gullywärts reisen

Gedicht zum Thema Zeitgeist

von  Tula

Besuchst du sie in ihrer Welt, fällt
dir alsbaldig auf, sie sind dort sicher
in der Überzahl. Was logisch scheint, wer lauter
schreien kann, der wird erhört.

Sie stemmen sich erfolgreich gegen den Strom
und fesseln noch jeden, der an ihre Ufer treibt.
Gewissermaßen Bit für Bit, bis auch die
letzte Nase nicht mehr durchschaut.

Sie sind zwar weitaus kleiner als
ihre Mäuler, doch beherrschen sie die Gesetze
der Optik tadellos. Sie reflektieren gern
sich selbst und werden furchtbar groß dabei.

Neulich zum Beispiel, da rief einer: Lasst uns
Stürme entfachen! – Doch meinte er
in der Tat
Türme.

Genau darin liegt wohl ihre Stärke: Aussichten
zu verhindern.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Terminator (21.05.23, 02:40)
Die Orks sehen nicht, die schauen nur (wie der Mann von die Filmanalyse sagt).

 Tula meinte dazu am 21.05.23 um 10:34:
Moin Terminator
Orks können auf jeden Fall sehr gut brüllen, weshalb sich der eine oder andere dazu entscheidet, politisch in den Literaturforen aktiv zu werden  8-)

LG
Tula

 Terminator antwortete darauf am 21.05.23 um 23:33:
Da können sie wenigstens ihre Stimmbänder schonen, verbrauchen aber bestimmt eine Tastatur pro Woche.

 AchterZwerg (21.05.23, 08:49)
Genau darin liegt wohl ihre Stärke: Aussichten

zu verhindern.
Dies scheint der Sinn diverser Ampeln zu sein. ;)
kipper (34) schrieb daraufhin am 21.05.23 um 09:31:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Tula äußerte darauf am 21.05.23 um 10:40:
Mein lieber 8er
Die meinte ich zwar weniger, schon weil deren Fesselkünste mitunter zu wünschen übrig lassen, kann aber nachvollziehen, dass Sinn oder Unsinn einiger Ampelführungen uns ratlos auf der Stelle lassen.

Ansonsten gilt für andere die Regel: 
je lauter desto rechter
glaubt man
eigentlich an alles  8-)

Wünsche für einen Ampel-freien Sonntagsspaziergang
LG
Tula

 Tula ergänzte dazu am 21.05.23 um 10:52:
Moin Kipper
Herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, dem ich in einigen Punkten gern zustimme, obgleich ich mir den Bezug zum Gedicht teilweise erst noch erarbeiten muss.

Jedenfalls weist du treffend darauf hin, dass uns demnächst die Biergartensaison erwartet. An solchen Stätten lässt sich trefflich weiterschimpfen, mit der Sicherheit, dass der Stammtisch von vornherein die Überzahl gewährleistet.

Dass du mich zu den alten Säcken zu zählen scheint, lässt sogar auf meiner Glatze hohe Runzelwellen schlagen. Dabei hätte ich bei deinem Gipsfuß im sportlichen Wettstreit vielleicht eine Chance. Als Literat natürlich nicht, da bist du uns allen überlegen  ;)

LG
Tula

Antwort geändert am 21.05.2023 um 10:53 Uhr

 Didi.Costaire (21.05.23, 13:22)
Hallo Dirk,

du hast den Kompass anständig justiert, die Lage wortgewandt beschrieben und dein Gedicht sensationell gut betitelt.

Beste Grüße,
Dirk

 Tula meinte dazu am 21.05.23 um 15:06:
Hallo Didi-Dirk
der alte Kompass tut sich mitunter schwer Nord zu halten, aber irgendwie schlingert sich das Schiff trotzdem durch ...

Dankend lieben Gruß
Tula-Dirk

 Oops (21.05.23, 13:59)
Gullyvers Reisen von Herrn Swift, geht es darum übertragen auf die heutige Forenwelt, oder Politik oder ganz allgemein unsere Gesellschaft...ich verstehe nicht worum es wirklich geht  in dem Gedicht. 
Aussichten verhindern? Welche Aussichten und wer verhindert? Fragen über Fragen.

LG Oops

 Tula meinte dazu am 21.05.23 um 15:19:
Hallo Oops
Kleine (nicht körperlich natürlich) Menschen, die stets große Stücke auf sich halten und glauben, dass lautes (auch figurativ) Schreien Synonym für 'recht haben' ist.
Bit für Bit - es ging mir allgemein um den Trend 'moderner' Streitkultur, wobei es diese an den Stammtischen schon immer gab. Diese hat sich im sozialen Netzwerk, einschließlich Foren jeder Art, erfolgreich durchgesetzt.

Welche Aussichten? - Ich kann keine Probleme lösen, wenn ich ihnen nicht sachlich auf den Grund gehe. Es geht auch selten ums konstruktive Lösen, sondern ums Abfackeln von allem was überhaupt Aussichten gewährt. Denk an Liliput, die zogen in den Krieg, weil sie das Ei auf der anderen Seite aufschlagen wollten.

So in etwa ... ohne jeden Vers zu erklären, aber jeder hat seine Bedeutung. 
Ich weiß, nicht jeder wird zustimmen.

LG
Tula

Antwort geändert am 21.05.2023 um 15:22 Uhr

 Oops meinte dazu am 22.05.23 um 09:58:
Danke für die Aufklärung Tula:).
Die Zeit der Kompromisse scheint vorbei. Sie müssten sich Fehler eingestehen und das will niemand der sich seiner Meinung absolut sicher ist. Mit sich selbst Unzufriedene suchen wohl am Häufigsten den Streit. Und unsere Gesellschaft quillt über von unzufriedenen Menschen. Sie brauchen ein Feindbild auf das Sie schießen können. Neid,Hass,Eifersucht, Machtgier weitere negative Neigungen die zu Kriegen führen im Kleinen wie im Grossen.
Aber wem schreibe ich das, Du bist viel klüger als ich:).

LG Oops

 Tula meinte dazu am 22.05.23 um 22:25:
Hallo Oops
Ja, die Unzufriedenheit lässt sich zwar nachvollziehen, das Streben nach allzu einfachen Antworten voller Feinbilder bis hin zur Hasskultur nicht unbedingt. 

Dankend lieben Gruß
Tula

 plotzn (22.05.23, 10:03)
Servus Tula,

was für ein Titel! Der allein hat schon eine Empfehlung verdient. Was dann folgt aber nicht minder.
Würde es gelingen, die Schere zwischen Arm und reich wieder etwas zu schließen anstatt sie immer weiter auseinanderklaffen zu lassen, würde dem Wutfeuer etwas Nahrung genommen.
Da geht es dann nicht mehr um Lösungen sondern nur noch um Protest und das Gefühl von Ohnmächtigkeit ist ein starker Motivator, der sich von Populisten gut nutzen lässt.

Liebe Grüße
Stefan

 Tula meinte dazu am 22.05.23 um 22:31:
Hallo Stefan
Du schreibst es. Bei den hier Visierten geht es schon lange nicht mehr um Lösungen. 
Aber dass der Populismus schon seit einiger Zeit Hochkonjunktur hat, ist wiederum kein Zufall. Sozialen Frust sollte man natürlich ernst nehmen. Zu viel Wut im Bauch schaltet früher oder später das Hirn aus. 

Dankend lieben Gruß
Tula

 Quoth (22.05.23, 11:08)
... wer lauter schreien kann, der wird erhört
Das ist zwar oft der Fall, aber nicht immer. Es besteht Hoffnung, dass der lauteste Schreihals (natürlich mit deutschen Vorfahren) nicht erneut (vom Wahlvolk) erhört wird. Dein Pessimismus ist verständlich - aber auch ein bisschen aufgesetzt! Gruß Quoth

 Tula meinte dazu am 22.05.23 um 22:35:
Hallo Quoth
Danke für deine Gedanken zum Gedicht. Zur Erklärung: gemeint ist in Strophe 1 'in ihrer Welt', die vermeintliche conclusia als Irrglaube. Wer gern laut schreit, hört ja ohnehin nur sich selbst  ;)

LG
Tula

Antwort geändert am 22.05.2023 um 22:35 Uhr

 TassoTuwas (22.05.23, 20:07)
Hallo Tula,

Swifts "Gullivers Reisen" ist, soweit ich mich erinnere, geradezu gespickt mit satirischen Seitenhieben auf den Zeitgeist. 
Meine Ausgabe stammt von 1958, und ich denke es lohnt, es noch einmal zu lesen, schließlich ist der Zeitgeist nicht tot zu kriegen. Was ja wohl daran liegt, dass man mit ihm alles bequem erklären kann.

Leider hat sich daran nichts geändert! 
LG TT

 Tula meinte dazu am 22.05.23 um 22:39:
Hallo TassoTuwas
In der Tat lernten wir Gulliver als Geschichte für Kinder kennen. In Wirklichkeit steckt da viel mehr drin. Im Vergleich wirst du bei der Lektüre feststellen, dass der Mensch aus seinen Fehlern nicht viel lernt. Was natürlich nicht unbedingt überrascht.
Viel Spaß beim Lesen.

LG
Tula

Antwort geändert am 22.05.2023 um 22:39 Uhr

 Beislschmidt (03.06.23, 09:41)
Hey Dirk, 
man hat doch immer den Eindruck, dass wenn man sich in der Blase der jeweils anderen verirrt, die anderen in der Überzahl sind. Ein ungetrübtes Bild ergibt sich doch nur für den, der an sich und dem gesunden Menschenverstand nicht zweifelt. Von mir aus kann Frau Slomka noch so oft ihre Augenbraue hochziehen, mich legt sie damit nicht rein. Wenn Friedenspreise verliehen werden an Literaten, die ethnisch andere als "Unrat" bezeichnen - was ist dann noch so eine Auszeichnung wert?

 Erkennen ist etwas, was man nicht in den Mund gelegt wird, sondern etwas wofür man kämpfen muss, genauso wie die Freiheit - die gibt's auch nicht umsonst.
Gerne reingelesen.
Beislgrüße

Kommentar geändert am 03.06.2023 um 09:43 Uhr

 Tula meinte dazu am 03.06.23 um 22:40:
Hallo Hans
Gewiss, der 'ungetrübte Blick' fällt nicht leicht, wenn man, unabhängig vom Thema, doch stets eine Doppellinse vor Augen hat: die eigene im Innern und die der Verfasser der Nachricht (im weiterern Sinne). 
Aber genau genommen geht es hier um 'die Art und Weise'.

Dankend lieben Gruß
Tula
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram