Mich stört es tatsächlich, dass nun eine, mir fremde Verwandte des R. in dem Grab liegt, so tut es mir auch für den Bruder leid, dass seine Frau verstarb, aber nun fühlt es sich störend an, meine Gespräche sind unterbrochen, schweigend stehe ich nun davor, fühle mich als Fremdkörper. Das Gefühl, nochmals jung zu sein und auf der hässlichen Couch zu sitzen, wurde eliminiert. Ich habe das jetzt verloren, bin wieder auf mich gestellt.
So stand ich, drei Rosen in der Hand, ging auf dem Gruftrand nach vorne, anders geht es nicht, sonst steige ich auf ein fremdes Grab, und stellte die Blumen in eine Vase, füllte Wasser ein, es war mein Mineralwasser, zündete eine Kerze an und dachte über Unhöflichkeit nach, es war nur eine Kerze und die Blumen waren für R., nicht für L., die nun daneben rieselte.
Die Erziehung wirkt über den Tod hinaus.
So stand ich dann davor, etwas beschämt, nicht die Tatsache ignorieren könnend, dass wir nicht mehr alleine waren, obwohl das waren wir nie, die Mutter und der Vater waren auch da, aber L. ist erst seit Juli da und mir war das zu frisch, zu neu, noch zu lebendig, zu viel Trauerflor.
Jeder Gedanke wurde ausradiert, im Leerlauf stand ich da, beschämt, weil ich keine Trauer empfand für L. Überhaupt raubte mir L. sämtliches Gefühl für R., was ich ihr beinahe schon übel nahm, aber selbst das Übelnehmen beschämte mich zugleich.
Es ließ mir keine Ruhe, so ging ich zu dem Shop beim Eingang und kaufte eine überteuerte Kerze, ging wieder zurück und zündete sie an, stellte sie auf dem gleichen Wege wie zuvor hin und atmete tief aus, die Schuldgefühle, ja, die Beschämung ließen etwas nach.
Ich kenne L. nicht, habe sie noch nie gesehen und doch gehört sie zu R., zu dem lebendigen R. und R. ist der Bruder von dem toten R., eine Verkettung und ich habe das zu akzeptieren.
Und während ich da wiederholt stand, flog ein Flugzeug mit ausgefahrenem Fahrwerk an mir vorbei, der Flughafen ist sehr nah, da stand am Bauch des Vogels "Servus", eine Maschine der Austrian Airlines, und ich lächelte, hörte im Ohr "Ich hab Dich lieb!" und ich sagte zurück "Ich Dich auch sooo viel!", dann sah ich auf die Steinplatte, fügte hinzu "Von Jetzt bis Dahin". Manche Dinge spüre ich. Aber die Präsenz von R. nicht mehr, dafür die von L.