Die Zeitfalle

Groteske zum Thema Unverständnis

von  Saira

Layla Faruk, eine 71-jährige Dame, wurde an einem Wochenende mit dem Rettungsdienst in die nächstgelegene Klinik gefahren, da sie schwere Oberbauchkrämpfe hatte. Dr. Schnell untersuchte sie in der Notaufnahme. Er stellte keine Auffälligkeiten fest und ließ sie über Nacht zur Beobachtung auf die Station bringen. „Das ist sicher nur Stress“, erklärte ihr ein weiterer Arzt, Dr. Arroganz, am nächsten Tag bei der Visite. „Kann es sein, dass Ihr Mann Sie geschlagen hat? Eine Rippenprellung kann auch starke Schmerzen verursachen.“ Diese Frage traf Layla wie ein Schlag ins Gesicht. Ihr entsetzter Blick und die sofortige Verteidigung ihrer Vergangenheit zeigten, wie sehr sie unter dem Verlust ihres Mannes litt: „Mein Mann hat mich nie geschlagen. Er starb letztes Jahr an Krebs!“ „Wie Sie meinen. Essen Sie die nächsten Tage leichte Kost, und alles wird gut“, entgegnete er lapidar. Layla ging nach Hause, und da die Krämpfe nur noch leicht waren, hoffte sie auf Besserung.

 

Sechs Wochen später, als die Beschwerden wieder zunahmen, überwies sie ihr Hausarzt, Dr. Nachdenklich, in eine andere Klinik. Dort traf sie auf Dr. Eilig, der gerade zwischen zwei Patienten hin- und her hetzte. „Das ist sicher eine Magenschleimhautentzündung“, murmelte er. „Die Entzündungswerte in Ihrem Blut sind leicht erhöht, aber Ihr Bauch ist weich und unauffällig. Ich verschreibe Ihnen Protonenpumpenhemmer. Dazu ein paar Wochen Ruhe, und Sie sind wieder fit!“

 

Ihre Hoffnung auf Besserung wurde jedoch schnell enttäuscht, als die Symptome nicht verschwanden. Die Erfahrung der letzten Zeit zeigte ihr, dass sie in diesem System nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die sie brauchte. Ihre innere Verzweiflung wuchs, während sie sich fragte, ob sie jemals die Hilfe bekommen würde, die sie so dringend benötigte.

 

Nach weiteren zwei Monaten, in denen sie sich immer schwächer fühlte, landete Layla in der dritten Klinik. Hier wurde sie von Dr. Überlastet empfangen, der gerade einen Stapel Akten durchblätterte. „Das ist psychosomatisch. Lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt zu einem Psychotherapeuten überweisen.“ Diese Aussage war der endgültige Tiefpunkt für Layla. „Aber ich fühle mich wirklich schlecht, und die Schmerzen sind schlimm!“ Ihre Worte waren ein verzweifelter Schrei nach Hilfe, der jedoch ignoriert wurde. Der Arzt war bereits mit seinen Gedanken bei dem nächsten Patienten, während Layla sich allein und missverstanden fühlte. Sie verließ die Klinik mit einem Kurzbericht für Ihren Hausarzt.

 

Im Krankenhaus, wo sie nur Stunden später eingeliefert wurde, war es zu spät. Die Ärzte schüttelten den Kopf, als sie die endgültige Diagnose stellten: eine fortgeschrittene Erkrankung, die längst hätte behandelt werden müssen. Layla starb, während die Ärzte in der Notaufnahme über die Notwendigkeit von mehr Zeit für Patienten diskutierten.



©Sigrun Al-Badri/ 2024



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Kommentare zu diesem Text


 Moja (19.10.24, 11:05)
Puhhh, liebe Saira, in diese Falle möchte man nicht hineingeraten -
gut geschrieben!

Bedenkliche Grüße von Moja

 Saira meinte dazu am 19.10.24 um 14:59:
Moin Moja,

da hast du Recht! Habe diesbezüglich leider auch schon üble Erfahrungen machen müssen ... konnte aber glücklicherweise überleben.

Danke und liebe Grüße
Saira

Antwort geändert am 19.10.2024 um 15:00 Uhr

 franky (19.10.24, 11:21)
Hi liebe Sigi 

Du sprichst da einen wunden Punkt an, der leider auch in nächster Zukunft nicht gelöst werden kann. (Personal Mangel) 

Grüße von Franky

 Saira antwortete darauf am 19.10.24 um 15:03:
Hi lieber Franky,
 
ja, dieses Thema betrifft uns alle. Einzige Ausnahme könnten möglicherweise die Privatversicherten sein, die von den Auswirkungen weniger betroffen sind.

Danke und liebe Grüße
Sigi

 Teo (19.10.24, 20:50)
Hi Sigi,
Jau.. das wäre auch einer Angelika oder Ilona passiert. Mh...ob der Doktor nun Arroganz oder einfach nur Schmidt oder Schneider heißt....ich hab den Eindruck, Ärzte stehen mitunter am Limit. Mir kommen einige auch manchmal Arrogant rüber, ich glaube aber, die versuchen schon ihr Bestes.
Wie dem auch sei....deine Groteske ist schon nah an der Realität.
Ich mache zur Zeit teilweise ähnliche Erfahrungen.
Lieben Gruß 
Teo

 Saira schrieb daraufhin am 20.10.24 um 14:17:
Moin Teo,
 
ich denke auch, dass viele Ärzte unter immensem Druck stehen und oft an ihre Grenzen stoßen. Das kann manchmal zu einem Eindruck von Arroganz führen, obwohl sie in der Regel ihr Bestes geben, um zu helfen.
 
Schade, dass du gerade ähnliche Erfahrungen machst.
 
Liebe Grüße
Sigi

 AchterZwerg (20.10.24, 08:56)
Liebe Sigi,

ein intensiver Text, der mich vor allem aufgrund der passenden Namensgebung für die Protagonisten überzeugt.
Die bringt einerseits etwas Witz in das strenge Thema und verhindert andererseits ein unangemessenes Auswalzen.

Gut gelungen, finde ich. :)

 Saira äußerte darauf am 20.10.24 um 14:25:
Liebe Heidrun,
 
freu mich, dass die Namensgebung der Protagonisten bei dir gut ankommt und zur Leichtigkeit des Textes beiträgt.

Das ist ein aktuelles Thema und deine Wertung ist mir sehr wichtig! Danke!
 
Herzlichst
Sigi

 plotzn (20.10.24, 13:38)
Gut beschrieben, liebe Sigi, und leider nicht fernab der Realität. Vorbei die Zeiten, wo es noch eine Ärztin Achtsam und einen Doktor Fürsorglich gab...

Liebe Grüße
Stefan

 Saira ergänzte dazu am 20.10.24 um 14:33:
Lieber Stefan,

überall wird gespart und das ausgerechnet auch in der medizinischen Versorgung! Wie soll sich ein Arzt (eine Krankenschwester, Pfleger usw.) noch ausreichend um Patienten kümmern können, wenn er/ sie maßlos überfordert ist? Es entstehen Fehler und diese kosten Gesundheit und im schlimmsten Fall auch Leben.

Danke und liebe Grüße
Sigi
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