Ein Brief

Text

von  Mondscheinsonate

Liebster,


sagt Dir Klassische Konditionierung etwas? Es gab ein Experiment von Pawlow, der einem Hund jedes Mal etwas zum Fressen gab, wenn er mit einer Glocke läutete, das führte dazu, dass der Hund auch seinen Speichelfluss vermehrte, wenn die Glocke läutete und er nichts zu Fressen bekam. So geht es mir, wenn mein Handy piepst, andeutet, dass eine Nachricht gekommen ist, sms hat einen anderen Ton. Mir wird ganz warm im Bauch. Bist es nicht du, grumpfe ich vor mich hin, weil der Ton gehört nur dir. 

Eigentlich, betrachteten wir die Situation ganz nüchtern, ist es doch schon fast grausam, die Distanz, die Situation. So gesehen sind wir ganz tapfer. Ja, ich glaube an Seelenliebe, wäre es anders, hätten wir beide schon lange darauf gepfiffen. 

Ich muss Dich enttäuschen, ich schreibe Deine Briefe mit dem Zeigefinger auf dem Handy, überall, im Stehen, im Gehen, im Sitzen, aber zumeist im Sitzen, bei einem Kaffee und einem Glas Wasser. Zumeist ist dann Emil eifersüchtig und macht sich ständig bemerkbar, während Mathilde auf die Fensterbank neben mir hüpft und sich neben mich setzt. Also, der ganze "Haushalt" schreibt mit. 

Lieb, ich dachte, ich sende Dir ein normales Foto, wie ich bin, ohne 18-fachen Filter, das hasse ich. Dann stehst vor mir und denkst Dir:"Wer ist das?" Haha, lustig, in welchen Zeiten wir eigentlich leben. Einmal führte ich eine interessante Diskussion mit einem jungen Mann , der meinte, er "packe die Weiber nicht mehr, einmal hatte er etwas mit einer Tussi und am nächsten Morgen waren ihre Angry Birds- Augenbrauen auf seinem Kopfpolster, das war gruselig." Wie auch immer das geht, ich habe so gelacht.  


Du bist so lieb. Sicher nicht einfach zu händeln, davon bin ich überzeugt, aber weil ich auch ein schwieriger Charakter bin, kann ich Dich gut verstehen. Wir beide haben uns auch erst einpendeln müssen, was schwer war und ist, weil ich Deine Pläne und Ziele nicht weiß (das Schlimmste überhaupt, dass ich nie weiß, ob es Dir gut geht oder nicht!), aber jetzt, wenn ich nix lese, dann weiß ich, dass Du kein kompletter Ignorant bist, sondern einfach belagert bist. Eigentlich, ich schreibe offen, dachte ich, dass man(n) eigentlich überall schreiben könnte, eine Sache von einer Minute, das machst Du aber nicht. Was Du machst, mir prinzipiell schreiben, wenn Du ruhige Minuten hast, was ja eigentlich, so überlege ich jetzt, lieb hoch 10 ist, weil Du mittlerweile weißt, dass ich Dir dann bald zurückschreibe und so nimmst Du Dir dann Zeit für eine Konversation. So sehe ich, dass Du gar nicht oft ruhige Minuten hast, wo ich mir dann weiter denke, dass ich mit Dir nicht tauschen möchte.

Weißt Du woran die meisten Zwischenmenschlichkeiten scheitern? 

An den Erwartungen. Hast Du schon mal darüber nachgedacht? 

Weißt Du was auch grausam ist? In solchen (was auch immer das ist) Konstellationen leidet einer immer mehr. Wenn Du über manche Reaktionen von mir nachdenkst, verstehst Du mich dann auch? Wie geschrieben, wir haben es nicht einfach, in keinster Weise. 

Ein Ich hab dich lieb schreit eigentlich nach einer Umarmung und einer Bussi-Attacke! 

Aber, wir beide hatten immer schon ein tiefes Fühlen auf Distanz. Seltsam. Wir waren und sind ein Traum in der Ferne, sind zum Träumen verdammt. 


Interessanterweise sind wir in einem Punkt exakt gleich, mich hält auch nichts, niemand, von meinen Zielen und Plänen ab, da bin ich extrem stur. Das mag ich an Dir gerne. Ich brauche Freiheit im Kopf. Es gibt nichts Schlimmeres als sich nicht selbst entfalten zu können. Ich mag das auch nicht, wenn ich höre:"Ich habe meine Ziele zugunsten eines Gegenübers aufgegeben!" - Nein. Jeder soll sich entfalten können und dürfen und das Wichtigste ist ein Freiraum, Platz lassen zum Atmen. Verschmelzen verwechseln viele mit Aufgabe, sich selbst aufgeben. 


Weißt Du, dass ich Dich immer spüre, wenn ich Dir schreibe? Du gehst durch meinen ganzen Körper, berührst meine Seele, ganz intensiv, ganz intim. Ich kenne sowas nicht, wir sind immer verbunden. Nie in meinem Leben hatte ich so ein Gefühl, dass jemand immer geistig bei mir ist. 

Ein Gefühl, so alt wie das Erscheinen von "Lambada" - Lach! Nicht einr absurde Einbildung, sondern ein Schlummern, das erwacht ist. By the way... wir sind alt und Du älter. Ich bestehe auf das halbe Jahr, vehement. 


Das Grausamste... wenn ich Dich endlich umarmen kann, muss ich Dir danach wieder nachsehen, bis Du wieder für lange Zeit um die Ecke verschwindest. Ich fürchte, das wird ganz arg weh tun... auch das spüre ich gerade, deshalb höre ich jetzt auf. 

Bussi, ich geh jetzt ins Kisti und nehm Dich mit.

C.


Samstag: 

Du fehlst mir so, es ist ganz schlimm  momentan. Ich träume noch immer von einem Hideaway mit Dir, fernab von der Zivilisation, nur Du und ich und Hände, die sich für einen Augenblick lang festhalten. Diesmal müsste ich meine Brille auf das Nachtkästchen legen, ich mag so Details, die brennen sich ins Gedächtnis. Bist Du noch immer so zärtlich und zaghaft? Nein. Das kommt nie wieder, die Erfahrung verdrängt die Zurückhaltung. Meine Güte, so reizend. 
Es ist aber so wie Du letztens in einem Satz geschrieben hast, ... wie vor 33 Jahren. Es geht um das Gefühl, nicht um Verrenkungen und dem Wort, das ich DEFINITIV aussprechen, ja, ausstoßen werde, nämlich: "Endlich!" Und auf das freue ich mich schon sehr. Scheiß auf Dinge, DAS ist unbezahlbar.

Letztens hörte ich einer Kartentante zu, die meinte:"Dein Gegenüber vermisst Dich nicht, denn Du bist immer präsent. Diese Verbindung ist nicht von dieser Welt." - Ich wünschte, ich könnte das, trotz Deiner gefühlsmäßigen Dauerpräsenz auch behaupten. Du fehlst mir immer physisch. Aber, mit dem letzten Satz hat sie recht, das empfinde ich auch. Du bist das Glück.
Kuss
C.


Sonntag: 
Ich war grad eine Stunde am Zentralfriedhof spazieren, das ist der einzige Ort, wo ich nicht an Dich denken würde, weil Du voller Leben bist, wäre nicht der Umstand, dass im Minutentakt ein Flieger vorbeifliegt. Ich sag nur "Servus" am Bäuchlein, greifbar nahe. Es ist schön dort, heute war es extrem sonnig und klar. So kann ich gut entspannen, Natur, Rehe, Eichhörnchen, Krähen, Feldhamster, alles schon gesehen. Auch finde ich dort Ideen für mein Schreiben, male mir Geschichten aus, aber in Wahrheit ist es reines Abschalten und ein Besuch bei einem Grab. Ich muss aber jetzt wieder zu meinem Schreibtisch, ich war bei Thalia auf der Landstraße, natürlich mit Kauf, ärgerlich, ich sollte nicht, aber
ich kann nicht anders.
Ich küsse Dich zärtlich hinters Ohr und flüstere Dir zu, was ich fühle, Zärtliches.
Komm bald!
B.C. 
Wochenenergie:"Der Ziellose erleidet sein Schicksal - Der Zielbrwusste gestaltet es." - Kant




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