Gast: Hören Sie mal: Ihre Speisekarte, die ist ja echt zum Abgewöhnen. Die ist ja total nichtssagend. Tote Hose....
Kellner: Ja, das hören wir schon den ganzen Tag. Frust auf der ganzen Linie. Mir geht das auch auf den Sack.
G.: Schön! Man merkt doch gleich, dass Sie Fronterfahrung haben, dass Sie die Not Ihrer Gäste nachempfinden. Das zeichnet Sie aus!
K.: Danke. Ich war bis vor Kurzem Schauspieler. Kellertheater, falls Ihnen das was sagt..
G.: Ja, klar! Tolle Adresse..– da hatten Sie ja auch so ein verwöhntes Publikum. Ich wette: Kinderlose verbeamtete Doppelverdiener, bildungsaffin, wohnhaft im Speckgürtel.
K. Ja, ganz gut getroffen! Aber die haben zum Beispiel ihr Butterbrot mitgebracht. Eigenen Kartoffelsalat sogar. Die wollten sich nicht nur bedienen lassen. Sehr achtsame Leute...
G.: Um sich danach das Maul zu zerreißen über die fehlende Technik und dass sie im Oberrang nichts verstanden haben. Ich kenne diese Sorte.
K.: Nein, da tun Sie diesen Menschen aber schrecklich Unrecht. Die haben weite Wege auf sich genommen. Und die waren noch hungrig, im besten Sinne!
G.: Das finde ich allerdings auch! Hungrig! Ein Regisseur muss so etwas mit einbeziehen in die Dramaturgie. Das Publikum ist Teil des Schauspiels. Der Gast ist der Star! Dem müssen Sie als Dienstleister gefallen. Sklavisch gefallen!
K.: Sie sollten jetzt besser gehen. Die Jungens in der Küche, die hören so etwas gar nicht gern.
G.: Haben die da denn überhaupt Bühnenerfahrung? Ich meine jetzt nicht diese Rampensäue, die wir aus dem Fernsehen kennen. Und die kriegen Geld dafür! Unsere sauer verdienten Gebühren. Schmierenkomödianten!
K.: Mir missfällt Ihr Ton. Das ist ein ordentliches Lokal, hier! Ich rufe jetzt besser den Chef ….
G.: Sie sollten die Tischtücher hier nicht gleich zerschneiden, junger Mann. Als Gast habe ich auch Rechte.
K.: Das Tischtuch dürfen Sie mitnehmen. Aber morgen bringen Sie das gewaschen und gebügelt zurück.So viel mal zu Ihren Pflichten!
G.: Ich brauche eigentlich kein Tischtuch. Wenn man den ganzen Tag sitzt. Eigentlich geht es mir ja nur um die Bewegung, dass ich überhaupt mal rauskomme.
K.: Ja, das sagen sie alle. Und sie reden sich um Kopf und Kragen. Aber beim Trinkgeld, da ist immer Sabbath.
G.: Gut. Das reicht. Dann gibts halt keinen Nachtisch. Aber am besten hat mir das mit dem Kartoffelsalat gefallen. Der hatte sicher dieses gewisse Extra. Al Dente würde ich sagen. Der Charme des Selbstgemachten!
K.: Oje, die Nummer mit dem Kartoffelsalat - hab ich´s doch geahnt, dass am Ende alle auf den Tischen stehen, schunkeln und nicht aufhören zu klatschen.
G.: Aber ich fand es schon spannend, wie Sie Leben in Ihren öden Alltag bringen. Kompliment. Aus Ihnen kann noch was werden.
K.: Ja, das habe ich auch so empfunden. Das wäre glatt der Stoff für einen Roman. Ein echter Maurice Chevalier. Oder wir machen ein Gedicht draus. Jeder schreibt einen Akt…
G.: Nee, nee. Aber ich besuche Sie gerne wieder. Und vor allem: Halten Sie dieses Niveau - excellent, cher ami! Grüßen Sie mir auch den Chef de Cuisine....