Ausspruch: „Wenn Hr. Scheller sich benimmt, dann kann er auch auf
 




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Station so und so!“ Ich empfand das Gespräch als pure Frechheit. Es gibt Ärzte, die gar nicht mehr  merken wie primitiv und verhärmt sie sind. Ich finde es krass, dass die Pflegeleitung ist zulässt, dass sich einige Leute hier ergän- zend zum Abendbrot eine Pizza beim Pizzaservice bestellen.
 
 

 
 
 
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Di. 03.03.2009
 
Ich habe gerade einen Spaziergang zum Blücherplatz gemacht, bekam auf Anfrage in der Ostsee  Apotheke in der Feldstraße eine Packung Taschentücher gratis. Heute Morgen habe ich erst wieder an der Physiotherapie teilgenommen, hier machten Übungen mit Gymnastikbällen Gedankenstrich einzeln, zu zweit und alle zusammen. Ich lass ein paar Artikel in der KN von heute, löste auch wieder ein einfaches Sudoku. Nach dem Frühstück und der Physiotherapie war Visite angesagt. Sie wurde geleitet von Fr. Dr. Gerok-Falke. Sie thematisierte noch einmal kurz die Gerichtsverhandlung von gestern. Jetzt wird mir allmählich klar, wie verheerend meine Situation ist. Die haben mich auch wirklich nicht über die Wirksamkeit etc. der Verhandlung informiert. Fr. Dr. Gerok-Falke sagte, dass sie die Risperdal-Dosis erhöhen will und zusätzlich noch ein aggressionssenkendes Mittel geben will. Ich sagte, dass ich mich
 


 _ftnref1">[1] Die Straße Hindenburgufer wurde am 16.01.2014 in Kiellinie unbenannt.
 _ftnref2">[2] Es müsste heißen 0,10 € oder 10 Cent.
 _ftnref3">[3] Eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Meine ersten Chaostage“.




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