Mann in Betrachtung des Meeres

Gedicht

von  Quoth

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Das Grün des Grases und des Himmels Blau,
der Weg, ein Zaun, fünf Pfähle, eine Bank,
darauf ein Mann, Prinz-Heinrich-Mütze, sitzt,
geruhsam blickt er auf die graue See.

Der Weg, ein Zaun, fünf Pfähle, eine Bank,
zwei Segler kreuzen fern nach Dänemark,
die Wolken hingetupft und wirr zerrissen,
das ewige Lineal des Horizonts.

Ein Mann sitzt auf der Bank, Prinz-Heinrich-Mütze,
er zieht vielleicht Bilanz, betrauert manches,
empfindet Scham für Großmannssucht und rätselt,
warum die Liebe so viel Leid gekostet.

Geruhsam blickt er ostwärts auf die See,
vermeint zu hören fernen Waffenlärm,
sieht im Gesicht der längst verstorbenen Mutter
das Grau des Meeres und des Himmels Blau.


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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (07.10.22, 01:09)
Bilder, Bilder, einfach ruhige Bilder.
Ein sehr schönes Gedicht.

Liebe Grüße
Alma Marie

 WinstonSmith meinte dazu am 07.10.22 um 04:56:
Sehr schöne Bilder, in der Tat. Aber der Name "Prinz-Heinrich-Mütze" soll zwar lustig sein, er passt für mich wenig in die schönen Bilder. Schade.

 Quoth antwortete darauf am 07.10.22 um 09:41:
Ja, die Prinz-Heinrich-Mütze ist hier so selbstverständlich, dass sie mir gar nicht aufgefallen ist. Sie macht zugleich deutlich, dass es sich um einen alten Mann handelt, jüngere tragen diese Mütze nicht. Ich könnte sie durch "Elblotsenmütze" ersetzen, aber das passt nicht so gut zu einem Blick auf die Ostsee. Lustig sein sollte sie gar nicht, ich gehöre hier nicht zur Spaßmacherfraktion.
https://de.wikipedia.org/wiki/Prinz-Heinrich-M%C3%BCtze
Vielen Dank für Anerkennung, Empfehlung und Lieblingstext, AlmaMarie!

Antwort geändert am 07.10.2022 um 09:48 Uhr

 AchterZwerg (07.10.22, 07:06)
Sehr einfühlsam bebildert.
Die Prinz-Heinrich-Mütze - mal abgesehen davon, dass sie in manchen Gegenden häufig getragen wird - bildet für mich die natürliche Grenze zum Reich des Kitschigen.
Die Form, insbesondere die gut gesetzten Wiederholungen, schmiegt sich.
Respekt :)

 WinstonSmith schrieb daraufhin am 07.10.22 um 09:54:
Lieber Quoth,

ich kannte diese Art von Mütze nicht, vielen Dank für Deine Aufklärung und den Link.
Jetzt kann ich den Text etwas anders lesen.

Liebe Grüße
Winston

 Quoth äußerte darauf am 07.10.22 um 09:57:
Interessant, AchterZwerg! Verhindert sdie Mütze, dass der Text ins Kitschige abgleitet - oder ist sie der nicht weiterverfolgte Einstieg in den Kitsch?
Ja, die Wiederholung - ein Grundelement der Musik, wird in der Lyrik vernachlässigt. Als ich neulich eine Villanelle schrieb, hat sie mir wieder so gut gefallen! Vielen Dank für Lob, Empfehlung und Lieblingstext!

Antwort geändert am 07.10.2022 um 10:00 Uhr

 WinstonSmith ergänzte dazu am 07.10.22 um 15:55:
Ich musste erst darüber nachdenken und es ein paar mal lesen. Jetzt habe ich einen besseren Zugang gefunden.
Danke, auch nochmals lieben Dank für Deinen Link.

Herzliche Grüße
Winston

 Graeculus (07.10.22, 15:34)
Eindrucksvolle Stimmung, ein Bild, das ich vor mir sehe und mich stark anspricht. (mea res agitur.)

 Quoth meinte dazu am 07.10.22 um 23:10:
Freut mich sehr, Graeculus. Ein bisschen spukt Caspar David Friedrich im Hintergrund. Danke! Quoth

 Agnete (07.10.22, 19:42)
wow. Starke Bilder. Zum Nachdenken.
Das Gesicht der Mutter als Bild, dass sich Grausamkeit immer wiederholt und dass menschen einfach noichts lernen.
LG von Agnete

 Quoth meinte dazu am 07.10.22 um 23:07:
Danke für Dein Lob. Gruß Quoth

 Isaban (29.10.22, 14:06)
Hallo Quoth,

sehr schöne, geruhsam-besinnliche Bilder. Mir würde der Text noch besser gefallen, wenn er sich der Inversionen bzw. Hilfsverbauslassungen, z.B. in S1, V4 und S3, V4 enthalten könnte.
V2 in S4 hingegen kann man sich ganz gut mit dem "Vermeinen" und dem Blick in die Vergangenheit erklären.
Das automatisch gesprochene "Linjal" in S2, V4 ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber nach ein bissl Stilmittelgrübelei auch in Langform.

Ein Text, mit dem ich mich gern beschäftig habe.

LG Isaban

Kommentar geändert am 29.10.2022 um 15:48 Uhr

 Quoth meinte dazu am 30.10.22 um 10:38:
Hallo Isaban,
vielen Dank für Besuch, Lob und Befassung. Wenn Du mir die erwähnten Zeilen mal in Deiner Fassung vorschlügst, könnte ich mir besser vorstellen, worauf Du hinauswillst!
Gruß Quoth

 Isaban meinte dazu am 30.10.22 um 13:25:
S1, V4 z.B.:
...und blickt geruhsam auf das graue Meer/die graue See
oder
...geruhsam blickt er auf die graue See
oder
...grau und geruhsam beide, Meer und er (stilistische Unterstreichung der Einig- und Geruhsamkeit)
oder
...sein Blick geruhsam auf dem grauen Meer /der grauen See

etc.

S2 V4 zur metrischen Beruhigung eventuell:
...dazu das Lineal des Horizonts

S3, V4 z.B.:
...warum hat Liebe so viel Leid gekostet
oder
...warum hat Liebe ihn stets Leid kostet
oder (um das "Kosten" stilistisch zu unterstreichen)
...ob Lieben immer Leiden kostet
...ob jede Liebe Leiden kostet

S4, V2 und 3(nur um es bei Bedarf etwas zu glätten, was aber nicht zwingend notwendig ist, da die metrischen Ausbrüche stilistisch zu erklären wären):

...lauscht im Erinnern fernem Waffenlärm,
sieht im Gesicht der armen lieben Mutter...

LG Isaban

 Quoth meinte dazu am 31.10.22 um 10:16:
Vielen Dank für die Vorschläge. S1 V4 habe ich geändert.
S3 V4 bedient sich einer Auxiliar-Ellipse, ohne Frage sehr vintage:
"Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,
die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt." Es wird viel gerätselt, warum sie einmal gängig war, heute aber verschmäht wird - in der reimenden Dichtung sicherlich, weil die 2. Partizipien sehr viel besserere Reimwörter sind als das Hilfsverb.
In Deinen beiden mit "ob" beginnenden Fragen würde mein unbekannter Held über die Liebe als solche nachdenken - aber wer tut das schon, man "knabbert" an den eigenen diesbezüglichen Erfahrungen!
Ich behalte die vintage Version also bei - aber war ein interessanter Einwand, den zeitgenössischen Ton betreffend.
Rhythmische "Stolperer" liebe ich, gerade weil sie Glätte durchbrechen!
Dank und Gruß Quoth
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