Robert schmiss den Stapel mit seinen Notizen vom Tisch. Es machte keinen Sinn. Es war ein mühsamer Prozess und er wusste nicht, zu welchem Resultat er führen würde. Was, wenn alles nur ein Hirngespinst war? Es fiel ihm zunehmend schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie flogen wie die Stubenfliegen rastlos umher. Überall dort, wo in seinem Leben einmal Ordnung herrschte, stülpte sich nun das Chaos hervor. Aus dem gesellschaftlichen Leben war er längst ausgestoßen, ausgespuckt wie ein Fremdkörper. Nun durchwachte er nächtelang und zebrach sich den Kopf. Jahrelang hatte er auf einen Lehrstuhl hingearbeitet. Dann waren die Gelder knapp und seiner Forschung ein Ende bereitet worden. Seit Monaten hatte er sich davon nicht erholen können. Er hatte sich zurückgezogen, ging nur noch selten ans Telefon und auch nicht mehr als nötig aus dem Haus. Stattdessen verlor er sich zunehmends im Grübeln und war der Verbitterung sehr nahe. Überall lagen Blätter und vollgekritzelte Notizbücher und Klebezettel hingen wie Gebetsfähnchen von allerlei Gegenständen herab. Den Alltag zu bewältigen war ein mühevoller Prozess. In der Küche reihte sich ungespültes Geschirr aneinander und übereinander, gefegt und gesaugt, war seit Wochen nicht.
Er war auf der Jagd gewesen. Nicht wie ein herkömmlicher Jäger oder Krieger. Es war eine unsichtbare Jagd, ein Prozess, der in seinem Kopf vonstatten ging und doch von einer angespannten Leidenschaft beseelt war. Es war die Jagd nach einer Erklärung, die keinen Widerspruch duldete, die in sich schlüssig war und etwas Neues, nie Gedachtes hervorzubringen vermochte. Es war die Jagd eines verkopften Menschen, der in Ursache und Wirkung, in Logik und Zusammenhängen dachte. Er hasste es, wenn andere ihn einen verkopften Menschen nannten, so als wäre dies etwas Schlechtes. Er selbst empfand diese Bezeichnung als einen Ritterschlag. Er hatte durchaus erkannt, dass das Sinnliche, das was gehört, gerochen, geschmeckt, gesehen werden konnte, eine größere Anziehung auf die meisten Menschen ausübte, doch er fand ein außergewöhnliches Vergnügen darin, eine stimmige Theorie zu erarbeiten, zu prüfen und auf Herz und Nieren zu testen und nie zuvor war er seinem Vorhaben so nahe gekommen. Doch dann hatte man ihm die Stuhlbeine abgesägt und er war noch immer im freien Fall. Nun versuchte er es mit seinen Mitteln, außerhalb des Bürokomplex einer Universität, außerhalb bürokratischer Richtlinien, undurchdringlicher Vergabeprozesse und Verteilungskämpfe, denen er nicht gewachsen war und die er nicht durchschauen konnte. Anfangs noch mit trotzigem Eifer. Er las, schrieb, fertigte Zeichnungen und Skizzen an und wiederholte alles beflissen Nacht um Nacht. Doch zunehmend häuften sich die Aussetzer, die Ausflüge an den Kühlschrank, die Nickerchen. Der Fernseher von dem er sich vor einiger Zeit noch hatte trennen wollen, lief nun ununterbrochen im Hintergrund und aus dem Antrieb war mehr und mehr ein zielloser Zeitvertreib und ein Gedankenvertreiben geworden. Die Gedanken kreisten zunehmend um Unwesentliches und mehr und mehr kreisten sie um sich selbst. Das Außeninteresse war nach innen gesickert und das in keinem guten Sinne.
Er kniete sich auf den Boden und begann die Zettel und Hefte einzusammeln, die er runtergeschmissen hatte. Er fühlte sich schuldig, wie jemand, der einen Fehler gemacht hatte und dem es Leid tat. Sorgsam glättete er eingeknickte Kanten und legte sie sorgfältig zurück auf den Tisch. Er setzte sich, zündete eine Zigarette an und verlor sich in den Gedanken, wie alles hatte soweit kommen können.