Der Zug Hamburg-Berlin fuhr mit etwas Verspätung um 21.12 Uhr vom Hauptbahnhof los. Ich las eine Kurzgeschichte und machte ein paar Notizen. Da ich mich etwas verspannt fühlte, entschloss ich mich dazu, einen Zugspaziergang zu unternehmen. Das Großraumabteil, in dem sich mein Sitzplatz befand, lag genau in der Mitte des Zuges. Zunächst ging ich nach vorne in Richtung Lock. Schon an der ersten Toilette kam mir ein widerlicher Gestank entgegen. Auf dem Gang des Zweite-Klasse-Kabinenwagens befanden sich überall kleine Wasserlachen. Ich schlängelte mich daran vorbei um nicht auszurutschen. Die meisten Vorhänge der Abteile waren zugezogen. Vereinzelt hörte ich Stimmen. Wieder und wieder sah ich Handy-Displays leuchten, viele Laptops befanden sich auf Schoßhöhe.
Im Speisewagen saßen drei Leute mit Anzügen, jeweils an einem eigenen Tisch sitzend und Bier trinkend. Ein Kellner rauschte an mir vorbei und lief mich fast um. Ich sprach eine Frau an.
Sie sagte:
„Mein Freund wäre überhaupt nicht damit einverstanden, wenn wir uns unterhalten würden.“
Die erste Klasse bestand sowohl aus alten und aus neuen Wagen. Die alten Wagen rochen sehr muffig, die neuen eher steril. Ich stand eine Weile vorne hinter der Lock und sah mir die Verkabelung an. Teilweise bebte der Grund auf dem ich mich bewegte. Ich weiß nicht, ob das an den Gleisen lag oder an der Radaufhängung oder was auch immer. Nach einer Weile ging ich wieder zurück, sah die gleichen Leute, sah Laptops und Handys.
Ich ging wieder durch das Bordrestaurant, musste wieder an den Toilettenlachen vorbei und sah auch die Schaffner erschöpft in einem der Abteile sitzen. Jetzt ging ich ans Ende des Zuges, ging in den letzten Wagon und zur hintersten Tür. Ganz hinten befand sich ein Fenster, das zu der verschlossenen Tür des letzten Wagons gehörte. Ich blickte durch das Fenster, sah dort die Gleise und Holzbalken sich in Höchstgeschwindigkeit entfernen, als sei hier ein Film zu Ende oder ein Projektor leergelaufen. Ich stand hier ein paar Minuten und blickte in die Ferne, hörte dazu das Rattern der Schienen, ein Quietschen der Räder und andere undefinierbare Fahrgeräusche. Kurze Zeit später hatte ich genug, drehte mich um und ging zurück zu meinem Sitzplatz im Großraumabteil.