Der Brief

Text

von  Mondscheinsonate

Lieber,


bist Du aufmerksam? Nicht ein Brief, sondern der Brief.

Wie schön eigentlich Deine letzten Nachrichten waren. Ich lese nicht einfach Worte, sondern denke es durch, ich bin ein Zwilling, kann gar nicht anders.

Die Botschaften lauteten Dir soll es gut gehen, dann geht es mir gut. 

Natürlich, der Mann braucht's auch für's Ego (auch Frau) - jeder. Aber, der Unterschied macht ein Jahr. Früher kam: Ich will, dass ich das bekomme, was ich will... 

Das zeigt Gefühl und nein, Du bist nicht der Mensch, der meint: "Du bedeutest mir viel," Du sagst: "Fahrst Du eh mit dem Taxi?" oder schreibst "Du warst nie weg". 

Weißt Du eigentlich wie lieb Du wirklich bist? Nicht immer, zu 80% bleibst Du in Fassung, das macht der Boss in Dir, aber ich weiß, was dahinter steckt, das macht das Ganze ziemlich reizend. Ich mag das, denn umso wertvoller sind die, von Dir geschriebenen Sätze. Ich hasse nichts mehr als Dauergesülze, wo man die Hälfte schon als Standard verbuchen kann.

Fassung bewahren, ganz wichtig, die ganze Situation verlangt es. Ja, sonst hätten wir uns längst gesehen, Angst, dass die Fassung nicht mehr funktioniert, aus dem Gefüge zu geraten. Glaubst Du, mir geht es anders? Nein. 

Auch Angst, dass die Phantasie schöner ist als die Realität? Angst, dass es dann vorbei sein muss, ja, es muss. Die Realität holt ein. 

Ich höre gerade "Schwanensee", es gibt mehrere Fassungen, kein Happy End, ein Ertränken der Liebenden, die neueren Fassungen bringen ein Happy End. Nein, gerade das "Schwer ums Herz - Sein" macht es doch aus, das ist hier die Realität. 

In uns schlummert ein altes Gefühl, ein - ich zitiere Dich - "Das habe ich mir schon lange mit Dir gewünscht" - Gefühl, eine Vorstufe zu allen weiteren großen Lieben, nennen wir es Liebelei, für das Leben eine Feuerprobe, sozusagen, wir haben kläglich versagt, waren zu feig, zu jung, zu besessen auf alles weitere, die Welt und wir. Was die Welt angeht, so hast Du sie Dir geschnappt, ich blieb in meinem Mikrokosmos (obwohl ich schon weit reiste, viel sah, dennoch wurzelte ich hier). Und jetzt versagen wir wieder. Nein, müssen versagen. 

Du weißt, dass wir nicht auf Dauer so verharren können. Wieder nein, wir wissen das beide. Fakt ist, dass es mich zwingt, alleine zu bleiben, denn bei jedem Mann, den ich ansehe, versuche ich Dich zu entdecken, werde nicht fündig, was ziemlich furchtbar ist. Du fährst nachhause und freust Dich Deiner Zweisamkeit. Ich kann nicht ewig in diesem Zustand sein, mein Liebes.

Dennoch, Du bist es, der mich zum Seufzen bringt, der mich - selbst mit kurzen Sätzen - erfreut, dem ich - bereits erprobt - nach Krallen zeigen, pfauchen, auch wieder entgegenschnurre, weil Du meine Seele streichelst. Du, der mir wichtig ist, der mich auch manchmal ärgert, weil Du dann wieder zu sehr im Kopf bist, dem ich die schönsten Zeilen schicke, meine kostbare Zeit schenke und Du diese mit einem Satz abtust oder gar auch ignorierst, weil gar keine Zeit oder Lust war, diese zu verarbeiten. Du, der nie fragt "Wie geht es Dir?" und dennoch auf seltsame Art und Weise mit mir verbunden ist, dies extrem spürbar, mir das Gefühl gibt, beschützt zu sein. 

Du, der es nicht zugibt, aber viel Gefühl braucht, sich alles für das Weltliche überall holt, aber von mir tiefe Zuneigung bekommt, dies in Fülle, sich anschmiegt. 

Du, bei dem selbst die Nähersten glauben, Du seiest nur auf Dich fixiert, an der Oberfläche schwimmst, tauchst manchmal ein ins Gefühl und gibst es zurück, fragst immer, wenn ich meine, dass es gerade nicht so funktioniert, was denn los sei, mir Mut zusprichst, mir in den Hintern tritt, ja, meinst "Hopp Hopp, Du schaffst das!" - wenngleich, Du dies momentan nicht mehr zu schreiben brauchst, ich habe es verinnerlicht. Du, der mich aus der Lethargie geholt hat, aus den Zweifeln, meine Mauer zum bröckeln gebracht hat, durchdrang. Der mit mir lacht und blödelt. 

Wie könnte ich meinen, hier ein Punkt? Warum sollte ich das schreiben?

Vielleicht, nein, gar, weil ich hier alleine sitze, das immer, Du nur eine Fantasie in d-moll bist. 

Aber, Dich nicht mehr in meinem Gedanken zu haben, das ist unerträglich, das Unerträglichste überhaupt. 

Auch Du bist immer bei mir, bist nie weg. 

Noch, mein Liebes, kann ich so leben wie ich lebe, das Traurige spürt man doch am Intensivsten, The Dying Swan im Ballett, aber irgendwann fällt der Vorhang, auch für uns. 


Es ist Freitag, 00:42, ich bin noch in der Kanzlei, ich habe noch die letzten Firmenbuchanträge vor 23:59 eingebracht, eine Privatstiftung und ich 
spüre, dass Du irgendwo noch nicht schläfst. Lass uns noch ein bisschen verbunden sein. Das ist schön.
Ich schrieb Dir bereits, wir beide haben anscheinend zusammen ein wenig Arbeit zu erledigen - Du gehst mehr ins Gefühl und ich mehr in den Selbstwert. Wir brauchen noch ein wenig, sind aber auf einem guten Weg. 
Gute Nacht - und Guten Morgen und wieder Gute Nacht ... 

Bussi
C.





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