Geister der Worte: Ein Streit zwischen Logik, Poesie und Fantasie

Erzählung zum Thema Philosophie

von  Saira

In einer staubigen Bibliothek, umgeben von hohen Regalen voller vergilbter Bücher, geschah etwas Ungewöhnliches. Die Geister von Arthur Conan Doyle, Johann Wolfgang von Goethe, Astrid Lindgren, Edgar Allan Poe und Herbert George Wells erwachten zum Leben. Sie schwebten über den Seiten ihrer Werke, die in der Dämmerung schimmerten, und begannen, sich zu unterhalten.

 

Doyle, mit seinem scharfen Verstand, begann: „Es ist offensichtlich, dass die Logik und die Deduktion die einzigen Wege sind, um die Welt zu verstehen. Jeder Fall kann gelöst werden, wenn man nur die richtigen Fragen stellt.“

 

Goethe, mit einem Hauch von Melancholie in seiner Stimme, erwiderte: „Ach, mein lieber Doyle, das Leben ist nicht nur eine Ansammlung von Rätseln. Es ist ein tiefes Gefühl, eine Suche nach dem Sinn. Die Poesie und die Emotionen sind es, die uns wirklich definieren.“

 

Astrid Lindgren, die mit einem fröhlichen Lächeln dazwischenfunkt, sagte: „Aber was ist mit der Fantasie? Die Geschichten, die wir erzählen, sind es, die die Herzen der Menschen berühren. Kinder brauchen Abenteuer und Träume, nicht nur Logik und Philosophie!“

 

Doyle schüttelte den Kopf. „Fantasie ist schön, aber sie führt oft zu Illusionen. Man muss die Realität akzeptieren, um sie zu verändern.“

 

Goethe, nun etwas gereizt, entgegnete: „Und doch ist die Realität oft so grau und trist! Es sind die Farben der Fantasie, die uns lebendig machen. Was wäre das Leben ohne die Kunst?“

 

Poe, der in einer dunklen Ecke lauerte, mischte sich ein: „Aber was ist mit der Angst? Die Dunkelheit ist ein Teil des Lebens, und die Geschichten, die wir erzählen, sind oft die, die uns das Fürchten lehren. Es ist die Furcht, die uns zusammenhält und uns zwingt, uns unseren inneren Dämonen zu stellen.“

 

Wells, der futuristische Visionär, fügte hinzu: „Und was ist mit der Wissenschaft? Die Zukunft liegt in den Händen derer, die bereit sind, das Unbekannte zu erforschen. Wir müssen die Grenzen des Möglichen überschreiten, um die Menschheit voranzubringen!“

 

Die Diskussion wurde hitziger. Doyle argumentierte für die Rationalität, Goethe plädierte für die Kunst und die Emotionen, Lindgren versuchte, die beiden zu versöhnen, während Poe die Schatten der Angst beschwor und Wells von den Möglichkeiten der Zukunft träumte. Doch je mehr sie sich stritten, desto mehr schien die Atmosphäre in der Bibliothek zu schwelen.

 

„Ihr versteht nicht!“, rief Lindgren schließlich. „Es geht nicht darum, wer recht hat! Es geht darum, dass wir alle einen Platz in der Welt der Geschichten haben!“

 

Doyle, der sich nicht beirren ließ, konterte: „Und doch ist es die Logik, die uns leitet!“

 

Goethe, nun sichtlich frustriert, murmelte: „Die Welt ist ein Theater, und wir sind nur die Schauspieler…“

 

Poe schüttelte den Kopf. „Ihr redet von Logik und Emotionen, doch was ist das alles im Angesicht des Unbekannten? Die Geschichten, die wir erzählen, sind nicht nur Spiegel unserer Seelen, sondern auch Fenster in die Abgründe des menschlichen Geistes. Wenn das Theater brennt, wie ihr sagt, dann ist es nicht nur das Ende einer Aufführung, sondern der Beginn einer neuen, unheimlichen Realität. Die Schatten, die wir fürchten, sind nicht nur Produkte unserer Fantasie, sondern die wahren Protagonisten in diesem Drama des Lebens. Wir müssen uns fragen: Was bleibt von uns, wenn die Worte verstummen und die Seiten vergilben?

 

Wells, mit einem nachdenklichen Blick, fügte hinzu: „Und was, wenn wir die Zukunft nicht mehr kontrollieren können?“

 

Schließlich, nach einem letzten hitzigen Austausch, verstummten sie. Die Stille in der Bibliothek war greifbar. Jeder Geist war in seine eigenen Gedanken vertieft, und die einst lebhafte Diskussion war in ein wütendes Schweigen umgeschlagen. Die Bücher um sie herum schienen die Stille zu genießen, während die Geister in ihrer eigenen Groteske gefangen blieben – jeder von ihnen überzeugt, dass er der Einzige war, der die Wahrheit kannte.

 

Und so zogen sich die Geister schließlich in die Seiten ihrer Bücher zurück, jeder in seine eigene Welt der Überzeugungen und Konflikte, während die Bibliothek in der Dämmerung verblasste und die Geschichten, die sie einst lebendig gemacht hatten, in der Stille der Regale verhallten.

 

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2024



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Kommentare zu diesem Text


 willemswelt (17.10.24, 10:15)
Sehr gelungen ,liebe Siggi,der  Gedankenwelt einer Bibliothek eine persönliche Stimme zu geben,letztlich sehe ich,wie wir doch alle unseren eigenen Weg suchen und das macht uns aus und wir dürfen es sein in einer Demokratiie-einen Morgengruß,Willem

 Saira meinte dazu am 18.10.24 um 07:43:
Lieber Willem,
 
ich freue mich über deine Gedanken zu meiner Erzählung und danke dir!
 
Liebe Grüße
Sigi

 Oops (17.10.24, 11:13)
Toll, wie Du diesen Litheratur Größen Leben einhauchst und sie diskutieren läßt..großartige Idee und spannend umgesetzt, obwohl ich mir ein anderes Ende gewünscht hätte, chapeau



 Saira antwortete darauf am 18.10.24 um 07:44:
Vielen Dank, liebe Oops <3

 Teo (17.10.24, 18:23)
Moin Sigi,
nett zu lesen, wie du die Größen der Literatur wieder zum Leben erweckst. Sich zurückziehen in die Seiten seiner Bücher...wer kann ihnen das verdenken?
Möchte ich manchmal auch...in diesen Zeiten...
Nachdenkliche Grüße
Teo

Kommentar geändert am 17.10.2024 um 18:38 Uhr

 Saira schrieb daraufhin am 18.10.24 um 07:45:
Moin Teo,

Bücher bieten tatsächlich einen wunderbaren Rückzugsort. Sie ermöglichen es uns, in andere Welten einzutauchen und neue Perspektiven zu entdecken.

Danke und liebe Grüße
Sigi

 TassoTuwas (17.10.24, 21:08)
Liebe Sigi,
ein intelligenter Text und dazu amüsant erzählt. Das alleine ist schon große Kunst.
Du zeigst die Charaktere der Diskutanten unverkennbar, in dem von ihnen bekannten Genre, im zugehörigen Zeitgeist.
Das Ergebnis lässt schmunzeln, es endet, wie der Fernsehzuschauer es bei jeder Talk-Show erlebt. 
Rechthaberei sogar bei den Geistern! 
Es war mit ein Vergnügen,
Herzliche Grüße
TT

 Saira äußerte darauf am 18.10.24 um 07:45:
Lieber Tasso,
 
vielen Dank für deine wunderbaren Worte!
 
Dein Kommentar hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert – es ist schön zu wissen, dass das Vergnügen, das ich beim Schreiben hatte, auch auf dich übergesprungen ist.
 
Herzliche Grüße zurück,
Sigi

 plotzn (18.10.24, 08:11)
Coole Idee, liebe Sigi! Desie Rechthaberei spiegelt den Zeitgeist wider...

Zum Glück kann man als Leser das alles wieder friedlich zusammenbringen und genießen.

Liebe Grüße
Stefan
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