Rohr

Kurzgeschichte zum Thema Lüge(n)

von  RainerMScholz

Das wird ein wirklich unangenehm ichbezogener Text. Keine Ahnung, wer den lesen sollte und warum, ist mir auch egal. Wie so vieles, wenn nicht gar alles; weil es ohnehin nicht beeinflussbar ist, der Lauf der Welt, die Geschichte, der ganze Kram und so, eben gottgewollt, Schicksal, Zufall oder Karma oder was auch immer. Irgendetwas davon. Aber die Geschichte der Lüge, das kann ich einfach nicht, ich bin dazu nicht befähigt, was die, sagen wir, Kommunikation mit anderen Menschen, mit Anderen, bis zur Unkenntlichkeit einschränkt. Wie geht es dir? Was macht die Arbeit? Mit der Familie alles in Ordnung, und die Kinder? Oder am schlimmsten: Geht es dir gut? Wie fühlst du dich? Oder: Was denkst du hierüber und darüber? Und wenn ich dann nachfrage, wird offensichtlich noch mehr gelogen. Und die Leute können es mir ansehen, dass ich ihnen kein Wort glaube, und ich stelle die falschen Fragen, und ich denke, bei GutenTag und Wieistesdennso wird schon dreist und phantasielos das Blaue vom Himmel erzählt. Dann schaue ich, nur so, ohne mir auf Anhieb etwas dabei zu denken, reflexlos quasi, direkt in die Augen meines Gegenübers, die Leute, die Menschen, sie weichen aus und gucken mit ihren Aufgäpfeln nach links oben in eine nichtexistierende Zimmerecke, als würde an ihrem Frontallappen in dieser Richtung da etwas geschrieben stehen oder auf der Rückseite ihrer Augenlider eine vernünftige Antwort auftauchen, so ist es jedoch nicht, denn sehen sie mich wieder an, wie ich so vor ihnen stehe, dann lächeln sie irgendwie debil oder grinsen vielmehr, zucken unmerklich die Schultern, und oft ist das Gespräch, wenn man es hätte so nennen wollen, oder der Beginn eines möglichen Gesprächs, bald wieder vorüber; und ich denke, ich muss ihnen mit einer Eisenstange auf den Kopf schlagen, und manchmal tue ich das auch, glaube ich, ich erinnere mich nicht immer so genau, wahrscheinlich, weil ich auch schon zu oft ein Bleirohr, so ein kurzes, graues, sehr griffiges und massives, auf den Hinterkopf bekommen habe und es war Nacht und dunkel und die Lichter gingen aus.

Also spreche ich nicht mehr so viel, fühle mich unter Menschen unwohl, stehe deplatziert in der Gegend herum und spreche im Geiste scheinbar mit mir selber, was von außen betrachtet vermutlich ziemlich merkwürdig aussieht und den unsichtbaren Kreis um mich herum noch erweitert und wie ein Vakuum, das sich um den Platz bildet, auf dem ich stehe, wirkt, in das keiner vordringen möchte oder kann.

Mit der letzten U-Bahn fahre ich heim, sitze alleine auf der Bank, wandere durch den lichtlosen Park über knirschende Kieswege und stehe vereinzelt an Trinkhallen mit einem Plastikbecher in der Hand, um das Klischee vollends zu bedienen. Ich wollte, es wäre anders. Vielleicht ist es die Erziehung. Meine Oma sagte immer, ich solle stets die Wahrheit sprechen, sonst käme ich in die Hölle. Wahrscheinlich wollte sie mich nur hereinlegen, um jede begangene oder ausgedachte Sünde von mir in Erfahrung zu bringen. Erst später kam ich auf die Idee, dass das auch eine Lüge, ein Betrug sein könnte. Gott und die Oma und die Welt – alle lügen einfach und ich bin bloß so geistig behindert, dass ich da nicht mitspielen mag.

So, genug gequasselt jetzt. Wo ist das Rohr, ach da, unter der Couch. Na dann, gehe ich `mal nach draußen. Macht`s gut, man sieht sich, bis bald. Schöne Grüße, einen netten Tag noch und AufWiedersehen. KüssdeineFrauvonmir. DenKleinenallesGute. Ichfreuemichauf und Gehabdichwohl.

Ich warte schon auf. Jetzt. Schon.



© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (30.04.25, 07:13)
Gleichwohl wird es erst richtig schlimm, wenn auf blöde Fragen ehrliche Antworten erfolgen.
"Geht es dir gut?" "Nein."
"Hast du eine Pollenallergie?" "Nein, Krebs."

Am besten ist es wohl, mehr zu schreiben als zu quatschen ... 8-)

 RainerMScholz meinte dazu am 02.05.25 um 12:23:
Und dann muss man noch achtgeben, beides nicht zu vermengen - total kompliziert das alles. 
Gruß + Dank,
R.

 mannemvorne (03.05.25, 10:43)
-

hmm…Sh…
hab vergessen was ich vergessen hab
                                     was ich dich fra… -

-
 ____________ booooomhauer

und das Schweigen der beLämmer Ten

-

 RainerMScholz antwortete darauf am 04.05.25 um 15:18:
Roooaaaaaaarrrrrr - ja, ich vergesse auch andauernd ständig etwas, das mir dann mitten in der Nacht auf dem Klo wieder einfällt, aber dann steht meistens der Typ, dem ich das sagen wollte, nicht neben mir; aber vllt. kann ich das ja auch meiner Frau um halb drei nachts erzählen.
Gruß + Dank,
R.
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