1983

Prosagedicht

von  Redux

Es gab damals noch unsere Dorfdiskothek.
Ein dunkles und verrauchtes Loch.
Eigentlich hatten wir nur Mädchen und Saufen im Kopf.

In der Diskothek lief " Blue Monday " von New Order.
Oder " Orchard Road " von Leo Sayer.
Oder " Billy Jean " von Michael Jackson.
Oder " Moonlight Shadow " von Mike Oldfield.
Oder " Dolce Vita " von Ryan Paris.
Oder " Rockit " von Herbie Hancock.
Oder " Bad Boys " von Wham.

1983
Berufsschule.
Klassenfahrt nach Berlin.
Als eine Bombe im Maison de France hochging,
waren wir einige Straßen weiter im Hotel Bogota.
Nachts standen wir betrunken in den Fenstern und imaginäre Schutzengel verhinderten den Sturz.
In einer Berliner Kneipennacht lernte ich Monika aus Essen kennen.

Drei Wochen später quartierte sie sich in ein Gasthaus in unserem kleinen Ort ein.
Dort, in einem Raum, der irgendwie alt roch, unterhielten wir uns über Gott, über Neil Young, über unsere Kindheit und den Missbrauch durch ihren Vater.

Gelegentlich verließen wir das Zimmer, durchquerten die Gaststätte und schlenderten durch die Straßen, die uns verschlangen wie ein großer Schlund aus Langeweile.

September.
Stille, glänzende Tage,
die aus einem mörderisch heißen Sommer
in ein kühles Bild aus Gold mündeten:

Monika und ich würden niemals eine Zukunft haben.

Und still und traurig genossen wir unser Verliebtsein.

Kurz vor ihrer Abreise liefen wir beim Durchqueren der Gaststätte meinem Vater in die Arme. Das alles wurde zu einer gern erzählten Anekdote.
Und wenn ich sie erzählte, dann schmolzen, ohne es zu bemerken, ihre dunklen Wahnsinnsaugen, ihr trauriges Gesicht und der Geruch ihres Parfums zu einem fetten lächerlichen Klumpen zusammen im allgemeinen Gelächter.

Kennt hier noch jemand " Sunshine Reggae" von Laid Back?
Riesenhit.

Riesenschnulze.

Eigentlich zum Kotzen lächerlich.
Kamen aus Dänemark.
Wir mochten eher andere Musik,
aber es wurde unser Ohrwurm,
der uns blieb die ganze Zeit
bis heute.

Immer wieder nahmen wir Kontakt auf.
Schrieben Briefe.
Aber immer seltener.

1993 rief sie plötzlich an.
Mittlerweile verheiratet.
In Hamburg.

Danach nichts mehr.




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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (28.01.25, 06:46)
Danach nichts mehr
Die Tragik einer verlorenen Liebe und zwischen den Zeilen die Frage: Was wäre gewesen, wenn ...


Herzliche Grüße

 Aron Manfeld meinte dazu am 29.01.25 um 17:01:
Das Frage ich mich auch, liebe Heidrun.

 Teo (28.01.25, 09:56)
Ach Hebbert, du Unglückswurm.
Gut dass du deine Adler noch hast.
Aber, ich hatte auch Pech mit Frauen.
Eine hatte ich sogar geheiratet.
Meine Güte.. so eine Zicke!
Die wollte unbedingt mit aufs Hochzeitsfoto!
Junge.. du bis ein Tofften...bleib wie du bist!

 FRP (28.01.25, 11:43)
Monika und ich würden niemals eine Zukunft haben.
Nur das "Warum" würde den Text für mich rechtfertigen.

 EkkehartMittelberg (28.01.25, 14:23)
Interessantes individuelles Schlaglicht auf die Zeit.

LG
Ekki

 Aron Manfeld (29.01.25, 17:04)
Mann will ewig in der Dorfdiskothek bleiben, im Antibürgerlichen - aber ...
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