Paris 1942

Gedicht

von  Quoth

Der Spiegel, die Gitarre und der Tisch,
ein Weinglas und ein Tellerchen Oliven,
steht nicht ein Degen an den Tisch gelehnt?
Und, nicht zu übersehn, sein Griff ist rot.


Warum ist alles schräg, verkantet, schief?
Der Spiegel reflektiert ‘nen düstren Schlitz,
und die Zigarre, die am Tischrand liegt,
ist angeraucht und zeigt ein Restchen Asche.


Die Saiten der Gitarre, sicher Darm,
sie sind zerrissen, hängen schlaff herab,
gelangen übers Schallloch nicht zum Steg,
ja, aus den Fugen ist des Malers Welt.


Des Spiegels, der Gitarre blaue Schatten
bringen ins Gleichgewicht das aus dem Lot Geratne,
das Bild träumt von verlorner Harmonie,
der Degengriff ist sicher blutbeschmiert.




Anmerkung von Quoth:

Angeregt durch  dieses Gemälde von Picasso - da war ich ein Jahr alt  :(

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Kommentare zu diesem Text


 Fridolin (30.06.24, 02:28)
Schön, dass Du den link hinzugefügt hast. So kann man sehen, wie stimmig Deine Interpretation ist.
Mir gefällt, glaube ich, vor allem die Melancholie des Ganzen. Und der Sinn fürs Detail.

Kommentar geändert am 30.06.2024 um 02:30 Uhr

 hehnerdreck meinte dazu am 30.06.24 um 04:26:
Und mir zudem auch noch der dazu passende Kommentar von Fridolin!

Antwort geändert am 30.06.2024 um 04:26 Uhr

 Quoth antwortete darauf am 30.06.24 um 09:52:
Danke, Fridolin und hehnerdreck, für Kommentar und Empfehlung. Meine Betrachtung des Bildes hat einen Fehler: Auch vor der Besetzung Frankreichs durch die Nazis war Picasso kein Maler des Lotrechten ... 
Besonders gut gefällt mir das dreieckige Weinglas. Und wie nennt man den Schmuck am Kopf des Griffbretts? Ist das ein Hinweis darauf, dass es sich um eine Flamenco-Gitarre handelt?

 IngeWrobel (30.06.24, 16:47)
Ohne die Anmerkung am Fuße gelesen zu haben, erkannte ich mit jedem weiteren Vers, dass es sich um ein Stillleben Picassos handeln muss. 
Das ist Kunst: Die Stimmung eines Bildes mit Worten wiederzugeben, als erkläre man einem Blinden ein Bild. 

Ich liebe die Symbolik Picassos ... folgerichtig gefällt mir Dein Gedicht. 

Liebe Grüße von Inge

 Quoth schrieb daraufhin am 30.06.24 um 19:59:
Vielen Dank für Deine Empfehlung mit Kommentar! 

Ich muss betonen: In meine Interpretation floss natürlich auch Persönlichstes ein. Dass mir das Bild in Gandalfs Gallery so gut gefiel, lag auch daran, dass meine Welt aus den Fugen ist ...:(
 
Das Bild von dem plietschen Mädchen mit weißem Kragen, könnte aus der Zeit meiner Einschulung stammen. Das bist Du mit 6 oder 7 Jahren, oder?

Danke für Deine Grüße, die ich ebenso herzlich erwidere. 

Antwort geändert am 30.06.2024 um 20:00 Uhr

 IngeWrobel äußerte darauf am 30.06.24 um 20:40:
Was bedeutet denn "plietsch"? Ich vermute, was Nettes, oder? 
Ich bin im Dezember 42 geboren und deshalb hab ich Dein Gedicht gelesen – weil ich wissen wollte, was in Paris geschah, während ich in Göttingen geboren wurde. *lach* 
In der Zeit war ja die Welt der meisten Deutschen aus den Fugen geraten, denke ich. Meine frühe Kindheit ist so abenteuerlich verlaufen, dass es schon unglaubwürdig klingt, wenn ich davon erzähle. Wenn ich es dennoch beginne, überwältigen mich die Emotionen ... und ich verstumme wieder. Du bist da also nicht allein. 
Das Kinderbild (das muss kurz vor meiner Einschulung gewesen sein) habe ich gewählt, weil ich fröhlich wirke und mein Gesicht noch keine Lebensspuren aufweist. Jetzt, im Alter, erinnere ich mich bewusst nur noch an die guten Ereignisse in meinem Leben. 
... und nachdem nicht nur Douglas Adams die Zahl 42 als lebenswichtig bekannt gemacht hat, wurde sie zu meiner Glückszahl ... und ich werde jedes Gedicht mit der Zahl im Titel lesen!  ;) 
Im Ernst: Natürlich wusste ich vorher schon, dass Du gut schreibst. 
Zu Picasso, dem Kubismus und meiner Liebe dazu könnte ich viel erzählen ... aber das sprengte hier den Rahmen. 
 
Deshalb einfach nur nochmal sehr liebe Grüße von mir, 
der Göttinger Inge 
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