Frei nach Boris Vian "Die Spinnen" (1950)

Interpretation zum Thema Leid

von  eiskimo

 

In die Häuser, wo die Kinder sterben,

da schlürfen sie hinein, sehr alte Leute;

sie nehmen Platz im Flur, auf der Wartebank,

ihren Krückstock zwischen den schwarzen Knien;

den Kopf nachdenklich geneigt und lauschen.

Immer, wenn das Kind anfängt zu husten

krallen sie ihre Hände um ihr Herz,

und bilden da eine große gelbe Spinne.

Der Husten prallt ab an den kantigen Möbeln

und bleckt hoch, flattrig wie eine fahle Motte,

um kleben zu bleiben an der schweren Zimmerdecke.

Vorsichtig zeigen sie ein Lächeln,

sobald der Husten des Kindes verstummt,

und die große gelbe Spinne

tastet sich dann zittrig zurück

auf den Knauf aus poliertem Buchs,

zum Krückstock zwischen den kantigen Knien.

Am Ende, wenn das Kind tot ist,

stehen sie auf und gehen woanders hin.

 

 



Anmerkung von eiskimo:

Von Boris Vian kannte ich bislang nur „Le Déserteur“, dieses Chanson aus den 50er Jahren, das in Frankreichs Radiostationen seinerzeit nicht gespielt werden durfte , weil sich bereits der Algerienkrieg abzeichnete und man darin so etwas wie Wehrkraftzersetzung befürchtete ….
Mit dem Gedicht  „Les araignées“ (Die Spinnen) hat mich der Autor von „L´ écume des jours“ (Der Schaum der Tage) aber sehr neugierig gemacht.  Am meisten Echo bei  der Literaturkritik  fand aber wohl  im Jahre 1946/47 „J´irai cracher sur vos tombes“ (Ich werde auf eure Gräber spucken), mit dem Boris Vian für einen Skandal sorgte, auch, weil er dieses Werk unter einem lange geheim gehaltenen Pseudonym herausbrachte.
Ich werde mich sicher weiter mit diesem etwas schrillen Autor beschäftigen, der 1959 im Alter von nur 39 Jahren verstarb.

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Kommentare zu diesem Text


 Saira (17.08.23, 13:33)
Hallo Eiskimo,

eine sehr interessante Interpretation zum Liedertext "Le Déserteur" von Boris Vian. Ich vermute, deine Bilder zeigen die Eltern, die Abschied nehmen von ihren gefallenen Söhnen.

Ein Wahnsinns Anti-Kriegs-Text und eine gelungene Interpretation!

Liebe Grüße
Sigrun

 eiskimo meinte dazu am 17.08.23 um 17:47:
Danke, liebe Sigrun!
Du kennst diesen schwer einzuordnenden Jazzmusiker,  Ingenieur, Dichter, Romanautoren, Sänger..... Er steht auch für eine spannende Zeit in Frankreich.
Liebe Grüße 
Eiskimo
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