WEGEWARTE
Einheitsblume
mädchenschmale
du konformes Girl
stehts herum am
Wegrain
Zu Millionen stehen sie
alle einsam und allein
verloren
am Wegesrand
Gemütsprostitution
aber mit Anstand
und wenn schon
Warten
auf Aufmerksamkeit
Sie sind passiv
die ganze Zeit
Wären es ein paar
doch bloß
erweckten sie Interesse
und man würde
stehen bleiben
ein bisschen Small Talk
betreiben
oder gar mit ihnen flirten
Doch das tun nicht mal
die Geißhirten
Sie stehen uniform
herum
kommen nicht voran
Man unschwer erraten kann
auf was sie alle warten
Das übliche Klischee:
O weh !
Liebe, Glück
und Geborgenheit
So warten sie die ganze Zeit
kühlblau und lethargisch
und stehn am Weg apathisch
und total fixiert ...
… niemand sie berührt …
Ich hab mir eine angesehen
en passant im Vorbeigehen
Irgendwie tat sie mir leid ...
Ich verweilte nur kurze Zeit
denn hunderte dort waren
mit dem gleichen Gebaren
Ich kehrte der Monokultur
den Rücken
und wanderte einsam und allein
in die weite Welt hinein
denn ich bin kein Wegewarter
eine Pflanze die es nicht gibt
und ich erwarte auch nicht
daß mich irgendjemand liebt
Wär ich ein Lyriker
und kein Misanthrop
und kein Zyniker Gottlob
und totaler Defätist
dem nicht mehr zu helfen ist
ich würde anders dichten:
Doch so werde ich
auf dieses Poem verzichten:
Wegwarte, mädchenschmale,
ich seh dich immer stehn.
wo mir die Wege alle
der Welt zuende gehn
Dort kommt hell vor dem Walde
der Fluß die Felder her.
Dort warte an der Halde,
bis daß ich wiederkehr
Anmerkung
Die letzten kursiv geschriebenen Zeilen
sind ein Gedicht von Johannes Bobrowski