Bavaria und Boromäus
(in der Art Victor von Scheffels)
In Sendling auf luftiger Höhe
Steht ein riesiges ehernes Weib,
Vom Scheitel bis zur Zehe
Ein Heldenjungfraunleib.
Ein Leu hält ihr zur Seite
Ihre Rechte schwingt ein Kranz:
“Wohlauf ihr jungfrischen Leute!
Wer wagt mit mir einen Tanz?"
Zu Arona am Lago Maggiore
Steht ein Mann von dem selben Metall
Tonsur um das Haupt geschoren
Seines Zeichens ein Cardinal.
Der Mann schaut in die Runde
Und segnet das welsche Land,
Doch tief in dem Herzensgrunde
Lodert ein heimlicher Brand.
Walpurgisnacht! Frühlingsgeheimnis
Da verläßt er den dunklen See
Und wandelt in süsser Verträumnis
Nach der Sendling-Münchner Chaussee.
“Bavaria! Schlankste der Schlanken,
Ich schmelze vor Sehnsucht nach dir,
In den sündhaft schönsten Gedanken
Erglüh' ich - o kose mit mir!
Ich führ Dich zum Bock und Salvator
Zur Theresienwies und zur Dult,
Ich führ dich ins Auertheater
Bavaria neig dich in Huld!“
Er flüstert es leis und begehrlich
Und umschlingt ihre Hüfte mit Macht.
Seine Augen fukteln gefährlich
Doch die Riesenjungfrau lacht;
“Schaugts den an, den Boromäus!
Was glaubt der Dalk daß i sei?
Sie Wüster - Sie Zebedäus
Lassens mi aus itz oder i schrei!"
Sie schüttelt die Locken zum Hohne
Grimm sträubet ihr Löwe die Mähn’,
Der heilige Coloß von Arone
Wird nie mehr bei Sendling gesehn!
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