fairy

Erzählung

von  minze

Als wir übersetzen, erkenne ich deine untersetzte Statur und das steife, blonde Haar, was sich widersetzt, auch dem miesen Wetter, dem Wasser, was in der Kälte steht, vielleicht nur, weil du rauchst und dazu draußen bleiben musst. Ich beobachte von drinnen und halt die Kinder fest, sie wollen am Fenster stehen und so am meisten von der Fähre mitbekommen, sie wollen auch raus, es wäre leicht, mit ihnen raus zu gehen und an dir vorbei zu gehen, vielleicht würde sich dann die Vermutung, dass du es bist, auch auflösen, ein Grund, hier zu bleiben.


Ich erinnere mich an die Fähre nach Helgoland, als ich ein Kind war. Für mich war es nicht so heftig, aber einer meiner Brüder hat ausgiebig gebrochen und der andere ist meiner Mutter entwischt. In meiner Erinnerung, ist er los, bei Papa ein Taschentuch zu holen, die Frage, ob Papa draußen im Wind war oder drinnen, verheddert sich in meinem Kopf. Als es geschah, haben sie draußen gekotzt oder drinnen auf der Toilette?

Waren zwei draußen, der brechende Bruder und der, der verloren ging, wo war Mutter? Vielleicht war eher sie draußen mit den Jungen und ich saß drinnen, sie hat das Malheur geregelt und den größeren Bruder hineingeschickt, wo ich und Papa nicht viel mitbekommen haben. Auf jeden Fall hat sich der jüngere beruhigt und der große wurde kurze Zeit später vom Personal ausgerufen, meine Mutter hat sich darüber noch mehr aufgeregt und für mich und meine Brüder war genau das aber das eigentliche Abenteuer. Wie der große Bruder sich dem Kapitän anvertraut hatte und durch eine Durchsage wieder zur Familie fand.

Für mich war es die erste und eindrucksvollste Fahrt mit einer Fähre und ich war froh, dass ich nichts verursacht habe im Vergleich zu meinen Brüdern. Als wir ankamen, sagte einer von der Besatzung, dass wir eine sehr hohe Windstärke hatten, insofern ist es allen nachzusehen, was passiert ist und ich bin seltsam stolz, dass ich ruhig geblieben bin. Es wurden auf einem kleinen Tisch Kaiserbrötchen verteilt, die hellen mit dem Kreuz in der Mitte, als würden die Personen auf der Insel davon ausgehen, dass sehr viele leere Mägen hätten und sie als Trost etwas Halt bieten wollten. Für uns war es festlich, gleich etwas geschenkt zu bekommen. Mutter sagte, ihr wanke immer noch der Boden unter den Füßen und wann immer sie heute noch davon erzählt: es ist als, wanke immer noch der Boden unter den Füßen, wird mir doch schlecht.


Ich möchte das Joscha und Mara erzählen, aber ich habe keinen Zugriff, weil ich verloren bin im als ob, die Reise alleine mit ihnen ist anstrengend, auch wenn ich mich bewusst für einen kleinen Urlaub zu dritt entschieden habe. Ich bin weg von zu Hause. Es hat nichts von diesem Abenteuer in Helgoland, was ich erinnere, doch bin ich etwas trotzig im Anspruch, dass die Tatsache, im Boot zu reisen, reichen muss, als Action. Wenn es so wild wäre, hätte ich keine Chance, als wie meine Mutter ganz sicher zu agieren.
Sie zerren an mir, ich herrsche sie an, sie sollen sich festhalten, es wackelt leicht, ich wackle auch.


Später ist es ruhiger und die Kinder malen, ich setze mich dazu, schaue nicht mehr nach draußen, bin innen nervös, aber auch etwas entspannter, weil ich mich nicht groß um sie kümmern muss. Ich denke an die Möglichkeit, dir zu begegnen. Auch, wenn du nicht auf diesem Boot bist, die Überfahrt ist wie ein Platzhalter für ein Zeitfenster, was wir teilen können, es macht mich für eine überschaubare Zeit weich. Ich bin dämmrig, halt die Augen zu, ich meine, auf der Stirn ist die kalte Brise in Perlen aufgeteilt, mir ist auch heiß. Während Mara und Joscha plappern, gehen mir die Perlen und die Hitze zwischen die Beine, ich sehe dich mit den Fingern an der Kamera, die Bewegung deiner Finger macht die Perlen mehr. Das Bild mit den Fingern ist in mir, bereit.


Wenn du mich ansprichst, will ich heiser antworten. Dazu kommt es nicht. Also sag ich so etwas heiser für mich. Mara schaut mich irritiert an, komisch zieht sie die Augenbraue hoch. Sie weiß es, wenn ich entrückt bin, wenn ich aussteige mit den Gedanken, aber sie besteht nicht auf Aufmerksamkeit. Nur bewertet sie es kurz nach ihrer Registrierung, anders ist es bei Joscha, der auf meine Präsenz bestehen würde, mich aber nicht immer auf dem Radar hat. Ich bewundere ihre Gegensätzlichkeit und wie sie mich damit packen und haben. Natürlich bewege ich mich zwischen ihren Bestimmungen hin und her, aber mein Bedürfnis nach Heiserkeit besteht. Ich kann es beruhigen nur durch das bloße Streicheln über Maras Haare, gerade, weil sie nicht darauf bestanden hat.


Ich will ihnen auch diese Brötchen kaufen, in der nächstbesten Bäckerei gibt es keine ähnlichen. Ich habe dieses schwache Kreuz als edles Zeichen gesehen, wie einen Ritterschlag, weil sie Kaiserbrötchen heißen. Ich fange an, davon Joscha zu erzählen und er wünscht sich nun auch, welche zu finden. Es gibt sie nicht mehr als trockene Zehnerpackung im Penny, aber ich glaube, wir werden welche im Tiefkühlfach finden, ich habe solche dort schon mal gesehen.



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Kommentare zu diesem Text


 Isensee (27.10.24, 23:02)
Fairy liest sich wie eine Bootsfahrt durch dichten Nebel – und ich rede hier nicht von diesem mystischen Nebel, der einem schöne Offenbarungen ins Hirn tupft. Hier wirkt's eher so, als ob die Fähre irgendwo gestrandet ist und du selbst in dem Nebel festhängst. Die Sprache will poetisch sein, aber ab und zu stolpert man halt über Formulierungen, die wie ein etwas verlorener Versuch wirken, tief zu klingen. „Kräftiges blondes Haar, das sich widersetzt“ – ja, das widersetzt sich, aber der klare Gedanke dahinter ist irgendwo in die rauen Wogen gefallen.
Dann diese Überfahrt als Metapher für... ja, für was genau? Ein kurzes Zeitfenster, in dem alles möglich sein soll? Klingt ja erstmal nett, aber dann: Wo geht’s hin? Man schippert gedanklich herum, hält kurz an ein paar Wortbildern, nur um am Ende wieder dasselbe zu fragen: Was soll das Ganze? Es bleibt so im Zwielicht, dass es fast ironisch ist, wie verschwommen alles wirkt. Als Leser merkt man, dass du uns hier ganz bewusst und sehr vorsichtig nichts wirklich zeigst – und das erzeugt leider keinen Spannungsbogen, sondern eher ein müdes Fragezeichen.
Die Kinder – Mara und Joscha – das könnten eigentlich lebendige Gegensätze sein, die den Text in Schwung bringen. Doch während die Protagonistin mit großen Gedanken irgendwo vor sich hindämmert, wirken die beiden irgendwie eher wie Accessoires. Die Kinder bringen keine Bewegung rein, sondern lassen einen fast schon fragen, warum sie überhaupt da sind. Der Kontrast, den du wahrscheinlich beabsichtigt hast, dass die Kinder das Normale und der Protagonist das Verkapselte darstellen, bleibt am Ende ziemlich farblos.
Und noch ein kleines Wort zu den Sätzen. Manchmal liest es sich fast so, als sei der Satzbau ein Nebelwerk für sich. Du versuchst Atmosphäre aufzubauen, ja, aber an manchen Stellen würde man sich ein bisschen mehr Klarheit und Punkt wünschen. Es ist gut, Gefühle durchscheinen zu lassen, aber es muss ja nicht unbedingt alles immer so tief sein, dass es im Wortschleier verschwimmt.
Also, was tun? Mein Tipp: Klarheit statt Wolken. Die Ideen sind da, aber versuch mal, ihnen ein bisschen mehr Bodenhaftung zu geben. Die Kinder sind das Herzstück des Textes – lass sie auch mehr strahlen!

 minze meinte dazu am 28.10.24 um 10:08:
ja, ich wollte bewusst so ein Zwielicht, Dämmern, Nebel als Gegensatz zum lebendigen Jetzt schaffen und die Gegensätzlichkeit der lebhaften (eigentlich lebhaften) Kinder und der Mutter, die verkapselt ist - im ersten Lesen deines Kommentares war ich unsicher, ob du dieses Verkapselte gerade wenig interessant findest, du forderst ja auch mehr Klarheit als Wolken.
Aber der Anspruch, gerade diese Gegensätzlichkeit noch mehr wirken zu lassen und besser auszuarbeiten, der hat mich gegriffen. Ich finde es immer wieder gut, herauszuarbeiten bzw. in Texten dem nachzugehen, wie ein in sich fallen, in diese neblige und innere Welt, passiert und ihren Wert hat neben dem ganz lebhaften, "eigentlichen", dem Pendant an Alltag, der vor allem durch Kinder, vor allem dann auch in der Mutterrolle zB so sehr gefordert ist. Das Pendeln dazwischen will ich zeigen ja, aber ein Mehrgewicht oder "eigentlich-sein" im Inneren, finde ich, kann und soll genauso "Herzstück" sein können. 
Das ist eines meiner Themen und beschreibe und erzähle ich sehr gerne, eine innere (Zu)//Flucht. Genauso auch ein anderes Gewicht, was mehr auf der Lebhaftigkeit des Alltages und dem Miteinander zwischen Mutter-Kindern abgeht. 

Ich habe auf jeden Fall deinen Kommentar gerne als Impuls genommen, insgesamt noch mehr auf das Thema zu packen, mehr Erzählenswertes, auch wenn das Thema des Wegschweifens da ist, habe ich mich doch gefragt, was und wie erzähle ich aus von der melancholischen Flucht oder wie wirkt es hinein in die Stimmung und Verfasstheit, wie kläre ich noch mehr auf, um die Verfasstheit und das sich Zurücksammeln der Protagonistin erlebbar zu machen. Sie ist das Herzstück meines Textes, in der Verwebung ihres Innen und Außen.

Welche Passagen du meintest, die dir zu neblig sind als Sätze - das wäre noch interessant. Der Satz mit den Haaren, ich habe kräftig/starr gewechselt, ich stolpere auch noch immer wieder über manche Sätze.

Auch weiß ich noch nicht, ob dieser Begriff Metapher passt..ich muss noch überlegen.. und auch die paar Sätze hier (jedes Weiterleben blablabla) habe ich doch herausgenommen, weil sie zu aufgeladen und aufgeblasen waren, --
also danke für deine Auseinandersetzung und Hinweise, wenngleich ich manches nochmal ganz anders sehe, aufgreife und weiter bearbeite :)
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