Nein

Text

von  Mondscheinsonate

, mit einer Klischee-Oma kann ich nicht dienen, meine war wunderschön, die schönste Frau weit und breit, hochgewachsen und schlank, modisch, selbst im Kittl, darunter trug sie Spitzenwäsche vom Designer, dies sogar noch im hohen Alter. Es war reizend wie die alten Herren sie hofierten, der Großvater, ein großer stattlicher Mann, lächelte, liebte sie überalles, las ihr jeden Wunsch von den Lippen und ich war auch stolz auf ihre Schönheit. Die Leute sagten: "Ihre Enkeltochter ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten!" Das fand ich wunderbar. 

Den Mund durfte diese schöne Erscheinung allerdings nicht aufmachen, dann kam der Bierkutscher heraus, ihre Herkunft, neben der Brauerei. Derb war sie und grob. Sie wusch mir den Rücken mit einem harten Lappen, bis ich striemen hatte, ich war ihr zu verweichlicht.

Eine alte Nazi- Braut, die als junge Witwe sich von hochrangigen Offizieren ausführen ließ, das war sie. 

Und später nahm sie sich nie ein Blatt vor den Mund. Drei Kreuze schlage ich, dass mich der Großvater erzog, nicht sie. 

Nein, Herkunft kann keiner verleugnen, die Gosse pickt auf dem Mundwerk, das ein Leben lang. Die Mutter schlug mich, wenn ich nicht nach der Schrift redete, sie ertrug ihre Mutter auch nicht und jedesmal, wenn ich nach den Sommerferien nachhause kam, brauchte sie viele Schläge, um einzelne Ausdrücke rauszuprügeln. Wenn es sie gelüstete, kam auch die Hundeleine mit Karabiner zum Einsatz, aber in Wahrheit prügelte sie ihre Mutter aus mir oder nur ihre Mutter, das war so. Nach einer Woche hörte sie damit auf, dann widmete sich wieder ihrer Schönheit, zupfte sich ruhig ihre schön geschwungenen Brauen, lackierte sich die makellosen Fingernägel in schönstem Rot und betrachtete sich lange im Spiegel, sie war unglaublich (und besoffen). Sie war das Ebenbild ihrer Mutter und ich das Ebenbild von beiden. Wie Drillinge waren wir, aber die Großmutter konnte den Frust an mir auslassen, die Mutter ihren auch an mir und ich himmelte beide nur an, so schön waren sie, verstand den Hass nicht. 

Mein Passfoto zeigt meine Großmutter (ich sehe sie vor dem neuen schicken Wagen auf dem Schwarzweiß-Foto). Ich betrachte es, lege es wieder weg. Die Großmutter war eine Spur größer. Ich habe dasselbe Gesicht, sie hatte allerdings braune Haare, die Mutter hatte schwarze Haare, ich wurde eine Blondine, da schlug der Vater durch. Ich konnte meine Gene nicht weitergeben, durfte es nicht. Meine Schwester ist eins zu eins mein Vater und der Vater sieht aus wie seine verstorbene Mutter, ich sah Fotos, die Nichte sieht aus wie beide. Der Großmutterfluch ist endgültig gebrochen. Es bleibt eine ungute Erinnerung, wenn ich in den Spiegel sehe. 


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