Ein Brief

Text

von  Mondscheinsonate

Lieber,

Geht es Dir gut? Das ist wichtig, das Wichtigste.
Das wird jetzt länger, verzeih bitte, ich muss Dir viel mitteilen. Den Rest der Woche bin ich am Tun, es sind Umweltrechttage und "Greenwashing erkennen für Unternehmen" Online-Seminar, da bin ich nur im juristischen Kopf (trotz Urlaub).
Einschub: Das war gestern, heute bin ich eine Bazille mit Kopfweh, Halsweh und Fieber. Und nein, Dein NLP-Ding nützt da nichts, in der Richtung bin ich ganz männlich und meine: Ich HASSE es und bin äußerst leidend! Einschub, Ende. 

ich bin das gar nicht mehr gewöhnt, dass es noch Menschen gibt, die auf Vorwürfe gesittet eingehen. Wie wunderbar Du bist! Dafür danke ich Dir. Die Situation ist nicht immer einfach, manchmal geht es länger gut, dann gibt es Tage, an denen es einfach zu viel wird. Im Grunde, bitte versteh mich auch, haben wir nichts anderes als Kommunikation. 

Und ad Ergänzung, ja, Du hast Recht, aber es geht nicht um Interessen, sondern um Persönlichkeit. Das, was mir fehlt, hast Du und umgekehrt. 
Ich finde es ja immer so lustig, dass die Menschen den Spruch "Gleich und Gleich gesellt sich gerne" auf  Charaktere beziehen. Wie fad, wenn ich täglich meinem Ich begegnen würde, wo bleibt da der Wachstum? Gleiche Interessen sind fein, aber man muss doch nicht immer zusammenpicken und zu einer Person verschmelzen, Du weißt, ich kann Abhängigkeit nicht aushalten. Meiner Ansicht nach, ist es gerade das Konträre, was zu einem Ganzen macht. Und wichtig ist Verständnis, Empathie, für das Gegenüber. Yin und Yang, das weibliche und männliche Prinzip, die Weichheit und die Stärke, nicht Einheitsbrei. Das wird unwillkürlich zum Brüderchen und Schwesterchen.

Versuchen wir Gefühle nicht mit dem Verstand zu begreifen, das geht nicht, nur mit dem Herzen. Keine Sorge, ich bin eine Grüblerin, hab mir schon das Hirn zermartert, das geht nicht. Während ich denke, spüre ich viel, das bringt alle Gedanken durcheinander.
 Vernichtet sie.

Manchmal denke ich, ich könnte Dich enttäuschen, ich bin ein normaler Mensch ohne Schnickschnack, langsam alternd (obwohl noch gesegnet), 08/15, Du bist die Makellosigkeit gewöhnt. Die G'spritzten, Glanz und Gloria. Das macht mich ganz nervös. Das nagt sehr an mir. 

Mittlerweile haben wir die Basis dafür geschaffen, dass wir beide sehr tief gehende Gespräche führen könnten. Das reizt sehr. Ich mag Deine Gedankenansätze, die straight sind, aber meiner Ansicht noch der Ausreifung bedürfen. Mir fehlen noch Definitionen, wie z.B. "Was ist "stark" für Dich? Für mich ist es die mentale Stärke. Oder, was bedeutet "Abhängigkeit" für Dich? Für mich ein Gefühl der Bedürftigkeit. Was bedeutet "frei sein"? Bei mir ist es die absolute Selbstbestimmung, die es nie geben wird. Ich denke, Du meinst äußere Umstände. 
Im Übrigen, ich bin auch wankelmütig, äußerst. Ähm, ja. Grins.

Als junges Mädchen fühlte ich mich freier als jetzt. Sind wir doch ehrlich, herrlich, oder? Keine "Erwachsenenprobleme", nur "Was mach ma am Wochenende"? Kinder/Jugendliche sind so herrlich hirnlos und spontan. Ich denke, das kommt nie wieder, schade. 
Du kannst sowieso in Deinen Positionen nicht frei sein, aber diese Art der Unfreiheit liebst Du sehr (ich kann Dir nicht oft genug sagen, wie stolz ich auf Dich bin!)

Und ja, ich habe mehr Zeit als Du, ich arbeite auch Rund um die Uhr, lernen ist auch arbeiten, dennoch, ich bin alleine, mich stört niemand beim Denken. Das war gemeint, aber Du hast mich schon verstanden. 
Weißt Du, beim Nachdenken darf nie vergessen werden: "Es war so und so, ich hab so und so reagiert, was habe ich daraus gelernt/gezogen?" Nochmals, gerade in Zwischenmenschlichkeiten sind immer beide Schuld. Überlege: Du bist nicht nach der feinen Englischen im Tun gewesen - das Gegenüber hat sich das gefallen lassen. Wir müssen immer Grenzen setzen, bis hier hin und nicht weiter. Was glaubst Du, diese Erkenntnis hat mich viel Überwindungen gekostet. Jahre habe ich gebraucht, viele Tiraden später meine ich: "Ja, das Mistvieh (ist er) hat dieses oder jenes gemacht, aber ich habe es zugelassen, immer wieder und wieder, bis ich im Bad am Boden saß, mit dem Rücken an die Badewanne gelehnt und bitterlich geweint habe und nein, ich bin nicht weinerlich. Das war für mich der Schlußpunkt. Ich habe daraus gelernt, ich stecke meine Grenzen, Du hast das auch schon mitbekommen, dies gleich. Und auch Du denkst dann nach: "Wow, das war too much, ich zügle mich." (Auch schon erlebt.)
Nicht nur überlegen: Was will ich? Wie kann ich es erreichen? Sondern auch: Was hat dieses und jenes mit mir gemacht? Was lerne ich daraus? Vergangenheit und Zukunft verknoten, daraus lernen, weitergehen.
Was mir wahrlich imponiert, dass Du meinst "Ich bin am Ego-Trip", nicht zu verwechseln mit Narzissmus, der Narzisst sagt das nicht, er ist es einfach und fährt über alles drüber. Da ich Dich in Deinen Anfängen der Bewusstseinsbildung schon kannte, weiß ich, dass Du Dich durchaus auch verletzlich gezeigt hast. Spannend finde ich auch, dass wir uns wieder in der zweiten Pubertät gefunden haben.
Lach mich nicht aus, ich denke, das hat einen Grund. Früher wie Heute geht es um das Gespräch (anscheinend), die Belohnung bekommen wir erst, müssen Geduld haben. Für mich ist das wahrlich auch eine Übung, Du als Steinbock bist ein geduldiger Mensch, ich als Zwilling nicht. Ich bin ein "Ich will das jetzt haben, sonst drehe ich durch"- Mensch, bei uns muss ich mich in Geduld üben. Dabei hilfst Du mir, indem Du nicht unwirsch reagierst, wenn ich unwirsch reagiere. (Thx!!!)
Aber, in diesem Ego-Trip habe ich anscheinend die Aufgabe, Dich ein wenig ins Gefühl und in die Analyse zu bringen. Ich analysiere dabei auch mein Verhalten, Dir gegenüber, auch das zu meinen Mitmenschen, denn auch ich bin auf demselben Trip, ich hätte es nie so empfunden, aber es ist so. Überlege, vor einem Jahr waren wir beide noch nicht in der Lage derart miteinander zu kommunizieren. Was heißt vor einem Jahr! Heuer noch. Jetzt bringe ich Dich zur Reflexion und mich dazu. Nimm Dir immer Zeit dafür. Das ist wichtig. 

Auch habe ich darüber nachgedacht, warum ich so reagierte wie ich am Mittwoch reagierte, weil mich Dein Schweigen triggerte. Meine Mutter sagte oft: "Ich komm gleich wieder" und dann kam sie zwei oder drei Tage nicht wieder. Ich hasse das heute noch, krieg das nicht raus. Aber, wenn ich es weiß, kann ich damit umgehen. Es ist mein Problem. 
Aber, auch Du reagiertest richtig. Merkst "Ui, nicht gut. Die Frau tut uns gerade beiden weh. Da muss ich jetzt reagieren."
Wir haben mittlerweile eine ausgezeichnete Schwingung miteinander. Wo hat man das? Sind wir ehrlich, normalerweise stürzt sich der Mensch ins Abenteuer und nach und nach wird erkundet, wie der andere tickt. Was manchmal gut ist, manchmal leider nicht. Du weißt z.B. definitiv, dass ich Dich zwar halte, aber auch gehen lasse, wenn es so weit ist. Du weißt, dass wir über alles reden können, auch über Negatives. Du weißt, dass ich - trotz zeitweiliger Auszucker - sehr wohl Verständnis für Dich aufbringe. Du weißt, dass wir im Grunde gleich emotional ticken und Du weißt, was ich fühle. Uns beide muss man erst knacken, wir sind zwei Nüsschen. Ich schrieb Dir, ich bin kein romantischer Mensch... dann sülze ich Dir etwas vor. Haha. Kann man nicht erfinden. So bin ich zu niemanden sonst. Schau, bei mir kannst Du einfach Du sein, weil ich weiß, wer Du bist und ich kann einfach ich sein. Wir verändern uns nicht, wir modifizieren nur. Lernen das Leben hindurch, der Charakter bleibt gleich. Und ich weiß, dass Dir mehr weh tut als Du jemals zugeben würdest. Du manifestierst ständig Siegergedanken, das müsstest Du nicht, würdest Du Dich wahrlich als Sieger fühlen. Hase, Du bist schon so weit gekommen, Du brauchst nichts mehr runterbeten. Jetzt heißt es noch die Balance zwischen dem Außen und Innen finden. Eines schafft niemand, nämlich dauerhafte Kohärenz. (Sehr zu empfehlen, auf YouTube "Gerald Hüther - Kohärenz & Glück Potenzialentfaltung" Gehirnforscher, sehr interessant)
Fakt ist, wir können nicht anderen Menschen helfen, die können sich nur selber helfen, dies durch Impulse. Wir senden uns diese.
Im Übrigen, Aggression ist ein Ausdruck von Schmerz. Es tut mir noch immer sehr leid.
Fazit: Wir tun uns gut. Eine Reise durch Emotionen und Gedanken.
Wir tun uns aber nicht gut, wenn wir voreinander davonlaufen, weil es sich suspekt anmutet. Es ist anscheinend alles wie es momentan sein muss. Vielleicht dürfen wir uns erst sehen, wenn unsere Aufgabe zusammen gelöst sind? Ich weiß es nicht. Es fühlt sich so an.

Lieber, wir können uns am vierten Okt. nicht sehen, übrigens, es bleibt, so haben die Ärzte entschieden, was wieder gut ist, somit bin ich dann nur drei Tage im Spital und dann finden wir einen schönen Termin und ja, jetzt kommt die stressige Zeit für Firmen, haben wir Geduld. Vielleicht kann ich Dir irgendwo entgegenfliegen/fahren, bereits konstatiert... Wien ist nicht gut, bedenken wir das. Seien wir in der Sehnsucht nicht unvorsichtig! Aber, bitte, halten wir doch noch durch, halten wir uns in Gedanken fest, verlieren wir uns nicht. 

Manchmal denke ich, wie schön es wäre, ein Ort, nur Du und ich, viel Zeit und viel Humor. Draußen schneit es mittlerweile, die Flocken knistern leise an den Fensterscheiben, zeichnen Blumen, drinnen ist es warm, aufgeheizt durch viel Sehnsucht, die in uns steckte. Wir liegen uns einfach in den Armen, alles ist gut. 

Stammersdorf ist in der Nacht die "Süd-Ost-Tangente" in der Luft, ich kann gar nicht anders als an Dich zu denken... ich mag diese Art von Lärm, jedesmal denke ich, dass Du gerade an mir vorbei fliegst. 
Du bist Nikolo-Weihnachten-Geburtstag aus Kinderperspektive für mich, mit ganz viel Glanz, Vorfreude und Nervosität verbunden. 


Bussi

C.

Du fehlst mir so sehr!


Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Aron Manfeld.

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