Tiefe Stille. Reisebericht aus dem Markgräfler Ländle

Text zum Thema Stille

von  EkkehartMittelberg

An milden Sonnentagen ist es ein Genuss in den Weinbergen des Markgräfler Landes, zum Beispiel bei Badenweiler, zu wandern. Es eröffnen sich zauberhafte Ausblicke auf die großflächigen Weingärten, gesäumt von Mischwäldern, oder in Richtung Freiburg in weite Ebenen, an heiteren Tagen meistens mit einer blau-violetten Horizontbegrenzung.

Doch in heißen Stunden wird man als Wanderer in den schattenfreien Weinbergen zum Brathähnchen.

Aber im Markgräfler Ländle findet sich rasch Abhilfe. Es bedarf nur weniger Autominuten auf kurvenreicher Strecke, um die Höhen des Badenweiler Hausbergs, des Blauen, zu erreichen.

Dort erwartet eine Einsamkeit den Wanderer, die man heute nicht mehr für möglich hält. Es ist meiner Frau und mir diesmal mehrfach geschehen, dass wir eine Stunde gelaufen sind, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Ich muss gestehen, dass ich wieder lernen musste, mit dieser ungewohnten Stille umzugehen. Es ist, als würde der Hörsinn umprogrammiert. Unabhängig von dem leisen Rauschen, das der Wind in den hohen Wipfeln der Laubbäume und Tannen des schönen Mischwalds verursacht, meint man auch dann ein leises Rauschen zu hören, wenn es völlig windstill ist: das Rauschen der Zeit, das gelegentlich von weit her durch gedämpfte Verkehrsgeräusche interferiert wird.

Allmählich beginnt man das feine Zirpen unterschiedlicher Vögel zu erlauschen.

Mit einer Fallhöhe von etwa 30 cm fällt ein Quellrinnsal in einen Wassertrog, an dem wir rasteten. Es war sehr erstaunlich für mich, dass ich in der absoluten Stille je nach Tempo des einfallenden Wassers variierende Klangfarben zu unterscheiden lernte.

Die Szenerie erschien mir so unwirklich, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn uns Pan mit seiner Hirtenflöte begegnet wäre. Eines ist sicher, die heilsame Stille hatte unsere Nerven so beruhigt, dass wir ohne panischen Schrecken in Wohlgefallen versunken wären.




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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (09.06.22, 08:27)
Endlich mal ein kVler, der raus an die frische Luft geht!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.06.22 um 11:44:
Hallo Dieter,
Hape Kerkeling, dich und mich verbindet der Satz: " Der Junge muss mal an die frische Luft."  :)
Taina (39)
(09.06.22, 08:46)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 09.06.22 um 11:52:
Grazie, Taina, mich erstaunt immer wieder, dass sich einerseits so viele Menschen nach der Idylle sehnen, dass sie andererseits aber nur so wenige wahrnehmen, selbst dann, wenn sie ihnen vor der Nase liegt.

 harzgebirgler (09.06.22, 11:29)
zu solch ländlicher idylle
passt am besten echt nur stille!

lg
henning

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 09.06.22 um 12:27:
Vielen Dank, Henning, vielleicht gibt es zwei Arten von ländlicher Idylle, die mit dem Gesang der Nachtigall und die mit der tiefen Stille. Ich will aber nicht so unbescheiden sein, sie mir beide zu wünschen.
Beste Grüße
Ekki

 GastIltis (12.06.22, 17:48)
Hallo Ekki,
als Norddeutscher hat man ja nicht allzu oft die Gelegenheit, die von dir beschriebene Gegend zu besuchen. Einmal hatte ich das Glück, indem ich in einem Hotel in Badenweiler eine Woche Ende September zu Gast war. Der Name ist mir entfallen. Jedenfalls lag es dicht an den Thermen und am Park. Vom Hotel waren bestimmte begleitete Touren ausgeschrieben, die zum Programm gehörten, u.a. eine Wandertour. Leider hatten sich nur zwei Personen gemeldet, meine Frau und ich. So schlug uns der Hotelier vor, uns bis zu einer bestimmten Stelle zu fahren und mit dem nötigen Rüstzeug (Karten) auszustatten, dass wir nicht nur die Wanderung ordentlich absolvieren konnten, sondern auch wieder vernünftig zurück fanden. Diese Wanderung haben wir, die Wege waren gut ausgeschildert, in schönster Erinnerung behalten, auch das Hotel, die Küche (!) und das gesamte Personal, das sehr familiär eingestellt war. Leider ist die Entfernung mit über 1000 km einfach zu groß, um so eine Woche zu wiederholen.
Sei herzlich gegrüßt von Gil.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 13.06.22 um 21:44:
Lieber Gil,                                                                 merci, aus der Beschreibung deines Besuchs von Badenweiler kann ich entnehmen, dass du meinen Genuss der tiefen Stille nachvollziehen kannst. Das ist mir wichtig.

Liebe Grüße
Ekki

 AZU20 (15.06.22, 17:13)
Da muss ich mit meiner Frau auch mal hin. LG

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 19.06.22 um 20:00:
Du wirst es bestimmt nicht bereuen.

LG
Ekki

 harzgebirgler (16.08.22, 12:10)
die 'hörnerkappe' der markgräfler tracht
hat seinerzeit ziemlich furore gemacht -
der badenweiler marsch sogar noch mehr
als hitlers auftrittsmarsch, doch erst später.

sehr schön geschrieben, ekki, und gerne gelesen!

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.08.22 um 21:41:
Vielen Dank, Henning, das mit dem Badenweiler Marsch habe ich nicht gewusst.

LG
Ekki
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